Sexueller Missbrauch von Kindern ohne Körperkontakt – Anzeige wegen Verstoß gegen § 176a StGB?

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Im Kampf gegen sexuelle Gewalt gegenüber Kindern hat der Gesetzgeber im Jahr 2021 einen neuen Straftatbestand im Strafgesetzbuch eingeführt: den sexuellen Kindesmissbrauch ohne Körperkontakt. Diese Gesetzesänderung stellt eine Reaktion auf die neuartigen Möglichkeiten des sexuellen Missbrauchs über Internet, Messengerplattformen und Chatrooms dar. Sie hat jedoch auch ihre Tücken, denn gerade im digitalen Äther ist nicht immer offensichtlich, wie alt ein Gesprächspartner eigentlich ist.

In diesem Rechtstipp erfahren Sie:

  • Was § 176a StGB besagt

  • Was als „Sexueller Missbrauch von Kindern ohne Körperkontakt“ gilt

  • Was an § 176a StGB problematisch ist

  • Welche Strafen drohen

  • Wann sexueller Kindesmissbrauch ohne Körperkontakt verjährt

  • Wie man sich als Beschuldigter verhalten sollte

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Was besagt § 176a StGB?

Bis 2021 existierte lediglich der Tatbestand des „Sexuellen Missbrauchs von Kindern“ gemäß § 176 StGB, der jedoch primär für tatsächliche körperliche Handlungen ausgelegt war. Dass es auch möglich ist, jemanden sexuell zu missbrauchen, ohne sich am selben Ort aufzuhalten (im Sinne eines seelischen Missbrauchs) war nicht in einem eigenständigen Paragraphen erfasst.

Der neue § 176a StGB stellt es nunmehr unter Strafe, sexuelle Handlungen vor einem Kind vorzunehmen oder vor einem Kind von einer dritten Person an sich vornehmen zu lassen, ein Kind dazu zu bestimmen, dass es sexuelle Handlungen vornimmt, oder auf ein Kind durch pornographische Inhalte oder entsprechende Reden einzuwirken.

Ebenso wird bestraft, ein Kind für eine solche Tat anzubieten oder sich dazu zu verabreden.

Der Versuch ist strafbar.


Was gilt als „Sexueller Missbrauch ohne Körperkontakt“?

Gemeinhin geht man davon aus, dass sexueller Missbrauch in Form von körperlicher Gewalt verwirklicht wird. Sexueller Missbrauch von Kindern war bisher als das Vornehmen sexueller Handlungen an und mit Kindern definiert. Nunmehr kann auch ein sexuell geartetes Einwirken auf Kinder als eine Form des Missbrauchs bestraft werden, wenn es dabei niemals zu körperlichem Kontakt zwischen Täter und Opfer kommt – etwa in einem Videochat, oder beim Austausch von Bildmaterial über Messenger. Dies gilt sowohl, wenn ein Erwachsener sexuelle Handlungen (z.B. Masturbation) vor einem Kind vornimmt, als auch wenn er das Kind dazu bewegt, selbst sexuelle Handlungen vorzunehmen. Des weiteren ist es verboten, Kinder mit sexuellen Inhalten zu konfrontieren. Konkret werden hierdurch Handlungen verboten, die gehäuft in Online-Chatrooms vorkommen, wenn Täter sich Kindern gegenüber in sexueller Weise äußern, ihnen pornografisches Material (von sich oder Dritten) zusenden, und die Kinder dazu auffordern, mit ähnlichem Bildmaterial von sich zu antworten. Der Rahmen möglicher strafbarer Handlungen ist dabei sehr weit gefasst, und sowohl die Klassifizierung von Reden oder Handlungen als „sexuell“, oder von Bild- und Tonmaterial als „pornografisch“, als auch die Feststellung eines Tatvorsatzes sind oftmals ausgesprochen schwierig.


Was ist an § 176a StGB problematisch?

Eine deutliche Verschärfung, die in Absatz 3 des neuen Gesetzes steckt, steht zu der oben angedeuteten Schwammigkeit der Materie im Missverhältnis:

Der Versuch eines sexuellem Kindesmissbrauchs ohne Körperkontakt ist nämlich auch dann strafbar, wenn es sich bei dem Opfer gar nicht um ein Kind handelt! Entscheidend ist für die Strafbarkeit allein, dass der Täter zum Tatzeitpunkt (irrigerweise) glaubt, oder billigend in Kauf nimmt, es eventuell mit einem Kind zu tun zu haben. Als Kind gilt man bis zum 14. Lebensjahr.

So ist Ermittlern die Möglichkeit gegeben, sich in Chatrooms als Kinder auszugeben (sog. „Scheinkind“), und Verdächtigen eine Falle zu stellen. Lässt der Verdächtige sich dann zu Handlungen gemäß § 176a StGB verleiten, macht er sich strafbar, obwohl er tatsächlich gar nicht mit einem Kind kommuniziert hat.

Darüber hinaus ist eine Strafbarkeit aber auch dann gegeben, wenn der Täter seinen „Taterfolg“ gar nicht wahrnimmt. Dies wäre etwa der Fall, wenn jemand ein Kind zu einer sexuellen Handlung auffordert, von der Ausführung derselben aber gar nichts mitbekommt. Konkret kann es also eine Strafanzeige begründen, wenn ein Kind eine sexuelle Handlung vollzieht, und angibt, dazu zu einem früheren Zeitpunkt vom Beschuldigten aufgefordert oder ermutigt worden zu sein.


Welche Strafen drohen?

Verstöße gegen § 176a StGB werden mit Freiheitsstrafen von mindestens sechs Monaten, und bis zu zehn Jahren geahndet. Das konkrete Strafmaß richtet sich nach den Tatumständen des Einzelfalles, der Schwere der Schuld, und der Vorgeschichte des Täters. Eine Aussetzung der Strafe zur Bewährung ist bei Ersttätern möglich. Eine gute Verteidigung ist hier unabdingbar, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Das Zahlen einer Geldstrafe ist nicht möglich.


Wann verjährt sexueller Kindesmissbrauch ohne Körperkontakt?

Delikte, die mit mindestens sechs Monaten Freiheitsstrafe bestraft werden, verjähren zehn Jahre nach Abschluss der Tat. Hierzu muss gesagt werden, dass Gesetze nicht rückwirkend gelten, man also nicht für etwas bestraft werden kann, was noch gar nicht strafbar war, als man es getan hat.

Sexueller Kindesmissbrauch ohne Körperkontakt kann dementsprechend erst seit 2021 gemäß § 176a StGB strafrechtlich verfolgt werden. Zuvor begangene Delikte dieser Art unterfallen in der Regel dem alten § 176 Abs.4 StGB, und verjähren ebenfalls nach zehn Jahren.


Wie sollte man sich als Beschuldigter verhalten?

Über 20% aller Beschuldigungen des sexuellen Missbrauchs sind Falschbehauptungen. Eine Aussage-gegen-Aussage-Situation vor Gericht ist dabei so ziemlich das Undankbarste, was sich denken lässt. Vollkommen unhaltbare Vorwürfe können zumeist früh genug entkräftet werden, ohne dass es zu einem Gerichtsverfahren kommen muss. Doch der Schaden, den ein Beschuldigter an Ruf und Namen dabei nehmen kann, ist unermesslich und eine Rehabilitierung ist auch bei einem Freispruch eher unwahrscheinlich.

Daher ist es gerade bei derartigen Vorwürfen ungeheuer wichtig, keinen Fehler zu machen!

Daher beachten Sie im Falle einer Anzeige unbedingt die beiden goldenen Regeln des Strafrechts:

1. Schweigen ist Gold!

Wenn der Vorwurf des sexuellen Kindesmissbrauchs gegen Sie im Raum steht, haben Sie keine Verbündeten. Am allerwenigsten in den Ermittlungsbeamten. Daher geben Sie sich nicht der Illusion hin, durch umfassende Aussagen darüber, was „tatsächlich passiert ist“, irgend etwas zu gewinnen. Im Gegenteil: Alles, was Sie sagen, dient den Behörden als Munition gegen Sie.

Daher nutzen Sie unbedingt Ihr gesetzliches Recht, zu schweigen, und machen Sie keinerlei Aussagen zur Sache! Auf diese Weise halten Sie sich und Ihrer Verteidigung alle möglichen Wege offen!

2. Ab zum Anwalt!

Wenden Sie sich umgehend an einen erfahrenen Fachanwalt für Strafrecht, der für Sie den Kontakt mit den Behörden übernimmt, und Einsicht in die Ermittlungsakte nehmen kann, um überhaupt erst herauszufinden, was genau man Ihnen vorwirft, und worauf sich diese Vorwürfe stützen.

Im günstigsten Falle lassen sich erfundene oder unverlässliche Aussagen von angeblichen Opfern (etwa durch psychologische Gutachten) so vollständig entkräften, dass das Verfahren eingestellt werden kann, oder es kann glaubhaft gemacht werden, dass Sie sich nicht darüber im Klaren waren, mit einer Person unter 14 Jahren zu kommunizieren, also kein Tatvorsatz vorlag.

Falls das nicht gelingt, wird Ihr Anwalt mit Ihnen gemeinsam basierend auf den Vorwürfen eine möglichst wirksame Strategie zu Ihrer Verteidigung erarbeiten.


Dr. Brauer Rechtsanwälte sind auf Strafrecht spezialisiert und durch jahrelange bundesweite Tätigkeit auf dem Gebiet des Sexualstrafrechts erfahren.

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