Insolvenz der ExpressSteuer GmbH - Komme ich noch an mein Geld?

  • 4 Minuten Lesezeit

Insolvenz der ExpressSteuer GmbH - Komme ich noch an mein Geld? 


In der letzten Woche rief mich ein Mandant an, der meine Hilfe suchte. Er hatte über das Programm ExpressSteuer seine Steuererklärung für mehrere Jahre gemacht und das Programm hatte dabei eine Steuererstattung berechnet.

Nach monatelangen Warten hatte er dann erfolglos ExpressSteuer kontaktiert und dabei herausgefunden, dass die Firma mit Sitz in Hamburg im Dezember 2023 einen Insolvenzantrag gestellt hatte. Über die vorherigen Kontaktnummern und WhatsApp-Chats konnte man dort aber niemanden mehr erreichen. Auch ein Großteil seiner in der App hinterlegten Daten sind nicht mehr abrufbar.

Steuererstattung wurde auf ein fremdes Konto ausgezahlt 

Nach Rückfrage beim FA war ihm aber bekannt, dass seine Erklärungen bereits im November veranlagt worden waren und die Steuererstattungen auch bereits auf ein ihm unbekanntes Konto ausgezahlt worden waren. Wem dieses Konto gehört, ist ihm jedoch nicht bekannt.

Der Mandant bat mich dann mit der Prüfung der Rechtslage und ob und von wem die Steuererstattung gegebenenfalls noch zurückerlangt werden kann.

Komplizierte rechtliche Konstruktion 

Dabei musste ich tief in das Konstrukt der ExpressSteuer GmbH einsteigen und die AGBs der Firma prüfen. Das bundesweit bekannt gewordene junge Start-Up stellte eine Plattform in Form einer App zur Verfügung, in der man die notwendigen Dokumente hochlädt und wo anschließend eine KI anhand der Dokumente und Angaben der Mandanten eine Steuererklärung erstellt, die dann über die Plattform an das FA elektronisch versendet wird. Hinsichtlich des technischen Teils ist das Programm nach meinem Verständnis wohl nicht viel anders als entsprechende andere gängige Programme.

Unterschiede zu anderen Steuererklärungsprogrammen 

Der Clou bei der Sache ist jedoch, dass man nicht das Programm alleine kauft und die Erklärung mit Hilfe des Programms im eigenen Namen erstellt und versendet, sondern dass die Erklärung (offiziell) mit Hilfe eines Steuerberaters als Bevollmächtigten (AGB 2.2) erstellt wird.

Ein weiterer Clou ist, dass für die Erstellung kein gesetzlich vorgeschriebenes Honorar, sondern ein erfolgsabhängiges Honorar in Höhe von 20% der erzielten Steuererstattung berechnet wird (AGB 5.1). Letzteres ist nach dem Recht der Steuerberatervergütungsverordnung und dem Steuerberatungsgesetz rechtswidrig. Um dies jedoch legal umgehen zu können, wurde die Konstruktion unter Einschaltung eines Steuerberaters gewählt. Dies geschieht dadurch, dass ExpressSteuer den die Erklärung erstellenden Steuerberater erfolgsunabhängig nach StBVV in jedem Fall bezahlen würde, ggn. dem Kunden aber die 20% Erfolgshonorar berechnet (AGB 4.1 „Zahlungsleistung“).

An wen gingen die Steuerbescheide?

Für mich erst einmal interessant war, an wen überhaupt die Steuerbescheide gegangen waren, wer also offiziell als der Profi im Sinne der AGB gegenüber dem FA in Erscheinung trat? Dabei stellte sich heraus, dass der Bescheid an eine norddeutsche Steuerberatungsgesellschaft als Empfangsbevollmächtigten gegangen war. Letzteres war in unserem Falle der „Profi“ im Sinne der AGBs. Desweiteren gab es wohl noch einen weiteren Profi im Heidelberger Raum. 

Die Ermittlung des Profis war für uns wichtig, da nur gegenüber diesem nach AGB 2.3 eine Geldempfangsvollmacht für die Steuererstattung eingeräumt worden war. Dort heißt es in 2.3:

Der Kunde, vertreten durch ExpressGroup, erteilt dem Profi eine Geldempfangsvollmacht für etwaige Steuererstattungen. Eine direkte Auszahlung der Steuererstattung an den Kunden erfolgt nicht.“

Noch ist kein abschließendes Urteil über die Erfolgsaussichten zu fällen möglich

Dier oben zitierte Passus ist auch der Grund, warum das Geld letztlich auf dem Konto eines Dritten und nicht auf dem Konto des Mandanten gelandet war. Nach Angaben von ExpressSteuer in Emails an Nutzer soll es sich bei dem angegebenen Konto um ein Treuhandkonto handeln. Ob dem so ist und was das für die Vollstreckung bedeutet, wird derzeit noch ermittelt. Wir haben jedenfalls entsprechende Anfragen beim FA und bei dem Kreditinstitut gestellt.  

Für die Frage der Möglichkeit der Rückerlangung der Erstattungen stellen sich nunmehr diverse Fragen:

  1. Wer genau ist der Inhaber des Kontos?
  2. Handelt es sich um ein Anderkonto?
  3. Ist dieses Konto ein Anderkonto/Treuhandkonto der Nürnberger Steuerberatungsgesellschaft oder der ExpressSteuer GmbH?
  4. Lag überhaupt eine wirksame Geldempfangsvollmacht für das angegebene Konto vor?
  5. Falls dem nicht so war, kann man gegenüber dem FA dann die Auszahlung erzwingen?

Zum jetzigen Zeitpunkt ist noch vieles offen und vieles fraglich. Bis zur Beantwortung unserer Anfragen und weiterer Recherche bleibt es daher spannend, ob und wie man die Steuererstattungen noch zurückerlangen kann. Wir bleiben dran!


Update (1.02.2024): Mittlerweile wurde ich von einem ehemaligen Mitarbeiter und einem kooperierenden Steuerberater der ExpressSteuer GmbH kontaktiert, die mir die aufgeworfenen Fragen beantworteten. Einer Einforderung der Steuererstattungen dürfte nunmehr nichts mehr im Wege stehen. Ein Testballon dahingehend ist bereits unsererseits gestartet worden. Sofern Sie bei der Rückerlangung Ihrer Steuererstattung Hilfe brauchen, können Sie uns gerne kontaktieren. 

Hinweis: Bitte kontaktieren Sie uns nur, wenn wir Ihnen bei der Rückerlangung der Steuererstattung behilflich sein sollen. Wir werden nicht bei der Beantwortung der derzeit zirkulierenden Schreiben des Insolvenzverwalters Borcherts tätig. 

Sollten Sie unsere Hilfe in Anspruch nehmen wollen, fügen Sie Ihrer E-Mail bitte bereits den oder die betroffenen Steuerbescheide bei. 



Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Falk-Christian Barzik

Beiträge zum Thema