Testament: "Wenn mir unterwegs etwas passiert..." - Anlass oder echte Bedingung?

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Bevor sie eine längere oder auch nicht ganz ungefährliche Reise antreten, denken viele Menschen daran, ein Testament zu errichten – falls ihnen unterwegs „etwas passiert“, d.h. falls sie nicht lebend zurückkehren. Dies ist keine schlechte Idee.

Aber: 

Vorsicht ist geboten bei Formulierungen wie „sollte mir etwas zustoßen“ oder „sollten wir von unserer Reise nicht zurückkehren“!


Um spätere Missverständnisse und Streitigkeiten unter den Erben zu vermeiden, sollten die Erblasser unbedingt in ihr Testament aufnehmen, wie die Formulierung zu verstehen ist – oder ganz davon absehen.


Anlass, Motiv/Beweggrund – oder echte Bedingung?


Frau M., die Mutter von Tochter A und Sohn T, hatte viele Jahre vor ihrem Tod vor einem ihrer Urlaube ein Testament errichtet, in dem sie folgendes verfügte:

„Für den Fall, dass ich nicht aus meinem Urlaub zurückkomme, sollen meine Kinder beide erben, aber meine Tochter A soll das Haus bekommen.“ Das Haus war ein wesentlicher Nachlassgegenstand.

Nach dem Tod der M schlug der Sohn T das Erbe wegen der Beschwerung seines Erbteils (die Tochter sollte das Haus bekommen) aus und machte seinen Pflichtteil gegen die A als nunmehrige Alleinerbin geltend. Die A verweigerte dies mit der Begründung, es gelte nicht etwa die testamentarische, sondern die gesetzliche Erbfolge, wonach jedes der Kinder zu ein Halb erbt, denn das Testament habe nur für die Urlaube in den Jahren 1998 und 2000 gelten sollen.

Das Landgericht Hagen gab dem T Recht; die A ging allerdings in die Berufung

(LG Hagen, Teilurteil v. 02.06.2023, Az. 4 O 265/22, BeckRS 2023, 15075, NJW-Spezial 2023, 488 – die Berufung ist anhängig beim OLG Hamm, Az. I-10 U 77/23).


Das Landgericht Hagen ist der Meinung, die Formulierung „für den Fall, dass ich nicht aus dem Urlaub zurückkomme“ sei nur die Mitteilung des Anlasses für die Testamentserrichtung bzw. ein Hinweis auf ihren Beweggrund, aber keine rechtliche Bedingung für die Zuwendung des Hauses an die A und die damit verbundene Beschwerung des Erbteils des T.


Die Abgrenzung zwischen Anlass bzw. Motiv/Beweggrund und echter rechtlicher Bedingung ist nicht immer einfach und daher äußerst streitanfällig!


Wie man Anlass bzw. Beweggrund und eine echte rechtliche Bedingung voneinander unterscheidet


Eine Bedingung ist ein zukünftiges, ungewisses Ereignis. Es gibt aufschiebende Bedingungen und auflösende.


Aufschiebend ist eine Bedingung, wenn die von der Bedingung abhängig gemachte Wirkung eines Rechtsgeschäfts (oder einer letztwilligen Verfügung) eintritt mit dem Eintritt der Bedingung.

Beispiel: „Die A erbt, aber erst dann, wenn sie eine Ausbildung abgeschlossen hat. Sollte dies bis zu zwei Jahren nach meinem Tod nicht der Fall sein, erbt der T. In der Zwischenzeit ordne ich Testamentsvollstreckung an“.


Auflösend ist eine Bedingung, wenn die Wirkung des Rechtsgeschäfts (oder der letztwilligen Verfügung) mit dem Eintritt der Bedingung endet und ab diesem Zeitpunkt der vorherige Zustand wieder eintritt.

Beispiel: „Die A soll alleinige Erbin sein. Sie erbt aber nur dann, wenn sie im Zeitpunkt meines Todes eine Ausbildung abgeschlossen hat. Sollte dies nicht der Fall sein, erbt der T.“


Der Anlass oder das Motiv / der Beweggrund unterscheiden sich von der Bedingung dadurch, dass die Erfüllung der im Testament ausgedrückten Erwartung eben nicht die Voraussetzung sein soll für die Geltung der testamentarischen Anordnung.


Ob eine echte (rechtliche) Bedingung gewollt ist oder ob nur ein Anlass oder ein Beweggrund mitgeteilt werden sollte, ist durch Auslegung des Testaments zu ermitteln:

Zu fragen ist, was der Erblasser gewollt hat.


Auf den oben geschilderten Fall bezogen bedeutet das:


Ob Frau M. lebend von ihrer Reise zurückkehren würde, konnte im Zeitpunkt der Testamentserrichtung niemand wissen. Die Lebendrückkehr war also ein künftiges, ungewisses Ereignis und wäre insoweit eine Bedingung.

Aber das ist nicht die Frage, siehe oben.


Die Frage ist vielmehr:

Sollte die A. das Haus in jedem Fall bekommen, egal, wann und wo die M. versterben würde - mit der Wirkung einer Beschwerung des Erbteils des T.?

Oder sollte die Verfügung nur dann gelten, wenn die M. nicht lebend von der Reise zurückkehrt wäre?


Die Richter am Landgericht Hagen entschieden, dass eine unbedingte Zuwendung des Hauses an die A. gewollt gewesen sei. Dies vor allem deshalb, weil das Testament über den aktuellen Urlaubsanlass hinaus in all den Jahren weder verändert noch ergänzt worden und auch nicht mit einem Hinweis versehen worden sei, dass es nur für die Dauer der Reise gelten sollte.


Tipp für die Testamentserrichtung:


Der Anlass oder der Beweggrund für die Errichtung eines Testaments sollte, wenn er denn überhaupt genannt werden soll, als solcher gekennzeichnet werden, etwa wie:

„Anlässlich meiner anstehenden Besteigung des Himalaya ordne ich für den Fall meines Todes folgendes an: … Dies gilt auch dann, wenn ich von meiner Reise lebend zurückkehre“.


Sollen die testamentarischen Verfügungen tatsächlich nur für die Dauer der Reise gelten, dann wäre es sehr ratsam, das Testament nach Rückkehr von der Reise zu vernichten und es zur Sicherheit ausdrücklich zu befristen, etwa mit den Worten „Dieses Testament wird unwirksam, wenn ich von meiner anstehenden Reise lebend zurückkehre“.



Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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