Veröffentlicht von:

Sorgerecht: Übertragung der Alleinsorge in Fällen fehlender elterlicher Kooperation

  • 3 Minuten Lesezeit

In einer bemerkenswerten Entscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 15. Februar 2016 (Az. 10 UF 216/14) wurden die Richtlinien zur Übertragung der Alleinsorge auf einen Elternteil weiter präzisiert. Diese Entscheidung, zusammen mit dem Urteil des Saarländischen Oberlandesgerichts Saarbrücken vom 11. Mai 2015 (Az. 6 UF 18/15), markiert einen signifikanten Schritt in der Behandlung von Sorgerechtsfällen bei getrennt lebenden Eltern. Beide Urteile betonen die Bedeutung des Kindeswohls und adressieren die Problematik fehlender Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit zwischen den Eltern.

Hintergrund der Entscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts (15. Februar 2016 – 10 UF 216/14)

Der Streitpunkt in diesem Fall betraf ebenfalls die elterliche Sorge für die gemeinsamen Kinder eines getrennt lebenden, nicht miteinander verheirateten Paares. Die Eltern lebten seit der Trennung in getrennten Haushalten, und die Kinder blieben bei der Mutter. Nach der Trennung eskalierten die Konflikte zwischen den Eltern, insbesondere hinsichtlich des Umgangsrechts und anderer Aspekte der elterlichen Sorge, was zu gerichtlichen Auseinandersetzungen führte. Die Mutter erstattete Strafanzeige gegen den Vater wegen des Verdachts auf sexuellen Missbrauch der Kinder, was das Sorgerechtsverfahren weiter komplizierte. Beide Eltern beantragten letztlich die Übertragung der Alleinsorge auf sich. Das Brandenburgische Oberlandesgericht übertrug die elterliche Sorge für die Kinder auf die Mutter, da dies dem Wohl der Kinder am besten entsprach. Besondere Auflagen wurden erteilt, um die Kinder vor den negativen Auswirkungen des elterlichen Konflikts zu schützen und ihre Bindung zum Vater zu erhalten.

Hintergrund der Entscheidung des Saarländischen Oberlandesgerichts Saarbrücken (11. Mai 2015 – 6 UF 18/15)

In diesem Fall ging es um die elterliche Sorge für das gemeinsame Kind der getrennt lebenden Eltern, bei denen die Mutter die Alleinsorge beantragt hatte. Die Eltern waren nie verheiratet, führten keinen gemeinsamen Haushalt, und das Kind wohnte bei der Mutter. Die Eltern waren beide Deutsche und als Gymnasiallehrer an derselben Schule tätig. Nach der Trennung der Eltern kam es zu anhaltenden Konflikten über verschiedene Bereiche der Sorgerechtsteilbereiche und das Umgangsrecht, was mehrere Gerichtsverfahren nach sich zog. Die Mutter begehrte schließlich die Alleinsorge für das Kind, um dessen Wohl besser zu gewährleisten, da die anhaltenden Konflikte und die fehlende Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der Eltern das Kind belasteten. Das Saarländische Oberlandesgericht entschied, dass die Übertragung der Alleinsorge auf die Mutter dem Kindeswohl am besten entspreche, insbesondere wegen der anhaltenden Unfähigkeit der Eltern, gemeinsam zum Wohl des Kindes zu entscheiden.

Kernaspekte der Entscheidungen:

Die Gerichte machten deutlich, dass die Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge dem Kindeswohl abträglich sein kann, wenn anhaltende Streitigkeiten zwischen den Eltern zu erwarten sind. Dabei spielt es keine Rolle, welcher Elternteil primär für die fehlende Kooperation verantwortlich ist. Die Entscheidung für die Übertragung der Alleinsorge basiert auf einer umfassenden Prüfung verschiedener Aspekte, darunter die Bindungen des Kindes, der Wille des Kindes, der Förderungsgrundsatz und insbesondere der Kontinuitätsgrundsatz.


Besonderheiten und Auflagen:

Im Fall des Brandenburgischen Oberlandesgerichts wurden neben der Übertragung der Alleinsorge auf die Mutter auch spezifische Auflagen erteilt, um die Kinder vor den negativen Auswirkungen des elterlichen Konflikts zu schützen. Dazu zählen unter anderem die Teilnahme an einem Kurs „Kind im Blick“, regelmäßige Erziehungsberatung, Psychotherapie für eines der Kinder und die Inanspruchnahme einer Erziehungsbeistandschaft. Diese Maßnahmen sollen die mütterliche Erziehungskompetenz stärken und den Kindern zusätzliche Unterstützung bieten.


Bedeutung der Urteile für das Sorgerecht:

Diese beiden Urteile unterstreichen die Notwendigkeit, bei der Entscheidungsfindung im Sorgerecht das Wohl des Kindes in den Vordergrund zu stellen. Die Gerichte erkennen an, dass in bestimmten Konstellationen die Übertragung der Alleinsorge, begleitet von unterstützenden Maßnahmen, die beste Option zum Schutz und zur Förderung des Kindeswohls darstellen kann. Indem das Gericht Auflagen zur Förderung des Kindeswohls erteilt, wird zudem deutlich gemacht, dass die alleinige Sorgerechtsübertragung nicht als Strafe für den anderen Elternteil zu verstehen ist, sondern als notwendige Maßnahme zum Schutz des Kindes.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Olaf Graf

Beiträge zum Thema