Stiftungsrecht nach der Reform: Wie gestalte ich eine streitvermeidende Satzung?
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Die Gestaltung der Satzung einer Stiftung ist von zentraler Bedeutung für die künftige Funktionsweise und Stabilität der Stiftung. Mit der Reform des Stiftungsrechts, die zum 1. Juli 2023 in Kraft getreten ist, hat der Gesetzgeber wichtige Änderungen eingeführt, die vor allem auf die Vereinheitlichung und Modernisierung des Stiftungszivilrechts abzielen. In diesem Beitrag erläutern wir die wesentlichen Punkte, die für eine streitvermeidende Satzungsgestaltung relevant sind, und geben praxisnahe Empfehlungen zur Umsetzung.
Warum ist die Satzung so wichtig für Stiftungen?
Eine Stiftung ist eine mitgliederlose juristische Person. Anders als etwa in einer GmbH oder einem Verein gibt es in einer Stiftung keine Gesellschafter oder Mitglieder, die eine Kontrollfunktion über die Leitung wahrnehmen könnten. Diese Aufgabe übernimmt der Vorstand. Die Satzung der Stiftung bildet somit das Grundgerüst für die Governance, also die Struktur und Funktionsweise der Stiftung. Sie legt fest, wie die Stiftung geführt wird, welche Rechte und Pflichten die Organmitglieder haben und wie Streitigkeiten vermieden werden können.
Eine fehlerhafte oder unvollständige Satzung kann zu langwierigen rechtlichen Auseinandersetzungen führen. Umso wichtiger ist es, bereits bei der Gründung einer Stiftung eine klare und durchdachte Satzung zu entwerfen, die Konflikte von vornherein ausschließt oder zumindest minimiert.
Welche Neuerungen brachte die Stiftungsrechtsreform?
Die Reform des Stiftungsrechts hat vor allem drei zentrale Änderungen gebracht:
1. Einführung eines Stiftungsregisters
Ab dem 1. Januar 2026 wird ein zentrales Stiftungsregister eingerichtet, das für mehr Transparenz sorgen soll. Stiftungen müssen in diesem Register eingetragen werden, um rechtsfähig zu sein.
2. Stärkung der Stiftungsaufsicht
Die Stiftungsbehörden der Länder erhalten erweiterte Befugnisse, um die Funktionsfähigkeit von Stiftungen zu gewährleisten, insbesondere im Falle des Wegfalls von Organmitgliedern.
3. Erweiterung der Satzungsänderungsmöglichkeiten
Die Satzung kann nun flexibler angepasst werden, wenn dies für den Fortbestand der Stiftung notwendig ist. Änderungen der Satzung sind jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich (§§ 85, 85a BGB).
Wie kann die Satzung zur Streitvermeidung beitragen?
Eine gut gestaltete Satzung sollte verschiedene mögliche Konfliktfelder berücksichtigen. Nachfolgend werden einige der wichtigsten Punkte erläutert, die in der Satzung geregelt werden sollten.
1. Soll die Satzung oder die Geschäftsordnung die Details regeln?
Häufig wird in Stiftungen festgelegt, dass die „Einzelheiten durch die Geschäftsordnung geregelt“ werden. Dies kann jedoch problematisch sein, da die Geschäftsordnung nicht die gleiche Verbindlichkeit hat wie die Satzung und nicht in das Stiftungsregister eingetragen wird. Es ist daher ratsam, wesentliche Punkte in der Satzung selbst zu regeln, insbesondere wenn es um Fragen der Entscheidungsfindung und der Organstruktur geht.
Beispiel: „Die Stiftungssatzung legt die grundlegenden Regelungen zur Zusammensetzung und Aufgabenverteilung der Organe fest, während die Geschäftsordnung nur ergänzende Regelungen enthalten darf, die keine Widersprüche zur Satzung aufweisen.“
2. Besteht ein Rechtsanspruch auf Leistungen der Stiftung?
Ein häufiger Streitpunkt in Stiftungen, insbesondere in Familienstiftungen, ist die Frage, ob Begünstigte einen Anspruch auf Leistungen der Stiftung haben. Die Satzung sollte hier klare Regelungen enthalten. Nach § 84 BGB können solche Rechte nur durch die Satzung begründet werden. Es ist daher wichtig, eindeutig festzulegen, ob und in welchem Umfang Begünstigte Ansprüche gegen die Stiftung haben.
Beispiel: „Ein Rechtsanspruch auf Leistungen der Stiftung besteht nicht, es sei denn, dies ist in der Satzung ausdrücklich vorgesehen.“
3. Welche Kontrollmechanismen sollten eingeführt werden?
Da die Stiftung keine Gesellschafter hat, fehlen auch die klassischen Kontrollmechanismen wie die Gesellschafterversammlung. Um dennoch eine effektive Kontrolle des Vorstands zu gewährleisten, kann es sinnvoll sein, ein Kuratorium oder einen Beirat einzusetzen. Dieses Gremium könnte Kontrollrechte gegenüber dem Vorstand erhalten und sicherstellen, dass der Stifterwille gewahrt bleibt.
Beispiel: „Das Kuratorium überwacht die Geschäftsführung des Vorstands und hat das Recht, Einsicht in alle relevanten Unterlagen der Stiftung zu nehmen.“
4. Wie können Satzungsänderungen beschlossen werden?
Die Satzungsänderung ist ein besonders sensibler Bereich, da hier häufig unterschiedliche Auffassungen darüber bestehen, welche Richtung die Stiftung einschlagen soll. Die Satzung sollte klare Vorgaben darüber machen, wer eine Satzungsänderung beschließen kann und unter welchen Bedingungen dies zulässig ist. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Stifterwille im Rahmen des rechtlich Möglichen respektiert werden muss.
Beispiel: „Satzungsänderungen bedürfen der Zustimmung des Vorstands sowie des Kuratoriums. Eine Änderung der Stiftungszwecke ist nur mit Zustimmung der Stiftungsbehörde möglich.“
5. Können Organmitglieder eine Vergütung erhalten?
Ein weiterer Streitpunkt in vielen Stiftungen ist die Vergütung der Organmitglieder. Nach dem neuen Stiftungsrecht dürfen Organmitglieder eine Vergütung erhalten, wenn dies in der Satzung geregelt ist (§ 84a BGB). Es ist jedoch wichtig, klare Regelungen darüber zu treffen, in welcher Höhe eine Vergütung zulässig ist und wer darüber entscheidet.
Beispiel: „Die Organmitglieder erhalten eine angemessene Vergütung, deren Höhe vom Kuratorium festgelegt wird. Ehrenamtlich tätige Organmitglieder haben Anspruch auf Ersatz ihrer Auslagen.“
6. Wie wird der Vorstand bestellt und abberufen?
Der Vorstand ist das zentrale Organ der Stiftung. Um Streitigkeiten zu vermeiden, sollte die Satzung klare Regelungen zur Bestellung und Abberufung von Vorstandsmitgliedern enthalten. Dabei kann es sinnvoll sein, festzulegen, dass die Abberufung nur aus wichtigem Grund erfolgen darf, um willkürliche Entscheidungen zu verhindern.
Beispiel: „Vorstandsmitglieder werden auf die Dauer von vier Jahren bestellt. Eine vorzeitige Abberufung ist nur aus wichtigem Grund zulässig, insbesondere bei grober Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung.“
Wie sieht die Praxis aus? Beispiele aus der Rechtsprechung
Um die Anwendung des Stiftungsrechts und die Bedeutung einer guten Satzungsgestaltung zu verdeutlichen, werden nachfolgend drei Beispiele aus der Rechtsprechung vorgestellt.
Beispiel 1: Unklare Regelungen zur Satzungsänderung
In einem Fall vor dem Oberlandesgericht Köln (Urteil vom 2. März 2018, Az. 1 U 50/17) stritten die Mitglieder eines Kuratoriums darüber, ob sie gemeinsam mit dem Vorstand eine Satzungsänderung beschließen dürften. Da die Satzung hier keine klaren Vorgaben machte, kam es zu langwierigen rechtlichen Auseinandersetzungen, die letztlich die Handlungsfähigkeit der Stiftung gefährdeten. Der Fall zeigt, wie wichtig klare Regelungen zur Kompetenzverteilung zwischen den Organen sind.
Beispiel 2: Vergütung der Organmitglieder
In einem weiteren Fall stellte sich die Frage, ob die Vergütung von Vorstandsmitgliedern zulässig ist, obwohl die Satzung dazu keine Regelung enthielt. Das Finanzamt verweigerte der Stiftung aufgrund der unzulässigen Vergütung die Gemeinnützigkeit. Der Fall verdeutlicht, dass eine Satzungsregelung zur Vergütung unabdingbar ist, um die steuerlichen Vorteile der Stiftung zu erhalten.
Beispiel 3: Konflikte bei der Organbesetzung
In einem Fall vor dem Landgericht München (Urteil vom 8. Mai 2019, Az. 29 O 3129/14; OLG München 22.05.2020 - 15 U 3037/19) weigerte sich ein Vorstandsmitglied, trotz Erreichens der Altersgrenze aus dem Amt auszuscheiden. Da die Satzung hierzu keine klare Regelung enthielt, kam es zu einem langwierigen Rechtsstreit. Dieser Fall zeigt, wie wichtig es ist, Altersgrenzen und Nachfolgeregelungen klar zu definieren.
Was sollten Stifter und Berater beachten?
Eine streitvermeidende Satzungsgestaltung erfordert eine vorausschauende Planung und die Berücksichtigung potenzieller Konfliktpunkte. Stifter sollten bereits bei der Errichtung der Stiftung klare und transparente Regelungen zu den wesentlichen Bereichen der Stiftungsgovernance treffen. Bestehende Stiftungen sollten ihre Satzungen im Lichte der neuen gesetzlichen Regelungen überprüfen und gegebenenfalls anpassen.
Zusammenfassend lässt sich sagen:
Eine gut gestaltete Satzung ist der Schlüssel zur Vermeidung von Streitigkeiten und zur Sicherstellung der Funktionsfähigkeit der Stiftung. Nehmen Sie sich die Zeit, um gemeinsam mit einem erfahrenen Berater eine Satzung zu entwerfen, die sowohl den Stifterwillen wahrt als auch die notwendigen Kontrollmechanismen und Entscheidungsstrukturen enthält.
Ihr Rechtsanwalt und Fachanwalt für Erbrecht
Christian Keßler
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