Scheidung nur ohne Kopftuch – ist das verfassungswidrig?

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Eine richterliche Anordnung im beschaulichen Luckenwalde führt derzeit zu einigen Irritationen in juristischen Kreisen. Ein Familienrichter des Amtsgerichts Luckenwalde forderte ein muslimisches Ehepaar auf, persönlich zu ihrer Scheidung zu erscheinen. Soweit nicht ungewöhnlich. Doch zum Termin der Scheidung dürfe die Frau nur ohne ihr Kopftuch erscheinen, ordnet der Richter an. Alternativ könne sie sich von ihrer Anwältin vertreten lassen und müsse nicht persönlich vor Gericht erscheinen. Überrascht ist nicht nur die Anwältin der betroffenen Frau.

Was hat es mit dem sogenannten Neutralitätsgebot auf sich?

Wer vor Gericht eine unmittelbare Hoheitsfunktion ausübt, wie beispielsweise ein Richter oder ein Staatsanwalt, ist dazu verpflichtet, sich neutral und unparteiisch zu verhalten. Dazu kann es auch gehören, das Tragen von religiösen Symbolen zu unterlassen. Religiöse Symbole können ein Kopftuch, eine Kippa oder auch ein gut sichtbarer Kreuz-Anhänger sein. Anwälte sind diesem Neutralitätsgebot vor Gericht nicht in dieser Form verpflichtet, da sie nicht dem Staat zugeordnet werden können.

Im Jahr 2006 entschied das Bundesverfassungsgericht einen Fall, in dem die Zuschauerin eines Prozesses wegen des Tragen eines Kopftuches aus dem Gerichtsaal entfernt wurde. Das Bundesverfassungsgericht traf in diesem Fall eine klare Entscheidung und beschied, dass allein das Tragen eines Kopftuches im Zuschauerraum eines Gerichtes keinen ausreichenden Grund darstellt, einen Zuschauer des Raumes zu verweisen. Für eine direkt am Verfahren beteiligte Person, wie hier im Fall der Scheidung zutreffend, müsste dies also ebenfalls gelten.

Ist die Anordnung zur Scheidung ohne Kopftuch verfassungswidrig?

Die Anordnung, ohne Kopftuch bei ihrer Scheidung vor Gericht zu erscheinen, könnte das Recht der muslimischen Frau auf freie Religionsausübung verletzen. Denn auf den ersten Blick sind keine Gründe ersichtlich, die solch eine Einschränkung rechtfertigen könnten. Grundsätzlich sind Richter in Deutschland zwar dazu befugt, Personen des Raumes zu verweisen oder eine Anordnung zu treffen, dass bestimmte Kleidungsstücke im Gerichtssaal nicht getragen werden dürfen, wenn sie Missachtung gegenüber dem Gericht symbolisieren oder die Ordnung im Gericht stören könnten. Denkbar ist dies beispielsweise bei Kleidungsstücken wie Bademode, Rockerkutten oder Springerstiefel.

Doch bei einem Kopftuch, das aus religiösen Gründen getragen wird, ist keine Störung der Sitzungsordnung ersichtlich. Es liegt also auf den ersten Blick kein wirklicher Grund vor, der Frau bei ihrer Scheidung zu untersagen, ein Kopftuch zu tragen. Die Alternative, nicht persönlich bei ihrer Scheidung zu entscheiden, ist auch nicht wirklich zufriedenstellend.

Da die Anwältin der betroffenen Frau sich gegen diese Anordnung zur Wehr setzt, dürfen wir gespannt sein, ob die Frau schlussendlich doch mit Kopftuch zu ihrer Scheidung erscheinen darf und ob der mit der Scheidung betraute Richter sich nicht noch wegen eines Missbrauchs des richterlichen Verfahrensermessens verantworten muss.


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