"Sie haben Post" - wenn es auf einmal ernst wird

  • 6 Minuten Lesezeit

Sie haben Post. Und diese Post könnte das eigene Leben ganz schön aus dem Gleichgewicht bringen.

In Ihrer Post befand sich nämlich eine Anklageschrift, ein Strafbefehl, eine Beschuldigtenvorladung oder ein Äußerungsbogen.

Das bedeutet zunächst eines: Der Staat hat Sie im Visier – es läuft ein Strafverfahren gegen Sie. 

Möglicherweise haben Sie hiermit gerechnet, möglicherweise aber auch nicht.

Panik ist oft das Gefühl erster Wahl. Oftmals ist es auch sehr einschüchternd oder überfordernd. Verständlicherweise. Also atmen wir nun gemeinsam einmal tief durch und sammeln uns. Sie sind nicht alleine. 

Was habe ich da bekommen und was bedeutet das, wenn ich derartige Post bekomme?


Anklageschrift


Die Staatsanwaltschaft hat Kenntnis von einer möglichen Straftat bekommen und diese ermittelt, also insbesondere erforscht, welche Beweise dazu vorliegen könnten. Anschließend ist sie zu dem Ergebnis gekommen, dass die Straftat wohl zu beweisen sein könnte und eine Verurteilung sehr wahrscheinlich wäre. Wenn das der Fall ist, erhebt sie Anklage. Sie fasst also die Erkenntnisse in einem Vorwurf gegen Sie zusammen und schickt dies dem Gericht. An eine solche Anklageschrift schließt sich regelmäßig alsbald mindestens ein Gerichtstermin an, bei dem dieser Vorwurf verhandelt wird. Wenn die Anklageschrift kommt, ist das Ermittlungsverfahren also beendet und es wird ziemlich ernst.

Der Drops ist an dieser Stelle jedoch längst nicht gelutscht. Was sich in der Theorie vernichtend anhört, ist in der Praxis noch lange nicht in Stein gemeißelt. Erst in der Hauptverhandlung wird darüber entschieden, ob der Vorwurf der Tat tatsächlich so vorgelegen haben muss. Die Beweislage und die Rechtslage werden dezidiert erörtert. Und das bedeutet, dass es die Möglichkeit gibt, sich zu verteidigen oder selbst anzugreifen. Mit Ihrer Verteidigerin können Sie eine Verteidigungsstrategie entwickeln, die einem realistischen Ziel folgt. Sie müssen nicht schutzlos in irgendeine Verhandlung schlittern, sondern können sich professionelle Hilfe suchen. 


Strafbefehl


Der Strafbefehl ist ganz ähnlich zur Anklage ebenfalls ein schriftlicher Vorwurf zu konkreten Straftaten. Die Besonderheit eines Strafbefehls ist, dass es sich hier um geringfügigere Delikte handelt und von einer Gerichtsverhandlung abgesehen werden soll. Die Entscheidung zum Vorwurf steht also auch ohne Verhandlung bereits fest und müsste verbüßt werden. Es ist quasi eine Kombination aus der Anklageschrift und einem Urteil, wenn man es ganz untechnisch ausdrücken mag.

Möchte man sich hiergegen wehren, muss man gegen den Strafbefehl fristgerecht Einspruch einlegen. Das hat zur Folge, dass eine Gerichtsverhandlung veranlasst wird, und man sich wie bei einer Anklageschrift letztendlich im Hauptverfahren verteidigen kann. Das bedeutet auch, dass Sie keine Zeit verlieren sollten zu handeln, denn ansonsten wird der Strafbefehl rechtskräftig. Wenn das passiert, ist die Möglichkeit, sich gegen die Strafe zu wehren, sehr sehr eingeschränkt.


Nicht zu verwechseln ist der Strafbefehl mit einem Haftbefehl. Der Haftbefehl ist der gerichtliche Beschluss, dass man während eines Strafverfahrens verhaftet werden kann und damit bereits vorläufig ohne Urteil ins Gefängnis muss. Ein Haftbefehl kann nicht einfach gegen jedermann erlassen werden. In vielerlei amerikanischen Filmen sieht man, dass mit laufendem Ermittlungsverfahren gegen einen selbst, man direkt ins Gefängnis kommt. Das ist hier so nicht richtig. Es müssen konkrete Gründe vorliegen, die die Verhaftung rechtfertigen, z.B. der Verdacht, dass man sonst flüchten würde oder eine weitere Straftat begehen würde. Bei einem Haftbefehl geht es in erster Linie darum, sicherzustellen, dass Sie sich nicht dem Verfahren entziehen können.


Vorladung


Die Polizei oder Staatsanwaltschaft schickt einem Beschuldigten oder Zeugen aus den verschiedensten Gründen Vorladungen. Und nicht zu jeder muss man auch auf der Wache erscheinen. 


Erkennungsdienstliche Behandlung

Bei einer Vorladung zu einer erkennungsdienstlichen Behandlung hat man als Beschuldigter einer Straftat bei der Polizei zu erscheinen, wenn die Voraussetzung des § 81b StPO vorliegen. Er muss damit persönliche und biometrische Daten von einem erfasst werden können. Beispielsweise hat man Namen, Wohnort und das Geburtsdatum anzugeben; es werden Fingerabdrücke und Fotos genommen und man wird ausgemessen. Auch können körperlich auffällige Merkmale erfasst werden. Ob Sie der Vorladung folgen müssen, kann nur im konkreten Fall begutachtet werden. Einige Handlungen, die bei einer solchen Vorladung passieren, müssen Sie passiv dulden. Anderes wiederum können Sie verweigern. Dies kommt auf den Einzelfall an und kann am besten durch einen begleitenden Anwalt beurteilt werden, welcher sich im Zweifel "schützend vor Sie wirft".


Vernehmung

Man wird als Zeuge oder Beschuldigter auch gerne zu Vernehmungen vorgeladen. Solchen Vorladungen müssen nicht in jedem Fall gefolgt werden. Um sich keinen unfreiwilligen Chauffeur anzulachen, sollte ein Anwalt über die Vorladung drüber schauen und bewerten, ob man eine Pflicht zum Erscheinen hätte oder nicht. Was im Übrigen nicht (und das kann nicht oft genug betont werden) bedeutet, dass Sie bei Erscheinen auch aussagen müssten. Als Beschuldigter haben Sie das Recht zu Schweigen. Als Zeuge nur in bestimmten Fällen. Ein Anwalt kann entsprechende Termine sodann für Sie absagen und mit Ihnen eine klügere Alternative zum Vorgehen entwickeln.


Ein Äußerungsbogen stellt im Übrigen quasi das schriftliche Pendant hierzu dar. Hier ist jedoch darauf zu achten, dass bestimmte Pflichtangaben gemacht werden müssen zur Ihrer Person. Diese sind aber auch genau als solche gekennzeichnet. Auch einen Äußerungsbogen sollten Sie trotz dessen nicht ohne anwaltliche Beratung ausfüllen, da dieser oftmals erst der Anfang ist.


Die Beamten hätten so oder so gerne eine Aussage. Schriftlich in einem Äußerungsbogen oder mündlich in einer Vernehmung. Und dazu werden diese ganz schön kreativ. 


Selbst wenn man sich selbst für klug und besonnen genug einschätzt, einer Vernehmung stand zu halten, so ist dies in aller Regel nicht das zu wählende Mittel. Ich glaube es Ihnen, dass Sie denken, dass wissen, was Sie tun. Wir wissen es nun einmal jedoch noch besser. Aussagepsychologie ist komplex. Ein falsches Wort kann eine ganze Aussage infizieren, obwohl man es nicht beabsichtigt hat. Vernehmungen werden durch Profis durchgeführt. Man selbst kann als Betroffener in aller Regel gerade nicht einschätzen, auf welche Details es gerade ankommt. Womit sich die Schlinge um den Hals ganz aus Versehen noch enger zieht. Und das muss nicht sein. Anwaltliche Hilfe wird nicht angeraten, weil wir Anwälte so gerne Mandanten sammeln, sondern weil es schlicht und ergreifend das klügste Vorgehen ist, einen Experten zu Rate zu ziehen, wenn es gerade um alles geht. Wann, wenn nicht jetzt.


Ruhig Blut

Ganz Egal welche Post Sie davon bekommen haben: Sie sollten sich mindestens einmal hierzu anwaltlich beraten lassen. Werfen Sie in der Panik bitte nicht den Brief weg, sondern behalten Sie einen kühlen Kopf. Ausgebildete Strafverteidiger stehen Ihnen bei und entwickeln mit Ihnen eine maßgeschneiderte Verteidigungsstrategie. In manchen Verfahren gilt außerdem Anwaltszwang (§140 StPO) und sollten Sie sich nicht selbst um eine Verteidigerin bemühen, wird Ihnen ein beliebiger Pflichtverteidiger gestellt. 


Benötigen Sie eine Anwältin, die Sie in Ihrer Strafsache betreut? 

Als Ihre Anwältin erkläre ich Ihnen, was Ihre Post bedeuten kann und was zu tun ist.

Strafverteidigerin und Rechtsanwältin Hannah Funke - Anwalt für Sexualdelikte und Gewaltdelikte 

Nehmen Sie unverbindlich Kontakt auf:

Telefonisch unter 0231 - 952 5041 oder per Mail unter info@funke-strafrecht.de

Besuchen Sie uns unter:

www.funke-strafrecht.de


Auf Wunsch kann die Kommunikation mit der Anwältin rein schriftlich verlaufen. Sprechen Sie uns gerne hierauf an.

Foto(s): Hannah Funke

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwältin Hannah Funke

Beiträge zum Thema