Stolpersteine des Arbeitsrechts: Ausschlussklauseln

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Mit großer Regelmäßigkeit werden in Arbeitsverträgen sogenannte Ausschlussklauseln vereinbart. Durch solche Klauseln wird geregelt, dass nach Ablauf bestimmter Fristen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis nicht mehr gegenüber der jeweils anderen Partei geltend gemacht werden können. Dabei sind die Fristen deutlich kürzer bemessen als etwa im Rahmen der gesetzlichen Verjährung. 

Diese Klauseln unterliegen im Streitfall der gerichtlichen Kontrolle. Sind sie unwirksam, so kann sich eine Partei nicht hierauf berufen, sodass die Ansprüche – wenn sie nicht aus anderen Gründen nicht durchsetzbar sind – grundsätzlich auch weiterhin geltend gemacht werden können und von der jeweiligen Gegenpartei auch zu erfüllen sind.

Mit diesem Artikel sollen Möglichkeiten und Risiken der Ausschlussklauseln dargestellt werden, was für Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen von Interesse sein kann.

Allgemeines

Üblicherweise verjähren Ansprüche aus Schuldverhältnissen innerhalb von 3 Jahren ab Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (sog. Regelverjährung, §§ 195, 199 BGB).
Ist die Verjährung einmal eingetreten, so können die Ansprüche nicht mehr mit Aussicht auf Erfolg geltend gemacht werden.

In bestimmten Konstellationen kann es aber wünschenswert erscheinen, die gegenseitigen Ansprüche bereits vor Ablauf dieser Frist rechtssicher zu erledigen.
Dabei ist es nicht in jedem Fall angezeigt, etwa einen Verzicht individuell zu vereinbaren (wobei ein Verzicht aufgrund gesetzlicher Regelungen ohnehin nicht in jedem Fall wirksam wäre), vielmehr sind gerade im Arbeitsrecht eine Vielzahl von Ansprüchen denkbar, die allgemein und insgesamt erledigt werden müssen, damit beide Parteien Rechtssicherheit haben.

Definition und Wirkung der Ausschlussklausel

Als Ausschlussklauseln werden Regelungen bezeichnet, die nach Ablauf der in ihr genannten Frist einen Anspruch oder ein Recht zum Erlöschen bringen, es sei denn, es erfolgte eine rechtzeitige Geltendmachung gegenüber dem anderen Vertragsteil (Treber, in: Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 17. Aufl. 2017, § 209, Rn. 8). 

Bei zwingenden gesetzlichen Ansprüchen (etwa gesetzlicher Mindesturlaub) kommt es darauf an, ob die Ausschlussklausel allein die Geltendmachung des Rechts zeitlich befristet oder den Inhalt des Rechtsanspruchs ändert (vgl. Treber, a. a. O.) Grundsätzlich können derartige Ansprüche von Ausschlussklauseln erfasst werden.

Vereinbarung und Inhalt der Ausschlussklausel

Ausschlussfristen können allgemein in Tarif- oder individuell in Arbeitsverträgen vereinbart werden. 

Auch wenn das Nachweisgesetz (NachwG), das den Arbeitgeber verpflichtet, die wesentlichen Arbeitsbedingungen schriftlich niederzulegen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen (§ 2 NachwG) keine expliziten Vorgaben zu den Ausschlussklauseln macht, ist es bereits aus Gründen der Rechtsklarheit sinnvoll, Ausschlussklauseln in den Vertragstext aufzunehmen. In Bezug genommene Tarifverträge müssen ohnehin angegeben werden (§ 2 Abs. 1 Nr. 10 NachwG), sodass etwaige Ausschlussklauseln aus Tarifverträgen von den Arbeitnehmern jedenfalls eingesehen werden können. Dringend ist zu empfehlen, hier eine Überprüfung vorzunehmen, damit nicht eine Ausschlussklausel unbekannt bleibt und möglicherweise zum Verlust von Lohn- und anderen Ansprüchen führt. Für den Arbeitgeber gilt: Wurde der Hinweis auf den Tarifvertrag nicht erteilt, so kann der Arbeitgeber sich auch nicht auf eine Ausschlussklausel aus dem Tarifvertrag berufen. 

Der Inhalt einer Ausschlussklausel kann sich auf "tarifliche Ansprüche" beschränken, er kann aber auch "alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis umfassen". Dies bedeutet, dass auch bei Geltung einer Ausschlussklausel und Ablauf der Fristen nicht notwendigerweise alle Ansprüche verloren gegangen sein müssen. 

Erfasst sein können Lohnansprüche (§ 611 BGB) ebenso wie die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (§ 3 Entgeltfortzahlungsgesetz – EFZG), Zeugnisansprüche (§ 109 Gewerbeordnung – GewO) oder die Urlaubsabgeltung (§ 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz – BUrlG).

Nicht erfasste Ansprüche

Aber nicht alle Ansprüche können durch eine Ausschlussklausel erfasst (und gegebenenfalls beseitigt) werden. 

Zu den Ausnahmen zählen:

  • Ansprüche, die sich mit dem Status oder dem Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers befassen (etwa die Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte, aber auch Ansprüche von Hinterbliebenen auf Sterbegeld oder Ansprüche aus einer betrieblichen Altersversorgung);
  • Ansprüche nach dem Mindestlohngesetz (MiLoG).

Beispiele für Ausschlussklauseln

Ausschlussklauseln kommen generell in zwei unterschiedlichen Formen vor, die als einstufig beziehungsweise zweistufig bezeichnet werden.

Einstufige Ausschlussklausel

Bei einer einstufigen Ausschlussklausel genügt es zur Wahrung der Rechte und/oder Ansprüche, wenn diese der anderen Partei gegenüber geltend gemacht werden. In welcher Form die Geltendmachung erfolgen muss ergibt sich aus der Klausel selbst, üblich ist die Geltendmachung in schriftlicher Form (vgl. zu den Voraussetzungen § 126 BGB).

Ein Beispiel für eine solche einstufige Ausschlussklausel ist etwa in dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) enthalten. § 37 Abs. 1 TVöD bestimmt:

"Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit von der/dem Beschäftigten oder vom Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht werden. Für denselben Sachverhalt reicht die einmalige Geltendmachung des Anspruchs auch für später fällige Leistungen aus."

Zweistufige Ausschlussklausel

Bei zweistufigen Ausschlussklauseln muss dagegen zunächst, wie bei der einstufigen Klausel auch, der Anspruch geltend gemacht werden. Äußert sich die Gegenpartei nicht oder lehnt sie den Anspruch ab, so ist der Anspruch in einer zweiten Stufe innerhalb einer weiteren Frist gerichtlich geltend zu machen.

Ein Beispiel für eine solche Klausel ist etwa in § 14 des Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe (BRTV) enthalten. Diese Norm bestimmt:

"(1) Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden; besteht bei Ausscheiden des Arbeitnehmers ein Arbeitszeitguthaben, beträgt die Frist für dieses Arbeitszeitguthaben jedoch sechs Monate.

(2) Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird. Dies gilt nicht für Zahlungsansprüche des Arbeitnehmers, die während eines Kündigungsschutzprozesses fällig werden und von seinem Ausgang abhängen. Für diese Ansprüche beginnt die Verfallfrist von Zwei Monaten nach rechtskräftiger Beendigung des Kündigungsschutzverfahrens."

Ähnliche Klauseln finden sich auch in Arbeitsverträgen, ebenso wie in weiteren Tarifverträgen.

Wirksamkeit von Ausschlussklauseln

Mit schöner Regelmäßigkeit erklärt das Bundesarbeitsgericht (BAG) einzelne Ausschlussklauseln für unwirksam. Insbesondere Arbeitgeber sollten daher bei der Erstellung von Arbeitsverträgen auf anwaltliche Hilfe zurückgreifen, damit die Klauseln im Streitfall der gerichtlichen Überprüfung standhalten. Für Arbeitnehmer besteht ein solches Bedürfnis dann, wenn es um die Erfüllung von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis geht.

Generell gilt, dass Ausschlussklauseln klar, transparent und verständlich formuliert sein müssen. So hat das BAG mit Urteil vom 3. Dezember 2019 (Az.: 9 AZR 44/19) entschieden, dass die Regelung:

"Lehnt die Gegenseite den Anspruch ab, oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach Geltendmachung des Anspruchs dagegen, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird."

nicht transparent ist, weil durch sie der Eindruck entstehen könne, dass die gerichtliche Geltendmachung auch dann erfolgen müsse, wenn der Arbeitgeber die Erfüllung bereits zugesagt oder den Anspruch anerkannt oder streitlos gestellt habe (BAG, a.a.O., Rn. 17).

Die Rechtsprechung sowohl der Instanzgerichte als auch des BAG ist hier vielschichtig und differenziert. Entscheidend können bereits geringe Abweichungen in den Formulierungen sein. 

Weiter muss die Ausschlussfrist eine Dauer von mindestens 3 Monaten aufweisen, wie das BAG in seinem Urteil vom 28. September 2005 (Az.: 5 AZR 52/05) entschied. In Tarifverträgen kann allerdings eine kürzere Frist wirksam vereinbart werden. 

Erforderlich ist auch, dass Ansprüche nach dem MiLoG ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich der Ausschlussklausel ausgenommen werden.

Diese Erläuterungen zur (Un-)Wirksamkeit erheben ausdrücklich keinen Anspruch auf Vollständigkeit, vielmehr ist im Einzelfall zu überprüfen, ob eine konkrete Ausschlussklausel wirksam ist. Eine sogenannte geltungserhaltende Reduktion dürfte im Regelfall ausscheiden.

Weitere Punkte

Ab welchem Zeitpunkt die Ausschlussfrist tatsächlich zu laufen beginnt muss der jeweiligen (tarif-) vertraglichen Regelung entnommen werden. Die Fristberechnung bestimmt sich nach §§ 186ff. BGB.
Bei tarifvertraglichen Ausschlussfristen kommt auch eine Hemmung (§ 203 ff. BGB) in Betracht, die teilweise ausdrücklich vorgesehen ist.

Wichtig: positive Kenntnis von der Ausschlussfrist muss nicht bestehen, es ist also wichtig, sich rechtzeitig mit derartigen Fragen zu beschäftigen.

Auch bei Ausschlussfristen gilt selbstverständlich § 242 BGB, sodass der Einwand des Rechtsmissbrauchs grundsätzlich möglich ist.

Arbeitgeber sollten in jedem Falle überprüfen (lassen), ob tarifvertragliche Ausschlussfristen bereits gelten oder ob individualvertraglich "nachgebessert" werden kann. 

Arbeitnehmer sollten sich über eventuell bestehende Ausschlussklauseln informieren, um ihre Rechte auch tatsächlich wahrnehmen zu können.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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