Sexting unter Minderjährigen - Ist das strafbar?

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Die strafrechtliche Relevanz von Sexting, also dem Austauschen sexueller Inhalte über Chats und Messenger, ist an sich schon nicht unkompliziert, lässt sich aber, solange beide Beteiligten erwachsen sind, auf die Formel herunterbrechen: Einvernehmlich - okay, nicht einvernehmlich - nicht okay.

Sucht ein Erwachsener über soziale Medien, Messenger oder vergleichbare Foren sexuellen Kontakt zu Minderjährigen ist der Fall ziemlich klar – Strafbar gemäß § 176 StGB.


Was aber gilt, wenn beide Beteiligten minderjährig sind?

Zum besseren Verständnis nehmen wir ein hypothetisches Fallbeispiel, das die Schwierigkeiten des Sachverhaltes deutlich machen soll:


Zwei Schüler sind in einander verliebt und gehen eine Beziehung ein. Er ist 17, sie 13. Er hatte vielleicht schon einmal eine Freundin, für sie ist es die erste Beziehung.

Die beiden kleben jede freie Minute aneinander, und wenn sie einmal für ein paar Stunden getrennt sein müssen, schreiben sie sich pausenlos. Dabei kommt es zum Austausch sexuell aufgeladener Nachrichten, und schließlich auch entsprechender Selfies.

Als die Eltern davon erfahren, bricht die Hölle los: Es fallen Begriffe wie „Kinderpornografie“ und  „sexueller Missbrauch“, es folgen höchst unangenehme Telefonate, Beschuldigungen, Kontaktverbote, Tränen, und eine Strafanzeige.


Im folgenden wollen wir die Sache einmal aus strafrechtlicher Sicht begutachten, und die folgenden Fragen klären:


  • Was bedeutet „Sexting“?

  • Ist Sexting von Minderjährigen Kinderpornografie?

  • Was ist Kinderpornografie und Jugendpornografie?

  • Wann ist Sexting strafbar?

  • Welche Konsequenzen drohen?

Weitere Fragen können Sie uns gern direkt über WhatsApp stellen!


Was bedeutet „Sexting“?

Unter „Sexting“ (Zusammenziehung aus „Sex“ und „Texting“) versteht man das Austauschen von Nachrichten und Bild- und Tonmaterial mit sexuellen Inhalten zum Zweck gegenseitiger sexueller Erregung. Dies geschieht in der Regel über Messenger-Dienste wie etwa WhatsApp, Telegram, Instagram, etc.

Sexting kann einvernehmlich oder aber gegen den Willen des Empfängers betrieben werden. Die Problematik des Sexting liegt (abgesehen von der Einvernehmlichkeit) darin, dass man sich durch das Versenden sexueller Inhalte, insbesondere Bildmaterials, erpressbar macht.


Ist Sexting von Minderjährigen Kinderpornografie?

Im Rahmen von „Sexting“ versandtes Bildmaterial ist in vielen Fällen als pornografisch einzustufen. Der Bundesgerichtshof (BGH) definiert bildliche Darstellungen als Pornographie, „wenn sie unter Ausklammerung aller sonstigen menschlichen Bezüge sexuelle Vorgänge in grob aufdringlicher, anreißerischer Weise in den Vordergrund rückt und ihre Gesamttendenz ausschließlich oder überwiegend auf das lüsterne Interesse des Betrachtes an sexuellen Dingen abzielt“. Wird Sexting also von Minderjährigen betrieben, handelt es sich bei dem ausgetauschten Bildmaterial um strafbare Jugend- oder gar Kinderpornografie?

Um diese Frage zu beantworten, müssen zunächst die Begriffe Jugendpornografie und Kinderpornografie geklärt werden.


Was ist Kinderpornografie und Jugendpornografie?

Ob pornografisches Material (also Bilder oder Videos, die den oben genannten Kriterien entsprechen) Jugend- oder Kinderpornografie ist, hängt vom tatsächlichen oder augenscheinlichen Alter der dargestellten Personen ab.

Jugendpornografie liegt vor, wenn die dargestellten Personen zwischen 14 und 18 Jahre alt sind.

Kinderpornografie liegt vor, wenn die dargestellten Personen unter 14 Jahre alt sind (oder jünger als 14 wirken).

Das heißt, dass beispielsweise ein Nacktbild einer 13-Jährigen grundsätzlich als Kinderpornografie eingestuft werden kann. Das Bild eines 17-Jährigen wäre gegebenenfalls Jugendpornografie.


Wann ist Sexting strafbar?

Zunächst ist Sexting unter Erwachsenen erlaubt, sofern beide Beteiligten damit einverstanden sind (Mehr dazu hier).

Wird Sexting jedoch von Minderjährigen betrieben, so stellen sich mehrere Probleme:

1. 

Bis zum Alter von 14 gelten Minderjährige als Kinder, die vor jeder Art des sexuellen Übergriffs besonders geschützt werden müssen (sog. „Schutzalter“). Sexuelle Handlungen mit Kindern sind als sexueller Kindesmissbrauch gemäß § 176 StGB generell verboten. Ob ein bisschen „dirty talk“ unter Verliebten bereits als sexuelle Handlung einzustufen ist, bleibt strittig. Ein Kind dazu aufzufordern, in sexueller Weise zu posieren oder sich selbst in sexueller Weise zu fotografieren, fällt aber in jedem Fall hierunter. Der Versuch ist strafbar (§§ 12 u. 23 StGB). Ob das Kind (etwa ein 13-jähriges Mädchen mit einem 17-jährigen Freund) damit einverstanden ist, spielt keine Rolle, da das Kind bis zum Alter von 14 Jahren sein Einverständnis (rein rechtlich) gar nicht selbst geben kann. Wäre der hypothetische Freund selbst auch ein Kind (also unter 14 Jahren alt), wäre er selbst nicht strafmündig. Ab 14 wird der Freund jedoch nach dem Jugendstrafrecht verantwortlich gemacht. Seit 1. Juli 2021 kann das Gericht allerdings gemäß § 176 Abs. 2 StGB von einer Bestrafung absehen, wenn die Einvernehmlichkeit zwischen „Täter“ und „Opfer“ sichergestellt und der Unterschied in Alter und Reifegrad gering ist.

2. 

Sexuell aufreizende Bildaufnahmen gelten unter Umständen als Kinder- oder Jugendpornografie. Deren Besitz ist nach § 184b StGB strafbar. Sendet also die 13-jährige Freundin ihrem Freund, der älter als 14 ist, ein Nacktbild von sich, das aufgrund seiner besonderen Anzüglichkeit als pornografisch gewertet werden kann, macht der Freund sich wegen Besitzes von Kinderpornografie strafbar. Dabei spielt weder eine Rolle, ob die Freundin das Bild von sich freiwillig gemacht hat, noch, ob der Freund das Bild überhaupt haben wollte! Hier gibt es keine Klausel, die eine Einstellung des Verfahrens wegen Geringfügigkeit erlaubt! Bei Kinderpornografie sind die Behörden verpflichtet, zu ermitteln! Mehr dazu erfahren Sie auch in unserem Rechtstipp "Besitz und Verbreitung von Kinderpornos durch Minderjährige".

Im umgekehrten Falle übrigens – wenn also der 17-jährige Freund seiner 13-jährigen Freundin entsprechende Bilder von sich selbst schickt – macht er sich der Verbreitung von Jugendpornografie schuldig (§ 184c StGB). Die minderjährige Freundin kann für den Besitz derselben noch nicht zur Verantwortung gezogen werden.


Welche Konsequenzen drohen? 

Rein theoretisch wird Besitz von Kinderpornografie mit Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr und bis zu fünf Jahren, und sexueller Kindesmissbrauch mit Freiheitsstrafen von bis zu zehn Jahren bestraft. Dies gilt aber nur, wenn der Täter zum Tatzeitpunkt bereits volljährig ist!

In unserem Fallbeispiel greift das Jugendstrafrecht, das nicht auf Bestrafung, sondern auf eine erzieherische Korrektur des Delinquenten ausgerichtet ist. Wenn sich der Verdacht aufdrängt, dass ein Jugendlicher (zwischen 14 und 17) ein Kind (unter 14) in irgendeiner Art und Weise sexuell bedrängt oder manipuliert hat, sodass dieses sich beispielsweise zum Anfertigen und Versenden sexuell eindeutiger Bilder von sich genötigt sah, kann dies je nach den konkreten Umständen, und abhängig vom Verhalten des Täters nach der Tat, mit einer Jugendstrafe geahndet werden.

Wenn, wie in unserem hypothetischen Beispiel, davon auszugehen ist, dass zwei Minderjährige, die in einander verliebt sind, lediglich gemeinsam und auf Augenhöhe begonnen haben, ihre Sexualität zu erforschen, ist zwar nach dem Buchstaben des Gesetzes eine Strafbarkeit gegeben, es droht aber niemandem Gefahr, und es gibt keine besonderen Missstände, denen entgegen gewirkt werden müsste. Ein Anwalt kann die Harmlosigkeit der Umstände in aller Regel dem Gericht vermitteln, und erfahrungsgemäß haben Richter genug Gespür für die Situation, um das Verfahren einzustellen. 


Fazit

Ja, bei Sexting unter Minderjährigen kann nach dem Buchstaben des Gesetzes eine Strafbarkeit gegeben sein. Das Austauschen sexuell aufgeladener Inhalte kann als „sexuelle Handlung“ gewertet werden (s. Hierzu auch „sexueller Kindesmissbrauch ohne Körperkontakt“). Wenn in derartige Handlungen eine Person involviert ist, die unter 14 Jahren alt ist, macht sich die andere Person unter Umständen strafbar.

Zum Schutz von Kindern vor sexuellem Missbrauch sind solche gesetzlichen Regelungen auch absolut sinnvoll. Es kommt aber dennoch auf die Umstände des Einzelfalles an.

Ob in einem Fall wie dem oben skizzierten eine Anzeige überhaupt sinnvoll ist, müssen die Beteiligten selbst entscheiden. Eine (jugendstrafrechtliche) Verurteilung wäre jedenfalls eher unsinnig und dementsprechend auch unwahrscheinlich.

Ein guter Anwalt wird Ihnen dabei helfen, dem zuständigen Gericht die Situation verständlich zu machen, und unnötigen Folgen vorzubeugen.


Dr. Brauer Rechtsanwälte sind durch jahrelange Tätigkeit als Strafverteidiger im Bereich des Sexualstrafrechts und des Jugendstrafrechts reich an Erfahrung, und vertreten Sie bundesweit.

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Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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