Straßenverkehrsgefährdung durch Übermüdung – auf deutliche Anzeichen von Müdigkeit achten!

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Welche Strafbarkeit der Gesetzgeber für eine Übermüdung im Straßenverkehr vorsieht, erklärt Ihnen Rechtsanwalt und Strafbverteidiger Heiko Urbanzyk aus Coesfeld: 

Die Strafbarkeit folgt aus § 315c Abs. 1 Nr. 1b StGB. Eine Übermüdung am Steuer hat wohl den ein oder anderen Leser schon übermannt, nachdem der Grill- und Fußballabend zu lang wurde, das Neugeborene die Nacht durchschrie oder aufgrund der Belastung bei Berufskraftfahrern und Schichtarbeit. Es kann jedem passieren, und zwar aus unterschiedlichsten Gründen. 

Für die Strafbarkeit verlangt die Rechtsprechung einen Übermüdungszustand, „welcher für den Fahrer die erkennbare Erwartung eines nahen Sekundenschlafes mit sich bringt, d. h. der Fahrer bei sorgfältiger Selbstbeobachtung die Übermüdung hätte bemerken oder mit ihrem Eintritt hätte rechnen müssen.“ (LG Wiesbaden, Beschluss vom 22.06.2015, Az. 1 Qs 61/15I) 

Wer in Sekundenschlaf fällt, findet mit der Behauptung, dieser habe ihn völlig überrascht, kaum Gehör. Der Bundesgerichtshof hat hierzu anerkannt, dass ein Kraftfahrer, bevor er am Steuer einschläft, stets deutliche Zeichen der Übermüdung an sich wahrnimmt oder wahrnehmen kann. Ein gesunder, bislang hellwacher Mensch werde nicht plötzlich von Müdigkeit überfallen. 

Freilich gibt es Krankheiten, die zu plötzlichem Sekundenschlaf führen können. Für möglich gehalten wird dies z. B. bei Schlafapnoikern (LG Traunstein, Beschluss vom 08.07.2011, Az. 1 Qs 226/11). Mit dem Vorbringen von derartigen Gesundheitsmängeln als Verteidigung wäre ich jedoch vorsichtig: Bestimmte Krankheitsbilder, z. B. im Bereich der Tagesschläfrigkeit oder Schlafapnoe, stellen die Fahreignung in Zweifel. So mag die Entziehung der Fahrerlaubnis strafrechtlich vielleicht abgewendet sein – droht jedoch verwaltungsrechtlich durch die Führerscheinstelle. 

Mit welcher Strafe ist die Straßenverkehrsgefährdung bedroht?

Wer im Straßenverkehr ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge geistiger oder körperlicher Mängel (darunter fällt die Übermüdung) nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wird fahrlässig gehandelt oder die Gefahr fahrlässig verursacht drohen Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe. 

Außerdem wird bei Verurteilung die Fahrerlaubnis entzogen, und zwar laut Gesetz für nicht weniger als sechs Monate. Regelmäßig unterschreitet die Entziehung jedoch zwölf Monate nicht. Als Gefährdung genügt der sogenannte Beinahe-Unfall. 

Kommt es zu einer Ahndung der Tat durch bloßen Strafbefehl (also ohne Gerichtsverhandlung), machen nicht wenige Betroffene, die sich dagegen wehren wollen, Fehler. Diese wären vor allem:

Wer den Vorwurf nicht auf sich sitzen lassen möchte, hat die Möglichkeit, Einspruch gegen den Strafbefehl einzulegen. Dies muss binnen zwei Wochen ab Zustellung schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle geschehen. Es beginnt damit, dass Betroffene den „gelben Umschlag“ wegwerfen, der durch das notierte Datum den Fristbeginn dokumentiert. Dieser Umschlag ist bitte immer aufzubewahren und auch dem Anwalt mitzubringen! Andere verschlafen die Frist schlichtweg, wobei auch hier die Gründe unterschiedlich sind. 

Keinen Einspruch per E-Mail einlegen!

Wieder andere legen Einspruch per E-Mail ein, was ein großer Fehler ist. Der Einspruch per E-Mail ist nämlich unzulässig (OLG Hamm, Beschluss vom 28.12.2017, Az. 4 Ws 241/17). Trotz E-Mail-Einspruch würde ein Strafbefehl letztlich rechtskräftig. 

Es kommt durchaus vor, dass bei einer zunächst mutmaßlichen Straßenverkehrsgefährdung die Staatsanwaltschaft den Vorwurf auf eine Ordnungswidrigkeit herabstuft. Zum Beispiel, wenn statt einer Übermüdung bloße Unaufmerksamkeit als Unfallursache angenommen wird. Es folgen eine Anhörung durch die Bußgeldstelle und ein Bußgeldbescheid. Auch im Bußgeldverfahren ist derzeit ein Einspruch durch einfache E-Mail unwirksam (LG Münster, Beschluss vom 12.10.2015, Az. 2 Qs 89 Js 1834/15-76/15; AG Kassel, Beschluss vom 6.09.2017, Az. 384 OWi-933 Js 27079/17).

Besser zum Anwalt

Wie in allen juristischen Fragen empfiehlt es sich gerade bei so schwerwiegenden Vorwürfen wie der Straßenverkehrsgefährdung, unverzüglich einen ausgewiesenen Verkehrsrechtler zu mandatieren. Ich habe kein Verständnis für Betroffene, die sich im Ermittlungsverfahren selbst verteidigen und dann erst mit der Anklageschrift zum Anwalt gehen. Ist erst einmal die Anklageschrift geschrieben, hat die Staatsanwaltschaft den Hauptteil ihrer Arbeit erledigt und ist für einfache Lösungen, die im Ermittlungsverfahren hätten geklärt werden können, kaum noch zu begeistern. 

Ab der Aufforderung zur ersten Vernehmung/Anhörung: Verzichten Sie nicht auf Rechtsbeistand! Verkehrsanwalt und Strafverteidiger Urbanzyk aus Coesfeld verteidigt Sie bundesweit gegen den Vorwurf von Verkehrsstraftaten – gerne auch ab Anklageschrift.


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