Sind die für einen Kostenvoranschlag aufgewendeten Kosten erstattungsfähig?

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Mit dieser Frage beschäftigten sich das Landgericht Hildesheim in seinem Urteil vom 04.09.2009, Aktenzeichen: 7 S 107/09 sowie das Amtsgericht Köln in seinem Urteil vom 06.02.2012, Aktenzeichen: 262 C 208/11 und bejahten die Erstattungsfähigkeit.

Gegnerische Kfz-Haftpflichtversicherungen wenden häufig ein, dass sie die Gebühren für einen Kostenvoranschlag verrechnen werden, sofern das Fahrzeug repariert wurde. Eine Erstattung der Kosten für einen Kostenvoranschlag auf fiktiver Basis lehnen die gegnerischen Kfz-Haftpflichtversicherungen daher ab.

Zu Unrecht wie das Landgericht Hildesheim im Folgenden ausführt: „... Dem Geschädigten eines Verkehrsunfalls ist es grundsätzlich erlaubt, seinen Schaden auf fiktiver Basis abzurechnen. Bereits aus diesem Grund sind die für einen Kostenvoranschlag aufgewendeten Kosten erstattungsfähig. Würde man in Bezug auf den Geschädigten die Erstattung des Kostenvoranschlages ablehnen, so würde dies dazu führen, dass der Geschädigte bei einem Schaden unterhalb der Bagatellgrenze entweder nicht auf fiktiver Basis abrechnen könnte oder bei Abrechnung auf fiktiver Basis einen Teil seines Schadens, nämlich die für den Kostenvoranschlag verauslagten Kosten, nicht ersetzt bekäme. Das würde auch dem Telos des § 249 BGB zuwiderlaufen, wonach bei dem Geschädigten aus dem schädigenden Ereignis kein wirtschaftlicher Nachteil verbleiben soll. Zudem führt vorliegend die fiktive Abrechnung nicht zu Mehrkosten für die Beklagten, da der Kläger seinen Pkw nicht in der den Kostenvoranschlag erstellenden Werkstatt hat reparieren lassen, mithin eine Anrechnung auf die Reparaturkosten nicht erfolgt ist. Des Weiteren wäre hier der Kläger berechtigt gewesen, aufgrund der Überschreitung der Bagatellgrenze in Höhe von 700,00 Euro zur Feststellung der Schäden ein Sachverständigengutachten einzuholen. Die (anteiligen) Kosten des

Sachverständigen wären in jedem Fall von dem Beklagten zu erstatten gewesen (vgl. BGH, NJW 2005, 356). Der Kläger hat sich jedoch für ein kostengünstigeres Minus gegenüber der Einholung eines Sachverständigengutachtens entschieden...".

Das Amtsgericht Köln schließt sich der Auffassung des Landgerichts Hildesheim an und trägt dazu ergänzend vor: „Dass sie [Anmerkung: die Geschädigte] sich vorliegend für die Einholung eines Kostenvoranschlages entschieden hat, ist nicht zu beanstanden, umso mehr, als die Einholung eines Sachverständigengutachtens, welches die Klägerin vorliegend angesichts der Überschreitung der Bagatellgrenze des Unfallschadens, die das erkennende Gericht mit 600,-- bis 700,--€ ansetzt, auch hätte in Auftrag geben können, wesentlich höhere Kosten verursacht hätte.

Der Umstand, dass die Kosten für einen Kostenvoranschlag ganz oder teilweise dann gutgeschrieben werden, wenn die Reparaturmaßnahme tatsächlich in Auftrag gegeben wird, hindert eine Ersatzfähigkeit im Falle der fiktiven Abrechnung nicht. Denn im Falle der fiktiven Abrechnung lässt der Geschädigte sein Fahrzeug gerade nicht reparieren, weshalb eine Verrechnung tatsächlich nicht vorgenommen wird und der Geschädigte letztlich auf den Kosten des Kostenvoranschlages „hängen bleibt". Es ist auch kein Grund ersichtlich, warum ein Geschädigter, der sich mit der Einholung eines Kostenvoranschlags begnügt und dem Schädiger insoweit die höheren Kosten eines Sachverständigengutachtens erspart, schlechter gestellt werden soll, als ein Geschädigter, der ebenfalls fiktiv abrechnet, aber (bei Überschreiten der Bagatellgrenze) ein teureres Sachverständigengutachten einholt, dessen Kosten der Schädiger ersetzen müsste...".

Fazit: Die Entscheidungen des Landgerichts Hildesheim und des Amtsgerichts Köln überzeugen. Allerdings ist zu bedenken, dass diese Frage noch nicht höchstrichterlich vom Bundesgerichtshof entschieden worden ist. Es kann daher durchaus vorkommen, dass einzelne Gerichte zugunsten der Kfz-Haftpflichtversicherungen entscheiden. Jedoch scheut eine Vielzahl von Kfz-Haftpflichtversicherungen zur Klärung dieser Frage den Gang vor Gericht, so dass doch am Ende eine Erstattung der Kosten des Kostenvoranschlages erfolgt.

Praxistipp: Lediglich bei Bagatellschäden(bis ca.750 €) empfiehlt es sich, statt eines Gutachtens den Kostenvoranschlag einer Kfz-Fachwerkstatt einzuholen. In allen anderen Fällen wird die Beauftragung eines Kfz-Gutachters empfohlen, denn der Kostenvoranschlag hat nicht die Beweisfunktion, die ein Sachverständigengutachten hat. Der Kfz-Sachverständige ermittelt für den Geschädigten nicht nur die zu erwartenden Reparaturkosten, sondern auch

  • die Nutzungsausfallentschädigung,
  • den Widerbeschaffungswert,
  • den Restwert,
  • sowie die merkantile Wertminderung.

Diese Positionen werden in einem Kostenvoranschlag nicht berücksichtigt. Zudem ist die gegnerische Haftpflichtversicherung verpflichtet, die Kosten des durch den Geschädigten beauftragten Kfz-Sachverständigen zu erstatten. Anwaltskosten sind ebenfalls erstattungsfähig.

Es versteht sich von selber, dass die hier angesprochenen Schadenspositionen gegenüber der gegnerischen Kfz- Haftpflichtversicherung nur bei einem fremdverschuldeten Unfall geltend gemacht werden können.

Nach einem Verkehrsunfall wird daher empfohlen einen Anwalt zu beauftragen, der überprüft, welche Ansprüche dem Geschädigten im Einzelnen zustehen.



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