Schenkung unter "zweiten" Nießbrauchsvorbehalt - Schenkungssteuer

  • 4 Minuten Lesezeit

Bei Zuwendungen unter Vorbehalt des Nießbrauchs für den Schenker verringert sich die Bemessungsgrundlage für die Schenkungssteuer.

Warum? Weil der Nießbrauchsvorbehalt wie eine Gegenleistung zu werten ist. In der Höhe des Nießbrauchsvorbehalts handelt es sich nämlich nicht um eine Schenkung. Nur auf den Restbetrag sind ggf. Steuern zu zahlen.

Beispiel: Sie übertragen eine Immobilie mit einem Wert von 600.000 € unter Vorbehalt des Nießbrauch, der einen Wert von 100.000 € hat. Es liegt dann eine Schenkung in Höhe von (600-100=) 500.000 € vor.

Der Wert des Nießbrauchs hängt im Wesentlichen von zwei Faktoren ab. Einer davon ist die statistische Lebenserwartung. Je jünger der/die Berechtigte also ist, desto höher der Wert des Nießbrauch.

Was gilt aber nun, wenn ein Vermögenswert verschenkt wird, auf dem bereits ein Nießbrauch für einen anderen (älteren Berechtigten) lastet und der nun jüngere  Schenker sich wiederum einen Nießbrauch vorbehält? Wird dann nur ein Nießbrauchrecht berücksichtigt und wenn ja, welches?

Der Bundesfinanzhof entschied mit Urteil vom 6.5.2020 - II R 11/19 - folgenden Fall:

1. Schenkung: 

Die Mutter schenkte einen GbR Anteil an ihre Tochter M und behielt sich den Nießbrauch vor. 

2. Schenkung:

Die Tochter M wiederum schenkte diesen Anteil später an ihre Tochter S weiter und behielt sich den Nießbrauch ebenfalls vor. 

Zwischenergebnis:

Auf dem Anteil lasteten aus Sicht der Tochter S nun gleichzeitig zwei Nießbrauchsrechte, nämlich zu Gunsten der Mutter und der Oma. Sind zwei Rechte "nebeneinander" eingetragen, ist das zuerst eingetragene Recht vorrangig. Solange der Nießbrauch für die Oma besteht, läuft also der Nießbrauch für die Mutter wirtschaftlich ins Leere.

Es liegt aber kein Fall vor, in dem der Nießbrauch nacheinander vereinbart wurde, also bspw. dass erst die Oma und dann bedingt durch deren Tod die Mutter den Nießbrauch haben sollte (sog. Sukzessivnießbrauch).

Das Finanzamt zog vom Verkehrswert nun nur den Nießbrauch zu Gunsten der Oma, nicht aber den zu Gunsten der Tochter M ab. Zur Begründung führte es aus, beim Nießbrauch der M handele es sich um eine Last, deren Entstehung vom Eintritt einer aufschiebenden Bedingung, nämlich dass der vorrangige Nießbrauch für die Mutter erlischt, abhänge. Solche Lasten würden gemäß § 6 des Bewertungsgesetzes (BewG) nicht berücksichtigt. Dagegen wendete sich die Tochter mit dem Argument, dass der nachrangig Nießbrauch zwar zunächst wirtschaftlich ins Leere laufe, aber trotzdem unbedingt vereinbart wurde.

Der Bundesfinanzhof entschied zu Gunsten der Kläger:

Aus den Gründen:

  • "Behält sich ein Schenker den Nießbrauch vor, obwohl der Zuwendungsgegenstand bereits mit dem Nießbrauch eines Dritten belastet ist, hängt die Entstehung des Nießbrauchs des Schenkers nicht vom Eintritt einer aufschiebenden Bedingung i.S. der §§ 158 Abs. 1 BGB, 6 Abs. 1 BewG ab. Der Nießbrauch des Schenkers entsteht vielmehr mit der Schenkung und erhält einen Rang nach dem älteren Nießbrauch. Die Nachrangigkeit hat zur Folge, dass der Nießbrauch des Schenkers zunächst nicht geltend gemacht oder zwangsweise durchgesetzt werden kann. Seine zivilrechtliche Entstehung wird durch die Existenz des älteren Nießbrauchs aber nicht verhindert."
  • "Hiervon zu unterscheiden sind die Fälle, in denen bei einer Schenkung mehreren Berechtigten ein Nießbrauch in der Weise eingeräumt wird, dass der Nießbrauch des einen erst mit dem Ableben des anderen entstehen soll (sog. Sukzessivnießbrauch). Bei der Schenkungsteuerfestsetzung ist der für die Zeit nach dem Ableben des zunächst Berechtigten vereinbarte Nießbrauch gemäß § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 6 Abs. 1 BewG nicht zu berücksichtigen. Er hat am Stichtag rechtlich nicht bestanden. Seine Entstehung hängt von einem zukünftigen, ungewissen Ereignis, dem Vorversterben des zunächst Berechtigten, ab."
  • "Ein vom Schenker vorbehaltener lebenslanger Nießbrauch mindert den Erwerb des Bedachten danach grundsätzlich auch dann, wenn an dem Zuwendungsgegenstand bereits ein lebenslanger Nießbrauch eines Dritten besteht. Bei der Schenkungsteuerfestsetzung sind die Nutzungsrechte in der Weise zu berücksichtigen, dass der vorrangige und der nachrangige Nießbrauch (als einheitliche Last) nur einmal, aber mit dem höheren Vervielfältiger (§ 14 BewG) abgezogen werden. Die Mehrheit von Nutzungsberechtigten bedeutet keine zusätzliche Last, sondern allenfalls eine Verlängerung der Belastungsdauer."


Anmerkung:

Für die Klägerin war die Entscheidung von großer Bedeutung. Der Wert des Nießbrauchs hängt nämlich von der statistischen Lebenserwartung der Berechtigten ab. Wäre nur der Nießbrauch zu Gunsten der Oma berücksichtigt worden, hätte weit mehr Schenkungssteuer gezahlt werden müssen. 

Tip: 

Bei Gestaltungen von lebzeitigen Zuwendungen gibt es keine Musterlösung, die auf alle Fälle passt. Die Vor- und Nachteile der verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten sind sorgfältig gegeneinander abzuwägen. Vor allem müssen die Beteiligten wissen, welche rechtlichen und steuerlichen Folgen ihre Regelungen haben. 

Daher nehmen wir uns bei der Nachfolgeplanung Zeit und stellen die verschiedenen Vor- und Nachteile ausführlich zusammen. Unsere Mandanten sollen wissen, was sie tun und nicht unbemerkt mehr Probleme anhäufen, als zu lösen.

Foto(s): Bild von mohamed Hassan auf Pixabay

Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Matthias Zachmann

Beiträge zum Thema