Scheinselbständigkeit- Strafbarkeit nach § 266a StGB und Nachforderungen von Sozialversicherungsbeiträgen durch die DRV

  • 4 Minuten Lesezeit

von Rechtsanwalt/Diplom-Finanzwirt (FH) Falk-Christian Barzik 

Ein in der Praxis immer mal wieder vorkommender strafrechtlicher Vorwurf ist das Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt im Sinne des § 266a StGB.

In den meisten Fällen liegt einem solchen Vorwurf durch die Staatsanwaltschaft oder dem Hauptzollamt (HZA) eine Kontrolle einer Baustelle durch das HZA im Rahmen der Schwarzarbeitsbekämpfung zugrunde.

Das HZA kommt dabei bei einer Kontrolle von Bauarbeitern auf der Baustelle zu dem Schluss, dass einige der dort angetroffenen Tätigen als Arbeitnehmer und nicht als Selbständige sozial- und steuerrechtlich einzuordnen sind. Das Problem ist unter dem Stichwort Scheinselbständigkeit einer breiten Öffentlichkeit bekannt.

Abgrenzung von Scheinselbständigkeit zu Selbständigkeit 

Die Abgrenzung zwischen selbständiger Tätigkeit und dem Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung hat dabei weitgehende steuerrechtliche, sozialversicherungsrechtliche und letztlich strafrechtliche Konsequenzen.

Das Vorliegen einer Scheinselbständigkeit ist insbesondere in der Baubranche oft anzutreffen. Dort ist es üblich, dass auf größeren Baustellen Generalunternehmer mehrere Subunternehmer beauftragen, die zu diesem Zweck wiederum eigene Subunternehmer beauftragen.

Handelt es sich bei diesen Subunternehmern um Soloselbständige ist aus Sicht des Zolls und auch aus tatsächlichen Gründen das Vorliegen einer Scheinselbständigkeit oft naheliegend. Auch zwingen Arbeitgeber Arbeitnehmer oft in diese Verhältnisse, um auf diesem Wege die Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen zu umgehen. Den Arbeitnehmern wird dieses durch ein höheres „Nettogehalt“ oder unter der Handzahlungen schmackhaft gemacht.

Bei diesen Verhältnissen kann es aber auch vorkommen, dass alle Beteiligten subjektiv von einer Selbständigkeit ausgehen, gleichwohl aber ein sog. faktisches Arbeitsverhältnis mit den entsprechenden Konsequenzen vorlag.

Welche Abgrenzungskriterien wurden von der Rechtsprechung entwickelt?

Die Abgrenzung zwischen einem sog. faktischen Arbeitsverhältnis und der Selbständigkeit erfolgt dabei nach im Sozial- und Steuerrecht durch die Rechtsprechung entwickelten Abgrenzungskriterien.

Die wichtigsten Abgrenzungskriterien sind dabei:

  • Die Weisungsgebundenheit des Tätigen
  • Fehlendes Unternehmensrisiko des Subunternehmers
  • Fehlende Betriebsmittel
  • Freie Zeiteinteilung
  • Selbständiges Auftreten im Geschäftsverkehr
  • Eingliederung ins Unternehmen des „Arbeitgebers“
  • Tätigkeit für andere Auftraggeber
  • Eigene Arbeitnehmer des Subunternehmers

Die o.g. Kriterien müssen nicht in Gänze erfüllt werden, sondern der jeweilige Einzelfall ist nach einer Abwägung aller Umstände des Einzelfalls unter Beachtung der o.g. Kriterien zu beurteilen. Dabei können einzelne Kriterien so prägend sein, dass diese die anderen Kriterien überwiegen.

Was sind die Auswirkungen der Annahme eines faktischen Arbeitsverhältnisses? 

Eine etwaige Einordnung als faktisches Arbeitsverhältnis kann dabei weitgehende finanzielle Auswirkungen für den vermeintlichen Arbeitgeber haben, von denen eine etwaige Geldstrafe im Strafverfahren meist noch das geringste Problem ist.

Schwerwiegender sind dagegen rückwirkend erhobene Sozialversicherungsbeiträge für den vermeintlichen Arbeitnehmer durch die DRV. Diese sind durch den Arbeitgeber nachzuentrichten.  

Zwecks Verteidigung gegen die Nachforderungsbescheide der DRV muss man als Anwalt dazu sehr in die jeweiligen Umstände des Einzelfalls eindringen. Dies erfordert umfangreiche Rücksprachen mit General- und Subunternehmer, sowie in der Regel die Sichtung zahlreicher Dokumente.

Problematisch ist dahingehend oft, dass es sich bei den Subunternehmern nicht selten um osteuropäische Ausländer handelt, die im Rahmen der Baustellenprüfung durch das HZA vermeintliche Aussagen machten, die entweder von diesen nicht beabsichtigt waren oder die aufgrund von Sprachproblemen anders gemeint gewesen waren. Dahingehende vermeintliche Feststellungen sind dann umso schwerer später zu widerlegen. Auch erfassen die Fragebögen des HZA meist nur einen Bruchteil der Komplexität des jeweiligen Falls des Subunternehmers.

Hilfsverteidigung gegen die Höhe der Nachforderungsbescheide 

Sofern die Prüfung ein faktisches Arbeitsverhältnis ergab, bleibt als weitere Verteidigungsmöglichkeit die Verteidigung gegen die Berechnungen und Nachforderungen der DRV der Höhe nach.

Die DRV berechnet die Höhe des vermeintlichen Arbeitslohns und damit einhergehend die Höhe der entsprechenden Nachforderungen von Sozialversicherungsbeiträgen entsprechend § 14 II S.2 SGB IV nach der sog. Nettolohnberechnung.

Diese beinhaltet, dass das für die Tätigkeit meist aufgrund von Rechnungen gezahlte Entgelt in voller Höhe als Nettolohn zu verstehen ist und die darauf entfallenden Sozialversicherungsbeiträge darauf zusätzlich hochgerechnet werden müssen. Der so berechnete Betrag ist dann das hypothetische Bruttoarbeitsentgelt.

Keine Anwendung der Nettolohnhochrechnung bei fehlendem subjektiven Element der Illegalität 

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist eine solche Anwendung der Fiktion jedoch nur möglich, wenn die Nichtabführung der Beiträge bedingt vorsätzlich erfolgte und ein „subjektives Element der Illegalität“ des Arbeitgebers vorlag (BSG, Urteil vom 29.07.2009, Az. B 12 R 18/09 Rz. 25).

Der Grund liegt darin, dass selbst in einem Fall, wo die reguläre Anstellung von beiden Parteien umgangen werden sollte, der wirtschaftliche Wert der Arbeitsleistung nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis zum hochgerechneten Arbeitsentgelt stehen würde. Diese Sanktions- und Strafwirkung der Hochrechnung soll daher nur den Arbeitgeber treffen, der bedingt vorsätzlich handelte.

Sofern man also nicht bereits das Vorliegen einer Scheinselbständigkeit in Gänze widerlegen kann, so verbleibt hier zumindest noch die Möglichkeit das bedingt vorsätzliche Handeln des Arbeitgebers zu widerlegen und darauf beruhende zu hohe Nachforderungsbescheide -inklusive der nur in diesem Fall fälligen hohen Säumniszuschläge- zu vermeiden. Eine Folge einer entsprechenden fundierten Argumentation ist dann, dass in der Regel auch das daran angeknüpfte Strafverfahren sich in Wohlgefallen auflöst.





Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Falk-Christian Barzik

Beiträge zum Thema