Sozialgericht Dresden stoppt erneut den Sofortvollzug einer Ambulanzzulassung nach § 116b SGB V!

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Mit Beschluss vom 18.5.2010 (S 18 KA 10/10 ER) hat nun auch die 18. Kammer des Sozialgerichts Dresden dem Eilantrag eines Vertragsarztes bzw. (hier) vertragsärztlichen MVZ mit (hier) fachinternistisch-onkologischer Zulassung stattgegeben und die aufschiebende Wirkung von dessen Anfechtungsklage wieder hergestellt. Die Klage in der Hauptsache richtet sich gegen die vom Freistaat Sachsen ohne Rücksicht auf die vertragsärztliche Versorgungssituation, konkret auf die Betroffenheit der durch die Bestimmung im Wettbewerb gravierend benachteiligten Vertragsärzte ausgesprochene Bestimmung eines Krankenhauses zur „Diagnostik und Versorgung von Patienten mit onkologischen Erkrankungen".

Es handelt sich um eine ähnliche Situation, wie sie bereits die 11. Kammer des Sozialgerichts Dresden am 29.9.2009 mit entsprechendem Ergebnis zu beurteilen hatte. Die 11. Kammer hatte einem Gynäkologen mit onkologischem Schwerpunkt nicht zuletzt mit Blick auf dessen gefährdete Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG entsprechenden Rechtsschutz gewährt und ebenfalls den Sofortvollzug einer Ambulanzzulassung gestoppt.

Die den Beschluss vom 29.9.2009 betreffende Beschwerdeentscheidung des LSG Sachsen wird mit Spannung erwartet und soll nun in etwa zwei Wochen zugestellt werden.

Anders als in dem Fall vom 29.9.2009 liegt dem Beschluss vom 18.5.2010 eine weniger eindeutige Wettbewerbslage zugrunde insofern, als die Sitze des MVZ und des begünstigten Krankenhauses in verschiedenen, 14 Kilometer voneinander entfernten Planungsbereichen liegen. Gleichwohl konnte das MVZ eine reale Konkurrenzsituation wegen weitgehender Überschneidung der Einzugsbereiche im Eilverfahren plausibel machen. Vor diesem Hintergrund argumentiert der Beschluss verfassungsrechtlich einerseits zurückhaltend und andererseits mit beachtlicher Tiefenschärfe. Die Gründe für den Drittrechtsschutz stützt die 18. Kammer auf den „objektiven Wertgehalt" von Art. 12 Abs. 1 GG (Berufsfreiheit) und Art. 3 Abs. 1 GG (Gleichheitsgrundsatz), wobei es den Schwerpunkt auf die vom Gesetzgeber mit der Regelung des § 116b SGB V stark vernachlässigte Wettbewerbsgleichheit legt. Ein hierauf gestützter Drittrechtsschutz komme erst dann in Betracht, wenn (wie hier) eine „qualifizierte und individualisierte Betroffenheit" des vertragsärztlichen Konkurrenten, so das Gericht, „handgreiflich" sei. Diese Betroffenheit wiederum erläutert das Sozialgericht eingehend anhand der bekannten Indikatoren für die Bevorzugung der Krankenhäuser im Wettbewerb (keine Bedarfsbindung, unbeschränkte Vergütung, vermindertes Investitionsrisiko etc.), wobei es zusätzlich den "exzellenten Erstzugriff" des Krankenhauses auf die gerade in der Onkologie häufig zunächst stationär behandelten Patienten hervorhebt. Überdies betreibe das betroffene MVZ Onkologie hier allein auf Basis einer Zulassung wegen Sonderbedarfs, weshalb es nicht einmal auf andere fachinternistische Schwerpunkte ausweichen könne.

Im Ergebnis misst die 18. Kammer auch der Anfechtungsklage in der Hauptsache gute Erfolgsaussichten bei. Der Kläger habe einen Anspruch darauf, dass die Verwaltungsbehörde vor der Bestimmung des Krankenhauses nach § 116b SGB V die Interessen und die individuelle Betroffenheit derjenigen Ärzte analysiert, in die Abwägung einbezieht und gewichtet, die im voraussichtlichen ambulanten Einzugsbereich die gleichen Leistungen erbringen. Notfalls sei hiernach die Bestimmung wenn nicht zwingend zu versagen, so doch räumlich zu begrenzen oder auch - dies als neuer Aspekt - gegenständlich, also auf bestimmte Leistungen zu beschränken. Ob der Freistaat Sachsen den sorgfältig begründeten und im Ergebnis überzeugenden Eilbeschluss vom 18.5.2010 hinnehmen oder auch gegen diesen Beschwerde einlegen wird, bleibt abzuwarten. Dasselbe gilt für die anstehende Positionierung des LSG Sachsen als Beschwerdegericht im Eilverfahren.

Verfahrensvertreter in dem von Rechtsanwältin Maria Stockmar bearbeiteten Fall des SG Dresden sind Rechtsanwälte Vogt & Kollegen / Leipzig und Landshut. Rechtsanwalt Holger Barth / Freiburg hat zu dem Thema des § 116b SGB V aus sozial- und verfassungsrechtlicher Sicht mehrfach (auch im Sinne von Sozialgericht Dresden) begutachtet und veröffentlicht. Beide Kanzleien vertreten jeweils bundesweit Vertragsärzte, die mit Zulassungen nach § 116b SGB V konfrontiert sind. Auch kooperative Modelle auf Augenhöhe mit dem Krankenhausträger werden hierbei in geeigneten Fällen angestrebt.

Holger Barth

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Medizinrecht


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