Sozialwiderspruch auf Eigenbedarfskündigung des kündigenden Vermieters

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Rechtstipp von Rechtsanwalt Robin Wulff

Härteeinwand bei Suizidgefahr – Grenzen und Möglichkeiten im Mietrecht


A) Zum Sachverhalt

Ein Vermieter kündigt ein langjähriges Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs. Der betroffene Mieter bewohnt seit 1988 eine Zweizimmer-Wohnung zusammen mit seiner Lebensgefährtin. Die Kündigung erfolgte im Oktober 2019 zum 31.07.2020. Der Mieter widersprach der Kündigung mit der Begründung, ein Umzug sei aufgrund seiner gesundheitlichen und finanziellen Situation unmöglich. Insbesondere bestünde bei einer erzwungenen Räumung der Wohnung eine ernsthafte Suizidgefahr.

Das Amtsgericht und das Landgericht gaben der Räumungsklage des Vermieters statt. Das Berufungsgericht begründete seine Entscheidung unter anderem damit, dass die Suizidgefahr des Mieters auf freier Willensbildung beruhe und nicht als Härte im Sinne des § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB anerkannt werden könne. Der Bundesgerichtshof (BGH) hob das Urteil jedoch auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.

In solchen Fällen ist das Gericht verpflichtet, die Interessen von Mieter und Vermieter umfassend abzuwägen. Besondere Aufmerksamkeit verlangt die Frage, ob die Kündigung und ein Umzug tatsächlich eine nicht zu rechtfertigende Härte für den Mieter bedeuten, insbesondere unter Berücksichtigung von Art. 2 GG (Schutz des Lebens) und Art. 14 GG (Schutz des Eigentums).


B) Entscheidung des BGH

Der Bundesgerichtshof (BGH) stellte in einem aktuellen Urteil klar:

- Ernsthafte Suizidgefahr als Härte:

  • Liegt eine ernsthafte Suizidgefahr vor, ist dies eine Härte im Sinne des § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB. Diese Gefahr muss unabhängig davon berücksichtigt werden, ob sie durch eine psychische Erkrankung oder andere Umstände ausgelöst wird.

-Zu den Pflichten des Gerichts:

  • Das Gericht muss nach Ansicht des Bundesgerichtshofes bei der Prüfung des Härteeinwands die individuellen Umstände des Falls sorgfältig untersuchen. Dazu gehört insbesondere die Einholung eines Sachverständigengutachtens, wenn die Sachlage dies erfordert.

. Hier Wichtig Abwägung der Interessen M. vs, V,:

  • Bei der Abwägung der Interessen des Mieters und des Vermieters dürfen die Belange des Vermieters nicht kategorisch über die des Mieters gestellt werden.

-Fortsetzung des Mietverhältnisses jedenfalls nicht unbefristet möglich:

  • Selbst wenn ein Härtefall festgestellt wird, soll das Mietverhältnis in der Regel nur für einen bestimmten Zeitraum fortgesetzt werden, nicht auf unbestimmte Zeit.

C) Auswirkungen für die Praxis

- Für Mieter:

  • Mieter können bei schwerwiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen, wie einer ernsthaften Suizidgefahr, Widerspruch gegen eine Kündigung einlegen.
  • Es ist jedoch wichtig, Beweise vorzulegen, wie z. B. ärztliche Atteste oder Sachverständigengutachten.
  • Gleichzeitig wird von Mietern erwartet, jede zumutbare therapeutische Unterstützung in Anspruch zu nehmen, um die Situation zu entschärfen.

- Für Vermieter:

  • Vermieter sollten Eigenbedarfskündigungen gut begründen und dokumentieren. Bei Härteeinwänden ist mit einem möglicherweise langwierigen Verfahren zu rechnen.
  • Die Interessenabwägung kann zugunsten des Mieters ausfallen, insbesondere wenn eine Suizidgefahr im Raum steht.
  • Um Risiken zu minimieren, können Vermieter frühzeitig alternative Lösungen wie einen Umzug in eine vergleichbare Wohnung vorschlagen.

Daraus folgt: Praktischer Rat: Härtefälle erfordern laut BGH  sensiblen Umgang

Zusammenfassend festzuhalten ist, dass Mieter und Vermieter sollten sich bewusst sein, dass Härteeinwände wie eine Suizidgefahr des Mieters juristisch wie auch menschlich äußerst komplex sind. Es empfiehlt sich, frühzeitig das Gespräch zu suchen und ggf. professionelle Unterstützung, wie eine Mediation oder therapeutische Begleitung, einzubinden.

Im Zweifel ist es ratsam, anwaltlichen Rat einzuholen, um die individuellen Rechte und Pflichten zu klären.


Rechtsanwalt Robin Wulff fachlich spezialisiert auf Miet- und Wohnungseigentumsrecht Kanzlei Harvestehude – WULFF MIETRECHT


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