Straftaten nach dem Infektionsschutzgesetz / Corona-Verordnung in Berlin – Anwalt für Strafrecht

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Maßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz

Das Infektionsschutzgesetz (IfSG) enthält eine Reihe von Maßnahmen, welche die zuständigen Behörden (in Berlin die jeweiligen Gesundheitsämter) und Landesregierungen zum Schutz vor und zur Bekämpfung von Infektionskrankheiten ergreifen können.

Die jeweils zuständigen Behörden können notwendige Schutzmaßnahmen treffen, soweit und solange diese zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich sind, § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG. Dabei stehen ihnen vor allem die Maßnahmen nach den §§ 29 bis 31 IfSG zur Verfügung. Zu den übertragbaren Krankheiten in diesem Sinne gehört auch die durch das neue Coronavirus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung COVID-19. 

Als explizit genannten Schutzmaßnahmen regelt das IfSG u. a. die Quarantäne (§ 30 IfSG) und das berufliche Tätigkeitsverbot (§ 31 IfSG). Nach § 28 Abs. 1 S. 2 IfSG kann die zuständige Behörde zudem Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen einer größeren Anzahl von Menschen beschränken oder verbieten und Badeanstalten oder andere Gemeinschaftseinrichtungen oder Teile davon schließen. 

Des Weiteren kann sie Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht zu verlassen oder von der zuständigen Behörde bestimmte Orte nicht zu betreten, bis die notwendigen Schutzmaßnahmen durchgeführt worden sind.

Nach § 32 IfSG können die Landesregierungen unter den Voraussetzungen, die für die Maßnahmen nach §§ 28 bis 31 IfSG gelten, entsprechende Ge- und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten durch Rechtsverordnung erlassen. Der Senat von Berlin hat von dieser Möglichkeit mit der Corona-Verordnung Gebrauch gemacht.

Regelungen der aktuellen Corona-Verordnung

Mit der Erweiterung der Corona-Verordnung wird der Schwerpunkt auf die Einschränkung persönlicher Kontakte gelegt. Personen haben sich grundsätzlich in ihrer Wohnung oder ihrer gewöhnlichen Unterkunft aufzuhalten. 

Die Wohnung oder Unterkunft darf nur wegen eines bestimmten, in der Corona-Verordnung näher festgelegten Grundes verlassen werden. Zu solchen zählen etwa die Ausübung beruflicher Tätigkeiten, der Besuch von Ärztinnen/Ärzten, die Besorgungen des persönlichen Bedarfs sowie der Besuch bei alten und kranken Menschen. 

Im Übrigen sind auch Sport und Bewegung an der frischen Luft sowie der Spaziergang mit Tieren erlaubt. Allerdings sind Sport und Bewegung an der frischen Luft allein zu tätigen, maximal mit Angehörigen des eigenen Haushalts oder mit einer anderen Person, ohne jede sonstige Gruppenbildung. 

Auch die Wahrnehmung von erforderlichen Terminen bei Behörden, Gerichten usw. ist erlaubt ebenso wie die stille Einkehr in Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften.

Bei jeglichem Aufenthalt im Freien bzw. außerhalb der Wohnung oder gewöhnlichen Unterkunft ist – soweit möglich – ein Mindestabstand von 1,5 Metern zu anderen Personen einzuhalten. 

Der Polizei und den zuständigen Ordnungsbehörden ist bei einem Aufenthalt im Freien das Vorliegen eines Erlaubnisgrundes glaubhaft zu machen. Eine Tatsache ist glaubhaft gemacht, wenn sie mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als wahr angesehen werden kann – zum Beispiel, wenn man darlegt, dass man sich in der Nähe seiner Wohnung allein bei schönem Wetter auf einem Spaziergang befindet. 

Des Weiteren besteht die Pflicht, sich auf Verlangen gegenüber der Polizei oder den Ordnungsbehörden ausweisen zu können. Dafür ist der Personalausweis oder ein anderer amtlicher Lichtbildausweis nebst einem Dokument, aus dem die Wohnanschrift ersichtlich ist, mitzuführen.

Mithilfe der neuen Regelungen und den daraus resultierenden Kontaktbeschränkungen soll die Verbreitung des Virus verlangsamt und eine Überlastung des Gesundheitssystems vermieden werden. Unnötige Sozialkontakte gilt es dringend zu vermeiden, weswegen die Einschränkungen ernst genommen und befolgt werden sollten. 

Dies sollte nicht nur bereits aus Rücksicht auf die eigene Gesundheit und die der Mitmenschen im Sinne jedes Einzelnen sein, sondern auch mit Blick auf sanktionsrechtliche Konsequenzen bei einer Nichtbefolgung. 

Neben strafrechtlichen Sanktionen nach dem Strafgesetzbuch enthält auch das IfSG selbst Sanktionen, die bei Nichtbefolgen von behördlichen infektionsschutzrechtlichen Maßnahmen oder Verstößen gegen Rechtsverordnungen wie die Corona-Verordnung greifen können.

Es folgt ein Überblick über die strafrechtlichen Sanktionen aus dem IfSG.

Strafrechtliche Sanktionen bei Verstößen gegen infektionsschutzrechtliche Anordnungen 

Bei einem Verstoß gegen infektionsschutzrechtliche Anordnungen auf Grundlage der Befugnisse aus den §§ 28 ff. IfSG oder der Corona-Verordnung kann eine Strafe drohen.

Im IfSG nicht geregelt sind sog. Ausgangssperren. Soweit sie erlassen werden, stützen sich die Behörden auf § 28 Abs. 1 S. 2 IfSG, der es den zuständigen Behörden erlaubt, Personen zu verpflichten „den Ort, an dem sie sich befinden, nicht zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte nicht zu betreten“. 

Jedoch ist zu beachten, dass § 28 Abs. 1 S. 2 IfSG lediglich vorübergehende Maßnahmen erlaubt, „bis andere Schutzmaßnahmen durchgeführt worden sind“. 

Aufgrund dessen und weil allgemeine Ausgangssperren massiv in die Grundrechte eingreifen, wird diskutiert, ob sie überhaupt auf die Generalklausel des § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG gestützt werden kann.

Berlin hat – wie einige andere Bundesländer auch – anstatt Ausgangssperren vorübergehende Kontaktbeschränkungen geregelt. Nach diesen sind kleine Zusammenkünfte in der Öffentlichkeit untersagt. Die Kontaktbeschränkungen der Corona-Verordnung können auf § 28 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 IfSG gestützt werden, denn hiernach dürfen die zuständigen Behörden Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen einer größeren Anzahl von Menschen beschränken oder verbieten. 

Eine „größere Anzahl“ liegt mit Blick auf den Zweck des IfSG und den Willen des Gesetzgebers auch bei über zwei Personen vor. Denn von der Formulierung sollen „alle Zusammenkünfte von Menschen, die eine Verbreitung von Krankheitserregern begünstigen, erfasst werden.“ (BT-Drs. 14/2530, S. 75).

Das IfSG enthält mit den §§ 74, 75 IfSG Straftatbestände, welche die Durchsetzung infektionsschutzrechtlicher Verhaltensgebote bzw. -verbote ermöglichen. Wer vollziehbaren Anordnungen nach § 28 Abs. 1 S. 2 IfSG (z. B. temporäre Platzverweise, Betretungsverbote, Kontaktbeschränkungen), § 30 IfSG (Quarantäne) oder § 31 IfSG (berufliches Tätigkeitsverbot) zuwiderhandelt, muss mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe gemäß § 75 Abs. 1 Nr. 1 IfSG rechnen. 

Nur bei einer Freiheitsstrafe von maximal zwei Jahren kann unter Umständen eine Strafaussetzung zu Bewährung in Betracht kommen. Begeht man die in § 75 Abs. 1 IfSG genannten Verstöße fahrlässig, so ist der Strafrahmen gemäß § 75 Abs. 4 IfSG Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren kann gemäß § 75 Abs. 3 IfSG bestraft werden, wer durch eine Handlung nach § 75 Abs. 1 IfSG eine in § 6 Abs. 1 Nr. 1 IfSG genannte Krankheit oder einen in § 7 genannten Krankheitserreger verbreitet. Nach der zum 01.02.2020 in Kraft getretenen Verordnung zur Meldung des Coronavirus unterfällt das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 bzw. die von ihm ausgelöste Erkrankung COVID-19 der Meldepflicht des § 6 Abs. 1 Nr. 1 IfSG und des § 7 Abs. 1 Nr. 1 IfSG.

Handelt man vorsätzlich einer behördlichen infektionsschutzrechtlichen Maßnahme zuwider, kann man sich zudem nach § 74 IfSG strafbar machen, wenn man dadurch eine in § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 IfSG genannte Krankheit (so wie COVID-19) oder einen in § 7 IfSG genannten Krankheitserreger (so wie SARS-CoV-2) verbreitet. 

Zu den erfassten infektionsschutzrechtlichen Maßnahmen gehört u. a. die behördliche Anordnung der Quarantäne. Als Strafrahmen gilt dann eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe. Liegt die abgeurteilte Freiheitsstrafe bei über zwei Jahren, kommt eine Strafaussetzung zur Bewährung nicht mehr in Betracht. § 74 IfSG verweist auf den Katalog des § 73 Abs. 1, 1a IfSG und setzt die vorsätzliche Begehung einer Handlung aus demselben voraus. 

§ 73 IfSG regelt zahlreichen Ordnungswidrigkeitentatbestände. Relevant dürfte hier vor allem § 73 Abs. 1a Nr. 6 IfSG sein. Nach diesem handelt derjenige ordnungswidrig, der vorsätzlich oder fahrlässig einer vollziehbaren Anordnung u. a. nach § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG auch in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 32 Abs. 1 IfSG zuwiderhandelt. Vorsätzlich handelt, wer wissentlich und willentlich einen Straftatbestand verwirklicht. 

Lediglich fahrlässig handelt, wer ungewollt einen Straftatbestand verwirklicht, weil er die ihm mögliche und zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen hat und den nach dem Gesetz erforderlichen Erfolg hätte voraussehen können.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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