Soft Skills als Anwalt: „Emotionale Anspannung erkennen und darauf reagieren“

  • 5 Minuten Lesezeit
Sevim Yilmaz: Soft Skills als Anwalt: „Emotionale Anspannung erkennen und darauf reagieren“
Katja Grund anwalt.de-Redaktion

Das rechtliche Wissen vermittelt das Jurastudium. Doch wie ist es mit entscheidenden Soft Skills bei der Arbeit mit Mandanten, Kollegen und vor Gericht? Als Mitgründerin der Kanzlei Meral & Yilmaz berät Rechtsanwältin Sevim Yilmaz seit 2014 als Fachanwältin für Sozialrecht ihre Mandanten in häufig sehr emotionalen Fällen. Sie berichtet im Interview, welche Bedeutung Kommunikation, Körpersprache, Menschenverständnis und andere Soft Skills in Ihrem Arbeitsalltag haben. 

Kommunikatives Geschick ist entscheidend im Kontakt mit Mandanten, Kollegen oder vor Gericht: Wie unterscheidet sich Ihr Kommunikationsstil mit den jeweils Beteiligten? 

Als Anwälte wird man in Krisensituationen in Anspruch genommen. Die Menschen suchen uns auf, weil bereits ein Spannungsfeld besteht. Dies ist für alle Bereiche gleichwertig. Wenn ein Mensch mit seinem Arbeitgeber, einer Behörde oder Krankenversicherung Probleme hat, werden wir aufgesucht. Dabei ist es wichtig, das Ziel und die Gefühlslage der jeweiligen Person zu erkennen und darauf eingehen zu können. Wir als Anwälte können keine Wunder vollbringen. Wenn ein Anspruch nicht besteht, ist es unsere Aufgabe, den Mandanten auf das mögliche Ergebnis vorzubereiten. Nach Außen verhält es sich anders. Gegenüber Kollegen und Gericht ist selbstsicheres und freundliches Auftreten die Grundstimmung. Dann kann man wiederum erkennen, wie sich der Verlauf entwickelt und wie viel Spielraum man sich erarbeiten kann. 

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Menschenkenntnis ist ein entscheidender Faktor bei der Betreuung von Mandanten. Worauf achten Sie persönlich, wenn Sie einen neuen Mandanten zum ersten Mal sehen?

Das ist sehr unterschiedlich, manchmal ist es die Körpersprache und manchmal nur die Art und Weise, wie man sich begrüßt. Meistens ist es der erste Augenkontakt und wie der Mensch auf einen selbst reagiert.  

Wie bereiten Sie sich auf Mandantentermine vor, in denen Sie z. B. ein mögliches rechtliches Vorgehen skizzieren?

Die Mandanten erhalten eingangs einen Fragebogen, den Sie zum Termin ausfüllen und mitbringen müssen. Hierin sind die Eckpunkte des Falles aufgeführt. Daran kann man sich im Gespräch orientieren. Manchmal senden die Mandanten vorab die Unterlagen per E-Mail. Das ist dann optimal, um sich auf alle Rechtsfragen vorbereiten zu können. 

Gerade für Privatpersonen ist der Gang zum Anwalt oft emotional. Umso wichtiger ist Empathie. Wie gehen Sie mit Ihren Mandanten um?

Es ist wichtig, die emotionale Anspannung zu erkennen und darauf reagieren zu können. Es ist meistens hilfreich, erst mal mit einem Angebot von Kaffee/Wasser den Anfang zu machen. Es kann natürlich auch gefragt werden, ob die Mandanten einen Parkplatz gefunden haben usw. Diese kleine Aufmerksamkeit gibt dem Mandanten ein Gefühl des Aufgenommen- oder Willkommenseins, sodass der Einstieg nicht so angespannt verläuft. Im Laufe des Erstgesprächs ist es auch hilfreich, dem Mandanten den erforderlichen Raum für das „von der Seele reden“ zu lassen.  

Spiegelt sich die Art, wie Sie mit Mandanten umgehen, auch in Ihren Bewertungen auf anwalt.de wider?

In der Tat war es eine schöne Entwicklung, die positiven Bewertungen, die ja für alle sichtbar sind, zu erhalten. Auch Dinge, die man für die Mandantschaft tut, in der Annahme, sie werden nicht wahrgenommen, werden gesehen und bewertet. Wenn man etwas dringlich bearbeitet hat oder auch nur mitteilt, dass man den Fall nicht annehmen kann. Alles wird wahrgenommen und unter Umständen bewertet.  

Wenn Sie berechtigte Kritik von Mandanten bekommen, wie gehen Sie damit um?

Mir persönlich ist es wichtig, das Gespräch mit den Menschen zu suchen, fernab von der schriftlichen Bewertung. Lag ein Missverständnis vor oder warum war der Mandant nicht zufrieden. Dies hilft uns beiden. Der Mandant erhält die Möglichkeit, seine Sicht der Dinge darzustellen, und ich kann eventuell noch darauf eingehen. 

Auch vor Gericht ist das Auftreten entscheidend. Worauf achten Sie hinsichtlich Ihrer Körpersprache besonders?

Offene Körperhaltung, also keine verschränkten Arme oder abgewendet sitzen. Es ist wichtig, dem Gegner und dem Vorsitzenden offen zu begegnen. Auch beim Sprechen ist es wichtig, den Augenkontakt zu wahren und nicht in den Akten herumzuwälzen.  

Können Sie Tipps geben, welche Rhetorik vor Gericht besonders erfolgreich ist?

Respektvoller Umgang mit allen Beteiligten ist natürlich grundlegend. Daneben empfiehlt es sich, auf die Äußerungen der Vorsitzenden einzugehen. Es sollte vermieden werden, eine unvollständige Aktenlage vorzuweisen oder gar Unkenntnis auszuformulieren. Hier ist zu empfehlen, Floskeln wie „das muss ich dann mit meinem Mandanten besprechen“ zu verwenden. 

Sie machen Ihre Arbeit als Anwältin sehr gern. Gibt es auch Situationen, in denen Ihnen die Motivation fehlt?

Es gibt immer wieder Momente, in denen das Arbeiten nicht leichtfällt, weil man mit den Recherchen nicht vorankommt oder gar das Augenmerk auf eine Kleinigkeit gelenkt hat. Da hilft es, einfach mal mit den Kollegen darüber zu sprechen, oder auch, es zur Seite zu legen und später noch mal in Angriff zu nehmen.  

Emotionale oder lange Fälle, nervenaufreibender Kontakt mit Mandanten: Das alles kann belastend sein. Wie finden Sie Ihr Gleichgewicht?

Es gibt sicherlich viele Möglichkeiten, aber ich gehe gern lange spazieren, bis ich meinen Kopf freibekomme. Ab einem gewissen Punkt der Müdigkeit beim Gehen hört man auf zu grübeln und versucht einfach nur anzukommen.  

Wie wichtig ist Teamfähigkeit bei der Zusammenarbeit mit Ihrer Kollegin?

Wir arbeiten schon seit fast zehn Jahren zusammen und kennen uns schon seit 25 Jahren, da kann schon von einer Einheit als von einem Team gesprochen werden. Neben Vertrauen und respektvollem Umgang gibt es noch den Humor, der uns das tägliche gemeinsame Arbeiten verschönert.  

Sie schreiben regelmäßig Rechtstipps auf anwalt.de. Auf welchen Schreibstil achten Sie dabei?

Es ist wichtig, die aktuellen Entwicklungen anzusprechen und dabei eine leichte Sprache zu verwenden. Keiner möchte einen Tipp lesen, den er nicht verstehen kann. Daher ist eine leichte Sprache die bessere Vorgehensweise.  

Die technischen Anforderungen und das Angebot an Tools für Anwälte steigen. Wie haben Sie die Entwicklung in den letzten Jahren erlebt?  

Die Entwicklungen waren schon vor der Pandemie zu erkennen, aber noch nicht so wichtig. Erst als es nötig war, wurde es dann schneller umgesetzt. Zum einen war es eine enorme Erleichterung, die Klagen und Schriftsätze elektronisch gesichert übermitteln zu können. Die persönlichen Besprechungen wurden minimiert. Viele Mandanten reichen mir schon vor Beginn der Beratung die Unterlagen zur Prüfung ein. Das erleichtert die Besprechung.  

Gibt es noch weitere Soft Skills, die Ihnen bei der Tätigkeit als Anwältin wichtig sind?

Der Umgang mit den Mitmenschen sollte immer einen zartrosa Anstrich von Humor haben.  

Rechtsanwältin Sevim Yilmaz führt mit ihrer Kollegin gemeinsam die Kanzlei Meral & Yilmaz mit den Standorten Frankfurt am Main sowie Rüsselsheim. Dabei berät sie Mandanten unter anderem als Fachanwältin für Sozialrecht, aber auch in den Bereichen Arbeits-, Sozialversicherungs-, Verwaltungs-, Schwerbehinderten- und Steuerrecht. 

(ZGRA, KGR) 

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Foto(s): ©privat/Sevim Yilmaz, ©Adobe Stock/Joesunt

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