Strafverfolgung von Unternehmen – Hinweise für das Verhalten gegenüber Verfolgungsbehörden

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Unternehmen und deren Angehörige sind für den Bereich der Strafverfolgung besonders empfindlich. Es trifft nicht nur die „Schweinehunde“, zu deren Geschäftskonzept es gehört, auf Grundlage von Regelstößen Gewinne zu erwirtschaften. Auch redliche Betriebe und Mitarbeiter sind betroffen, die sich an Recht und Gesetz halten möchten und falls wirklich Verstöße begangen wurden, geschah dies fahrlässig. An diese potentiell Betroffenen, also Unternehmer wie Mitarbeiter, richtet sich der folgende Beitrag von Rechtsanwalt Heiko Urbanzyk über das Aussageverhalten gegenüber Strafverfolgern.

Regelmäßig haben Mitarbeiter und Unternehmer ein gemeinsames Interesse daran, Strafverfolgungsmaßnahmen abzuwehren und sitzen „in einem Boot“. Für den Ernstfall staatlicher Verfolgung sind viele Unternehmen jedoch nicht vorbereitet. Bei Baustellenkontrollen plaudern Maurer freizügig über zu viel Arbeit bei kläglichem Lohn. Buchhalterinnen geben bereitwillig Auskunft über betriebliche Interna. LKW-Fahrer, deren Fahrzeug mit angeblich ungesicherter Ladung oder Höhenüberschreitungen auf dem Rastplatz stillgelegt werden, skandalisieren diese und angeblich weitere Missstände gegenüber der Polizei. Niederlassungsleiter weisen in Anhörungsbögen panisch jede Schuld von sich und reiten sich und Untergebene sowie die Unternehmensleitung noch tiefer in diese und neu begründete Ermittlungen hinein. Sätze wie „Die da oben weisen uns dazu an, nicht über abgefahrene Reifen zu meckern …“, „Weiß ich doch nicht, was die da unten treiben, dafür bin ich doch nicht da …“ oder „Da kann ich Ihnen noch so einiges berichten ...“ sind der Todesstoß.

In solchen Fällen haben zu spät hinzugezogene Verteidiger ihre Mühe und Not, das Schlimmste zu verhindern. In rund 70 Prozent aller Fälle ist bis zur Einschaltung des Verteidigers schon viel in Scherben gefallen (Mitarbeiteraussagen ohne Zeugenbeistand usw.).

Weder Beschuldigte einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit, noch Zeugen, denen möglicherweise ein Aussageverweigerungsrecht zusteht, sind jedoch verpflichtet, sich gegenüber Strafverfolgern zu äußern. Viel unnötiger Ärger zusätzlich zum ohnehin gegebenen Tatvorwurf kann Unternehmen und deren Mitarbeitern erspart oder verringert werden, wenn sie die folgenden Hinweise zu Verhaltensweisen beachten.

1.
Betroffene Unternehmen sollten zur möglichst erfolgreichen Abwehr strafrechtlicher Vorwürfe und zur Vermeidung drohender Folgeschäden, wie z.B. Entziehung von Lizenzen, immer (!) einen Verteidiger hinzuziehen. Vom Bußgeldbescheid gegen den Berufskraftfahrer wegen zu schnellen Fahrens bis zum Vorwurf der Steuerhinterziehung durch den Chef.

Mindestens ein Verteidiger sollte im Unternehmen zumindest der Geschäftsleitung, der Personalabteilung und ggf. Mitarbeitervertretern namentlich und mit Kontaktdaten bekannt sein, den Sie jederzeit bei überraschenden Hausdurchsuchungen, Verhaftungen und sonstigen Rückfragen kontaktieren können.

Reden ist Silber, Schweigen ist Gold: Wo der Mitarbeiter zum (Mit)Beschuldigten werden kann, steht ihm ein Zeugnisverweigerungsrecht zu. Zur Begründung eines umfassenden Zeugnisverweigerungsrechts genügt die bloß entfernte Möglichkeit, dass der zur Zeugenvernehmung geladene Mitarbeiter durch eine wahrheitsgemäße Aussage Ermittlungen gegen sich selbst auslösen könnte.

Insoweit sind bereits oftmals Zeugenbelehrungen gemäß § 55 StPO unzureichend. Es wird in diesen nämlich der Eindruck erweckt, nur wer sich wirklich strafbar gemacht habe, müsse nicht aussagen.

Jedoch: Woher wollen Sie vorher wissen, ob Sie sich strafbar gemacht haben? Dazu sind immer Ermittlungen und ein Gerichtsurteil als Abschluss eines Strafverfahrens nötig.

Beispiel: Es liegt auf der Hand, dass eine Buchhalterin jederzeit aus Sicht der Ermittler durch ihre Tätigkeit mindestens Beihilfe zur Untreue geleistet haben könnte. Niemand weiß es, aber das fröhliche Berichten als Zeugin über die eigene Tätigkeit im Büro und das bekundete Wissen über Vorgänge und Arbeitgeberweisungen kann schnell zur Beschuldigtenstellung umschlagen. Im Wirtschaftsstrafrecht genügt nicht selten die Kenntnis von vergangenen strafwürdigen Vorgängen, um eine eigene Strafbarkeit zu begründen.  

Haben Sie also den Mut zu sagen, Sie möchten erst einen Anwalt hinzuziehen, um zu prüfen, ob Sie sich selbst mit einer Aussage belasten würden.

Zwar ist es nicht immer zielführend, die Strafverfolger vor eine Wand des Schweigens rennen zu lassen; denn eine verschärfte Gangart des Ermittlungsstils kann die Folge sein. Jeder Mitarbeiter, der als Zeuge aussagen muss, sollte dennoch dringend einen anwaltlichen Zeugenbeistand hinzuziehen, um die Situation überhaupt einschätzen zu können.

Für einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit Beschuldigte gilt das erst recht.

2.
Vorladungen durch Polizeibehörden wird grundsätzlich keine Folge geleistet – unabhängig davon, ob Sie als Beschuldigter oder als Zeuge geladen sind. Es besteht keine gesetzliche Pflicht, zu einer polizeilichen Beschuldigten- oder Zeugenvernehmung zu erscheinen.

Eine Erscheinungspflicht besteht hingegen bei Ladungen in Steuerstrafsachen, durch die Staatsanwaltschaft oder durch Finanzbehörden.

3.
Bei Durchsuchungsaktionen schweigen Sie! Lassen Sie sich nicht von einer Drohkulisse aus Uniformen, Dienstwaffen, Gerichtsbeschlüssen, Paragraphen und Dienstausweisen einschüchtern!

Im Rahmen von Durchsuchungen in Betriebsräumlichkeiten werden Mitarbeiter häufig durch eine sogenannte Sofortladung der Staatsanwaltschaft überrumpelt. Es wird dann behauptet, die Mitarbeiter müssten noch an Ort und Stelle aussagen.

Falsch! Bei jeder Unsicherheit und auch nur entferntesten Selbstbelastungsgefahr (die praktisch immer droht), wird der Mitarbeiterzeuge nichts sagen. Der Mitarbeiter wird allein mitteilen, dass er auf seine verfassungsmäßig garantierten Rechte besteht, sich mit einem Zeugenbeistand eigener Wahl zu besprechen. Dem anwaltlichen Zeugenbeistand wiederum steht vor einer Aussage eine Einarbeitungszeit zu. Der Überrumpelungstaktik im Rahmen der Hausdurchsuchung wird damit der Wind aus den Segeln genommen.  

4.
Wo Mitarbeiter jedoch auf anwaltlichen Rat als Zeugen aussagen, weil das „Mauern“ der kompletten Belegschaft oder einzelner Arbeitnehmer verfahrensnachteilige Auswirkungen haben könnte, ist ihre vorherige „Schulung“ unerlässlich.

Schulung heißt, bei Ermahnung des Mitarbeiters zur unbedingten Wahrheitspflicht gegenüber den Ermittlern auch zu betonen, dass

  • er zur Bekundung von Spekulationen und unnötigen Ausschweifungen nicht verpflichtet ist, diese dem Betrieb aber schaden und daher zu unterlassen sind;
  • aktive Mithilfe und vorauseilender Gehorsam bei den Ermittlungen nicht erforderlich und daher zu vermeiden sind;
  • Rechtsfragen, Erfahrungssätze, allgemeine Eindrücke, Schlussfolgerungen und differenzierte Werturteile über Betriebsvorgänge nicht Gegenstand einer Zeugenaussage und daher zu unterlassen sind;
  • also nur kurz und bündig zu beantworten ist, wonach gefragt wird und was zum Beweisthema gehört;
  • eine Hilfspflicht des Zeugen bei den Ermittlungen nicht in der Form besteht, dass die Behörden von diesem verlangen dürften, eigene Berechnungen vorzunehmen, Unterlagen beizubringen usw.;
  • jedoch arbeitsrechtliche Weisungen über das Aussageverhalten nicht vor strafbarer Falschaussage schützen;
  • sogar arbeitsvertragliche Verschwiegenheitspflichten hinter die Zeugenpflicht zurücktreten müssen.

5.
Strikt abzuraten ist davon, den Zeugen vor seiner Vernehmung auf seine Aussage unternehmensintern „vorzubereiten“, z.B. durch die Rechtsabteilung oder gar durch Vorgesetzte selbst. Über derartige Erörterungen muss der Mitarbeiter auf die regelmäßige Nachfrage der Ermittler Auskunft geben. So wird der Eindruck unzulässiger Zeugenbeeinflussung entstehen. Um es unmissverständlich auf den Punkt zu bringen: Ihnen droht Untersuchungshaft von unbestimmter Dauer, wenn Sie Ihre Mitarbeiter selbst vor einer Aussage schulen.

Zeugenschulungen mit dem externen Strafverteidiger unterliegen hingegen dem Mandatsgeheimnis. Der befragte Mitarbeiter muss nach solchen Schulungen mit dem externen Verteidiger/Zeugenbeistand befragt nichts offenlegen.

Ein Mitarbeiter muss auch nicht die Frage beantworten, wer denn den Zeugenbestand vermittelt habe und durch wen dieser bezahlt werde.

6.
Ein perfekt organisiertes Unternehmen setzt bei der oben beschriebenen Aufklärung seiner Mitarbeiter noch früher an, nämlich im Vorfeld von strafrechtlichen Ermittlungen.

Aufklärungen über richtiges Verhalten bei Durchsuchungen und Alarmpläne machen das Unternehmern nicht zur kriminellen Vereinigung. Ganz im Gegenteil, wo auch der redliche Unternehmer stets das Opfer einer Strafverfolgung werden kann, zeigt er kein Ganoventum, wenn er darauf vorbereitet ist.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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