Schulschließungen wegen Coronavirus: Was passiert mit dem arbeitsrechtlichen Lohnanspruch?

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Der Coronavirus ist nicht mehr nur für Erkrankte und Mediziner eine Herausforderung. Mittlerweile leiden die Wirtschaft und der gesamte öffentliche Sektor unter der Epidemie und auch arbeitsrechtliche Problemfelder sind diskussionsbedürftig.

Mit heutigem Datum (13.03.2020) haben zahlreiche Bundesländer Schulschließungen verfügt. Für Arbeitnehmer mit betreuungsbedürftigen Kindern stellt sich nun die erhebliche Frage, wie die Kinderbetreuung mit der Arbeitspflicht zu vereinen ist und was mit dem Lohnanspruch geschieht.

1. Rechtsgrundlagen

Die zwei entscheidenden Paragraphen sind dabei § 275 Abs. 3 BGB (Leistungsverweigerungsrecht) und § 616 BGB (Lohnfortzahlung bei vorübergehender Verhinderung).

Zu beachten ist, dass die Voraussetzungen des § 275 Abs. 3 BGB nicht deckungsgleich mit denen des § 616 BGB sind. Liegt ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 275 Abs. 3 vor, bedeutet dies nicht ohne Weiteres, dass zugleich ein Anspruch aus § 616 auf Fortzahlung der Vergütung gegeben ist (Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath, Arbeitsrecht, BGB § 616 Rn. 5).

2. Leistungsverweigerungsrecht

Aus § 275 Abs. 3 BGB resultiert ein Leistungsverweigerungsrecht, wenn dem Arbeitnehmer die Leistungserbringung nicht zugemutet werden kann. Das Erfordernis, die Kindesbetreuung sicherzustellen, wird hierunter fallen. 

Entscheidend ist aber der Einzelfall: desto älter und selbständiger das Kind ist, umso weniger wird man von einem Leistungsverweigerungsrecht ausgehen müssen. Sofern eine andere erwachsene Betreuungsperson zur Verfügung steht, wird man ebenfalls nicht von einem Leistungsverweigerungsrecht ausgehen können (BAG 20.07.1977 – Az. 5 AZR 325/76).

Kommt man zu dem Ergebnis, dass die Arbeitsleistung wegen der erforderlichen Kindesbetreuung nicht erbracht werden bzw. zugemutet werden kann, verstößt der Arbeitnehmer jedenfalls nicht gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten. Er kann also weder abgemahnt noch verhaltensbedingt gekündigt werden.

3. Lohnanspruch

Der Lohnanspruch ist losgelöst von dem Leistungsverweigerungsrecht zu betrachten. Es ist möglich, dass auf der einen Seite zwar die Pflicht zur Arbeitsleistung entfällt, aber auf der anderen Seite der Arbeitgeber trotzdem nicht zur Zahlung des Lohnes verpflichtet ist.

Aus § 616 BGB folgt nämlich, dass der Arbeitnehmer seinen Lohnanspruch selbst für den Fall behält, wenn er für „eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert ist.

4. Das konkrete Problem im Falle der Schulschließungen wegen Corona

Der Begriff der „nicht erheblichen Zeit“ ist vom Gesetzgeber in § 616 BGB nicht definiert und damit ein sog. unbestimmter Rechtsbegriff. Auch die Rechtsprechung knüpft hier nicht an eine feste Anzahl von Tagen an. Es sind stets die Umstände des Einzelfalls nach den Verhältnissen im Bereich des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. 

Die Schulschließungen werden ggf. über Monate andauern, sodass nicht damit zu rechnen ist, dass die Arbeitsgerichte hier den Lohnanspruch im Streitfall zugunsten der Arbeitnehmer zusprechen werden. Entscheidend wird auch insoweit der Betreuungsbedarf des Kindes sein, der maßgeblich – aber nicht ausschließlich – vom Alter des Kindes abhängen wird.

5. Handlungsempfehlung

In jedem Fall muss der Arbeitgeber unverzüglich über eine ggf. nicht anders abwendbare Problemsituation der erforderlichen Kindesbetreuung informiert werden, damit der Arbeitnehmer nicht in die Gefahr des Vorwurfes eines pflichtwidrigen Verhaltens gerät.

Kurze Ausfallzeiten zur raschen Organisation der Kindesbetreuung sollten den Lohnanspruch nach § 616 BGB in aller Regel nicht entfallen lassen. Für einen längeren Zeitraum wird der Lohnanspruch aber nicht bestehen bleiben.

Zudem muss der Arbeitnehmer kontrollieren, ob § 616 BGB überhaupt auf sein Arbeitsverhältnis Anwendung findet: Abweichende Regelungen können nicht nur von Tarifvertragsparteien, sondern auch von den Arbeitsvertragsparteien geregelt werden (ErfK/Preis, 20. Aufl. 2020, BGB § 616 Rn. 13).

Abdel-Hamid

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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