Mit Cannabis am Steuer erwischt. Führerschein/ärztliches Gutachten/MPU - Teil 1

  • 18 Minuten Lesezeit

Wenn Sie unter Einfluss von THC / Cannabis beim Führen eines KFZ / Motorad / Pedelec / E Scooter / Roller von der Polizei erwischt werden, laufen in der Regel mehrere Verfahren. Einige davon scheinen Verfahren gegen die Wissenschaft und das Recht selber zu sein. 

Dazu später mehr:

1) Strafverfahren nach § 29 BtMG:

wegen Besitzes von Cannabis /  Marihuana / Haschisch. Es ist egal, ob tatsächlich Drogen bei Ihnen gefunden wurden. Der Besitz wird von dem Konsum abgeleitet. Wenn man hier die Aussage verweigert und nicht zum Vernehmungstermin bei der Polizei geht (höflicherweise selbst oder noch besser durch Ihren Anwalt absagen lassen), dann wird dieses Ermittlungsverfahren eingestellt nach § 170 Abs. II StPO - jedenfalls praktisch immer. 

Warum? Weil dann mangels Ihrer Aussage (niemand sollte so dumm sein, sich zum Hauptbelastungszeugen gegen sich selbst zu machen, oder?) nicht klar ist, ob Sie an dem Cannabis rechtlich Besitz hatten (=strafbar) oder nur paar mal am Joint / Sportzigarette eines Freundes mitgeraucht haben (=nicht strafbar).

2) Bußgeldverfahren nach § 24 a Abs. II StVG:

Wenn Sie mindestens 1,0 ng/ml THC im Blut hatten. Angeblich soll das THC dann noch "wirken". Ob es gefühlt noch wirkt oder der Konsum schon 3 Tage her ist: Die Analytik ist ungefähr so sensibel auf THC wie die Nase eines Rüden, der ein läufiges Weibchen noch auf der anderen Seite des Planeten wittert. Sehr sensibel also. 

Selbst die besten Gas Chromatografen können nur bis 0,5 ng/ml THC analytisch verwertbar messen. Alle Werte darunter sind von Hintergrundrauschen überlagert und unbrauchbar. 

1,0 ng/nl THC ist also beinahe identisch mit dem Wert, der mit teuerster Analytik gerade noch so zu messen ist. Danach kommt nur noch die Homöopathie. Absolute analytische Tauchtiefe ist hier also auch maßgeblich in Sachen Bußgeldrecht. 

Wenn Sie einen Joint rauchen, merkt es das Gerät auch Tage später noch. Bei den heutigen Gras Sorten mit mehr als 20 % THC Gehalt vertrauen Sie besser nicht darauf, dass der THC Wert nach 24 Stunden unter 1,0 ng/ml gesunken ist. Setzen Sie besser 1 Woche an. Vergessen Sie, was Sie über Abbauwerte von Cannabis irgendwo gelesen haben: Es gibt keine aktuelle Studie, die Aussagen darüber trifft, wie lange sich THC im Blut / Urin nach dem Konsum nennenswerter Mengen von solch potenten Cannabis hält.

Und auch wenn auch das THC bei 1,0 ng / ml in der Regel nicht mehr subjektiv "wirkt", wird genau ab diesem sehr tiefen Wert die "Wirkung" unterstellt. "Wirkung" im Wortsinn muss gerade nicht vorgelegen haben. Man unterstellt sie einfach.

Man will ja möglichst viele Leute rankriegen. Und folgt auch deshalb nicht der Grenzwertkommisson, die ja eine Heraufsetzung auf 3,0 ng/ml THC vorgeschlagen hatte. Nicht nett das alles, denken Sie? Nein. Nicht nett.

Es drohen dann 1 Monat Fahrverbot, 2 Punkte in Flensburg  und 500,00 Euro aufwärts (mit Kosten für die Blutabnahme usw) landet man dann bei 800 - 1000,00 Euro). 

Ebenso spricht man ab 1,0 ng/ml THC fahrerlaubnisrechtlich von "fehlenden Trennungsvermögen". Jedenfalls dann, wenn man ein Fahrzeug mit Motor geführt hat. 

Achja: Entgegen offenbar landläufiger Annahme enthält CBD Cannabis (und auch Vollsprektrum CBD Öl) in der Regel noch entspannt genug Delta 9 Tetrahydrocannabinol (schnöde verkürzt zu "THC") Moleküle, damit die gaschromatographischen Spürnasen in den Laboren diese noch kilometerweit gegen den Wind aufspüren. 

Wer meint, CBD Gras und das Führen von KFZ vertrage sich entspannt, der irrt sich. Wenig THC in der Regel in den CBD Sorten: Richtig. Aber immer noch genug für eine ultra sensible Analytik...

Auch während der Abstinenzzeit sollte man deshalb kein CBD Gras rauchen oder CBD Öl zu sich nehmen.

oder

3) Strafverfahren nach § 316 StGB (statt § 24 a StVG):

Wenn Sie mindestens 1,0 ng/ml THC im Blut hatten und "Auffälligkeiten" dazu beobachtet wurden seitens der Polizei: 

Von Schlangenlinien, zu schnellen Fahren, Ausflug in den Graben, falschen Überholen, fehlender+m Gurt oder etwas subtiler angebliche Nervosität, komische Ergebnisse bei Koordinationstests wie Einbeinstehen, Finger an Nase, Finger an Finger, 30 Sekunden Zähltest gibt es hier verschiedenste, teilweise stark im Auge der sie beobachtenden Beamten liegenden Möglichkeiten, das Bußgeldverfahren gemäß § 24 a StVG in ein Strafverfahren nach § 316 StGB hochzujazzen. 

In diesem Strafverfahren wird Ihnen dann vom Strafgericht die Fahrerlaubnis erst vorläufig und dann "richtig" entzogen und Sie kriegen eine Sperrfrist von x Monaten. Erst danach dürfen Sie wieder fahren. 

Aber damit Ihnen nicht langweilig wird, hat die Fahrerlaubnisbehörde immer noch ein, zwei Aufgaben für Sie im Ärmel. Und die heißen "ärztliches Gutachten" oder "MPU". Führerschein einfach so zurück nach Rauschfahrt mit THC? Einfach so ohne Vorsprechen bei AVUS/Dekra/PIMA oder den (gar nicht zu empfehlenden) TüV? Falsch gedacht! 

Ärztliches Gutachten wäre die smoothe Lösung, bei der MPU muss schon mehr Fleisch in die Suppe, um die zu bestehen. "Idiotentest" heißt die MPU aber vor allem, weil sich manche Betroffene idiotisch verhalten bei der Begutachtung und sich vor allem von selbst ernannten "MPU-Profis" (="MPU-Idioten")  haben beraten lassen. 

4) Fahrerlaubnisverfahren (ärztliches Gutachten oder MPU? Entziehung oder nicht Entziehung - das ist hier die Frage!)

Wenn kein Fall des § 316 StGB, also "nur" ein Fall des § 24 a StVG vorliegt, erlischt das Erstzugriffsrecht der Strafgerichtsbarkeit auf Ihre Fahrerlaubnis und dann (und wirklich erst dann) darf die Fahrerlaubnisbehörde (=Verwaltungsbehörde) sich bei Ihnen melden.

Und das wird sie. Nicht vielleicht. Sie wird es auf jeden Fall. Im Fall des § 316 StGB nach der Sperrfrist (wenn Sie den "Lappen" wiederhaben wollen) und sonst deutlich zeitnäher. Oft dann, wenn man das Bußgeld im Rahmen des § 24 a StVG schon bezahlt hat und sich dachte, man sei fein raus und da kommt nichts mehr. Dass die Führerscheinstelle sowas vergisst, ist ein praktisch äußerst seltener Fall.

Die Behörde wird nun ein Gutachten anordnen. Quizfrage ist: Welches? Und mit welchen Mitteln? Methodisch sauber oder mittels eher vom gewünschten Ergebnis der Behörde / des Gerichts willkürlich zusammen geschusterten Pseudobegründungen (=Regelfall).

Ein ärztliches Gutachten (sog. Konsummusteranalyse) ordnet die Behörde an, wenn sie wissen will, ob Sie einmal konsumiert haben, gelegentlich oder regelmäßig (=täglich oder beinahe täglich). 

Eine MPU ordnet sie an, wenn sie wissen will, ob Sie künftig trennen können zwischen dem Konsum von Cannabis und dem Führen von KFZ. Voraussetzung für die Anordnung der MPU ist fehlendes Trennungsvermögen (ab 1,0 ng/ml THC im Blut) und der sog. "gelegentliche Konsum"

Als gelegentlich bezeichnet man einen zumindest zweimaligen Konsum (wenn der Zeitraum zwischen den Einzelkonsumakten mehrere Jahre beträgt, ist die Verknüpfung wegen der zeitlichen Zäsur unzulässig. Vertreten wird alles zwischen und 12 Jahren). 

Wie bestimmen die Behörden nun den gelegentlichen Konsum?

Es gibt verschiedene Methoden. Alle sind wissenschaftlich falsch.

Bestimmung des gelegentlichen Konsums über den  THC COOH Wert:

Einige Behörden versuchen die Bestimmung über den  THC COOH (THC Carbonsäure) Wert. Wenn ein bestimmter THC COOH Wert vorliegt, soll der gelegentliche Konsum vorliegen. Vertreten werden wissenschaftlich völlig freischwebend zwischen 10 und 100 ng/ml THC COOH. Genau genommen sind diese Ergebnisse samt und sonders gewürfelt:

Ob es Studien gibt, bei denen genug Testpersonen so viel THC verabreicht wurde, wie heute mittels hochqualitativen Cannabis auch beim Erstkonsum konsumiert werden können?

Natürlich gibt es die nicht - wo denken Sie hin. Dann würde ja ein Hauch Wissenschaftlichkeit Einzug halten ins Fahrerlaubnisrecht. Wenn Ihnen eine Behörde sagt, der THC COOH Wert von 30 oder 100 ng/ml beweise den gelegentlichen Konsum, dann ist das eine wissenschaftliche Lüge erster Güte. Einer Gutachterstelle, die dies behauptet, würde ich mit Strafanzeige drohen, da sie offenbar unter Vortäuschung vermeintlich wissenschaftlichen Arbeitens Ihr Geld kassiert.

Und warum? Weil es keine Studie gibt, wo Testpersonen hochqualitatives Cannabis (zB Jack Herer) mit einem Wirkstoffgehalt jenseits der 20 % in üblichen Konsummengen (zB 0,25 / 0,5 / 1,0 Gramm) verabreicht wurden.  

Und ja: Gerichtlich wird teilweise angenommen, 1 Gramm sei eine übliche Konsummenge. Amüsant? Finde ich auch. (Für 0,5 - 1 Gramm Cannabis pro Joint: VG Oldenburg, Urteil vom 17.02.2004, SVR 2004, 398, 3 - 6 Gramm Haschisch für 3 Joints: BayOLG NZV 2003, 252 f.). 

Klar wird man sich denken: Verwaltungsgericht Oldenburg ist Frontgericht. Nähe  zu Holland und so. Wird viel gekifft im Oldenburger Land, stimmt schon. 

Aber auch damals gab es schon Sorten wie "White Widow" usw. mit Wirkstoffgehalten jenseits der 20 %. Mitte der 90er boten sich Sensi Seeds, Greenhouse Seeds, Paradise Seeds usw. ein Rennen um die Cannabis Sorte mit dem höchsten THC Gehalt. Die THC Werte stiegen um denn Faktor 4 oder 5. Und was passierte mit der Studienlage und der Frage, welche THC COOH Werte nach dem Konsum eines "Oldenburger White Whidow Dübels"  nach welcher Zeit gemessen werden konnten? 

Genau gar nichts. Die Entwicklung der THC Gehalte der Cannabis Sorten und die Studienlage entfernten sich in Lichtgeschwindigkeit voneinander.

Was aber, wenn ein Erstkonsument sich 0,5 Gramm von einer solchen Sorte etwa per Space Cake konsumiert und nach einer Kontrolle ein Wert von 250 ng/ml THC COOH angezeigt wird? Ist das dann kein Erstkonsument mehr, weil in den veralteten Studien Testpersonen 15-30 mg THC verabreicht wurden und da solch hohe THC COOH Werte nach Einmalkonsum logischerweise nicht erreicht wurden? Das sei ein wissenschaftlicher B@tch Move? So kann man das sehen...

Wie soll man einen gelegentlichen Konsum anhand eines Abbauwertes bestimmen, wenn es keine Studien dazu gibt, die der Realität (den heutigen Wirkstoffgehältern der Cannabis Sorten) Rechnung tragen? 

Richtig: Das geht nicht. Aber das bedeutet natürlich nicht, dass die Behörde die Erkenntnisse der alten Studien nicht  weiter verwenden zu Bestimmung des gelegentlichen Konsums. Wenn juckt es schon, dass die Hauptvariable "verabreichtes THC" um locker das 6 - 12 fache variieren kann? 

Das ist so, als würde man behaupten: Mit 0, 2 Liter Bier kann man nicht mehr als 0,3 Promille erreichen. Deshalb kann man auch nicht mehr als 0,3 Promille erreichen, wenn man 0,2 Liter Rum trinkt. Gleiche unwissenschafltiche Logik. Merkt man eigentlich, wenn man nicht völlig auf dem Schlauch steht. Oder sollte es merken.

In diesem Kontext sei erwähnt: Ab 150 ng/ml THC COOH gilt man heute als regelmäßiger Konsument (täglicher oder beinahe täglicher Konsum) und verliert den Führerschein sofort (ohne vorherige MPU). 

Wie oben bereits gesagt: Ich gehe davon aus, dass auch ein THC COOH Wert von 300 ng/ml oder sogar deutlich mehr einem Einmalkonsum zugeschrieben werden kann, gerade auch bei  oralen Konsum. Ohne Studien kann man da nur raten. Das Recht wird somit v.a. durch die Gerichte zum Ratespiel degradiert.

Wenn eine Behörde den THC COOH Wert zum Anlass nimmt, Sie seien gelegentlicher Konsument, dann ist das wissenschaftlich in Regel unredlich. Sie können aber wenig dagegen tun. 

Warum? Weil die Gerichte diese Zahlenpfuschereien stützen und sich lieber in wissenschaftlicher Unredlichkeit eregehen, als sich zu hinterfragen (so wie es eigentlich wissenschaftliche Methode ist). Durch wechselseitiges Abnicken im Spiel zwischen Verwaltungsbehörden und Gerichten wird so die Unwissenschaftlichkeit zur Methode verfestigt und als Wissenschaftlichkeit verkauft. Kleine  Mogelpackung mit großer Wirkung für die Betroffenen.

Man denkt sich, dass sei an Dreistheit nicht zu toppen? Aber aber! Natürlich geht da noch  was: Der Kompetenzillusion sind keine Grenzen gesetzt - warum mit THC COOH Werten argumentieren, wenn man gleich mit "Wahrscheinlichkeiten" herum dilletieren kann? Also: 

Bestimmung des gelegentlichen Konsums über Wahrscheinlichkeitsbehauptungen:

Richtig trendy geworden ist die Behauptung, es sei unwahrscheinlich, dass man als Erstkonsument unter Wirkung von  KFZ führt und dann auch noch eine angeblich sehr seltene Verkehrskontrolle gerät. Deshalb sei von einem gelegentlichen Konsum auszugehen im Regelfall. Dem könne der Betroffene nur entgegen treten, wenn er sehr genau die Umstände des Einmalkonsums darlegt (sog. "substantiierter Vortrag" = Stellschraube der Gerichte, oft bis zum Anschlag aufgedreht. Will heißen: Egal, was der Betroffene sagt: Es wird oft als Schutzbehauptung abgetan).

Dazu ein paar Anmerkungen:

Die Herrschaften verwechseln objektive und subjektive Wahrscheinlichkeiten. Die Kombination von Erstkonsum / Führen eines KFZ / Kontrolle durch die Polizei ist wissenschaftlich betrachtet dann unwahrscheinlich, wenn genau diese Behauptung durch Statistiken, Berechnungen, Dunkelzifferzahlen usw. objektiv bewiesen ist. Wahrscheinlichkeitsrechnung ist eine Spielart der Mathematik, einer realwissenschaftlichen Disziplin. 

In einer solchen gilt eine Annahme (=Hier die Unwahrscheinlichkeitsannahme) also so lange nicht bewiesen, bis sie eben wissenschaftlich nachvollziehbar durch Zahlen / Berechnungen bewiesen ist. 

Natürlich gibt es solche Berechnungen (wundert es jemand?) nicht

Anstelle dieses objektiven Beweises einer wie auch genau zu beziffernden Unwahrscheinlichkeit setzen Behörden und Gerichte lieber auf Subjektivität. Will heißen: Es wird sich einfach ausgedacht, es sei unwahrscheinlich. Auf die objektive Beweisführung wird verzichtet. Ist ja auch lästig. 

Eigentlich muss die Behörde den gelegentlichen Konsum beweisen. Aber mit dieser wenig feinen unwissenschaftlichen Herangehensweise der subjektiven Wahrscheinlichkeit unterstellt sie dieses Konsummuster einfach und dreht damit die Beweislast und schiebt den schwarzen Peter dem Betroffenen zu, der sich gefälligst zu entlasten habe. 

Redliche Überlegungen, dass jeder Fall ein Einzelfall ist und generelle, auf Subjektivität gebaute Annahmen auf solche gar nicht auf diesen übertragbar sein können, werden ausgespart. 

Man übergeht solche Dinge einfach zur Arbeitserleichterung und oder mangelnde Idee von der richtigen Methodologie, ersetzt Objektivität durch Subjektivität und entwertet damit das Recht, zu dessen Schutz man sich per Amtseid verpflichtet hat.

Man arbeitet unwissenschaftlich und dreht Beweislasten im grundrechlich geschützten Bereich aufgrund der Idee, man habe schon Recht mit der Unwahrscheinlichkeitsannahme.  

THC COOH Werte und Unwahrscheinlichkeiten sind also genau genommen mangels Studienlage komplett ungeeignet zur Bestimmung des gelegentlichen Konsums. 

Was wäre dann aber die logische Folge? Logische Folge wäre dann, das man mangels gelegentlichen Konsums im Regelfall den Erstbetroffenen keine MPU auferlegen kann. Wenn man wissenschaftlich objektiv handeln würde, dann könnte man den gelegentlichen Konsum nur sehr selten beweisen. Jedenfalls dann, wenn der Betroffene diesen bei der polizeilichen Vernehmung nicht selbst eingeräumt hat (=bei allen Polizeimaßnahmen immer vom Schweigerecht Gebrauch machen bitte).

Wissenschaftliche Redlichkeit hätte zur Folge, dass im Regelfall zunächst ein ärztliches Gutachten durchgeführt werden müsste zur Cannabis Konsummuster Bestimmung ("Ist X einmaliger, gelegentlicher oder regelmäßiger Konsument?"). 

Dieses Gutachten würde dann natürlich auch gerne an der wissenschaftlich unzureichenden Studienlage leiden und damit gerne Angriffsziel von Anwälten werden mit dem Ergebnis, dass mehr als ein Einmalkonsum nicht zu beweisen ist. Und genau das soll nicht sein. Deshalb verbiegt man sich lieber in Unwissenschaftlichkeit und tritt das Recht mit Füßen, welches man selber zu schützen vorgibt. 

Apropos wissenschaftliche Unredlichkeit: 

Bestimmung des gelegentlichen Konsums über die "6 Stunden Regel":

Es gibt eine -natürlich veraltete- Studie, nach der bei einem Einmalkonsum der THC Wert im Blut innerhalb von 6 Stunden unter 1,0 ng/ml sinkt. Wird nun bei der Verkehrskontrolle vom Betroffenen wahrheitsgemäß gesagt, er habe 24 Stunden (oder 48 oder 72 oder mehr) vorher erstmalig Cannabis konsumiert, so wird man ihn der Lüge bezichtigen, wenn ein THC Wert von mindestens 1,0 ng/ml in seinem Blut gemessen wird, nachdem er nachts in der Innenstadt an einem Kontrollschwerpunkt der Polizei in eine angeblich seltene Kontrolle geriet. 

Das ist in Ermittlungsakten der Polizei dann sehr oft zu lesen: "X berichtete, er habe am Abend vorher konsumiert"Wenn zwischen der Kontrolle und dem angebenen Konsumzeitpunkt mehr als 6 Stunden liegen, gilt der gelegentliche Konsum als angeblich bewiesen. 

Und natürlich: Es gibt auch hier keine aktuelle Studie, die das beweist. Bei der Studie, die das beweisen soll, wurden im Maximum 3,55 mg THC an 6 Testpersonen verabreicht. 

Abgesehen davon, dass 6 Personen als Stichprobe bei jedem Statistiker abwechselnd Lach- und oder Wutanfälle auslösen: 3,55 mg THC. 

Wenn also bei einem Erstkonsum 0,5 Gramm Haze mit einem Wirkstoffgehalt von 20 % mittels Space Cake konsumiert wurden, dann hat man 100 mg THC zu sich genommen. Also 28 x mehr als bei der angeblich immer noch bedenkenlos anzuwendenden Studie. Neue Studien Fehlanzeige.

Ich kann das nur tippen, aber ich nehme an, dass der Konsum eines solchen Kekses auch noch locker 3 oder mehr Tage (oder eine Woche) später zu einem THC Wert von mindestens 1,0 ng/ml führen kann und wird. 

Aber mit solchen Sachen beschäftigen sich die Fahrerlaubnisbehörden und Gerichte ungern und gehen nicht mit der Zeit. Dafür gehen die Betroffenen aber: Zur MPU.

Die Fragen: 

  • Wie lange lässt sich THC im Blut / Urin nachweisen?
  • Welcher THC COOH Wert beweist welches Konsummuster? 

lassen sich mangels entsprechender zeitgemäßer Studien nicht beantworten. 

Jede Tabelle mit irgendwelchen Zeitangaben ist falsch. 

Wie Sie sehen, ist hier methodologisch nicht nur einiges im Argen: Es stimmt wissenschaftlich betrachtet mangels objektiver Nachweise der Behauptungen nichts

Das Fahrerlaubnisrecht ist ein gutes Beispiel dafür, wie durch wissenschaftlich unseriöses Arbeiten Grundrechte unterwandert und durch ihre vermeintlichen Schützer zu ihrer eigenen Karrikatur gemacht werden und zu leeren Worthülsen verkommen.

Hatten Sie Glück und einen Wert unter 100 ng/ml THC COOH und die Behörde hatte 100 ng/ml THC COOH als Grenze zum gelegentlichen Konsum (=wenigstens halbredlich), dann kommt es zum 

4.1. Ärztlichen Gutachten (Konsummusteranalyse)

Die Gutachterstelle will wissen, ob Sie einmal, gelegentlich oder regelmäßig Cannabis / Haschisch konsumiert haben. 

Wenn man das Gutachten bestehen will, sollte man mit Einmalkonsum argumentieren:

1 x im Leben konsumiert im Zeitfenster von maximal 6 (besser 3 - 4 Stunden) vor der Blutabnahme. Niemals andere BtM konsumiert. Nie viel Alkohol getrunken, höchstens ab und an 2 - 3 Bier und nie Schnaps. Und natürlich auch beim Einmalkonsum kein Alkohol dazu getrunken (Mischkonsum kostet den Führerschein). Man hat einen Joint geraucht, da war Cannabis drin. Wie viel weiß man nicht. Wieviele Züge? Vielleicht 10. Man hat leicht was an Wirkung gemerkt.

Natürlich wird der Gutachter dann gerne mit dem Unwahrscheinlichkeits Nonsens um die Ecke kommen (nur eine Behauptung, wie wir wissen) oder versuchen Sie zu täuschen mit "Der THC COOH Wert ist viel zu hoch für einen Einmalkonsum, sagen Sie jetzt die Wahrheit!". Im Täuschungsbingo gibt es einige Klassiker. Beide genannten Varianten gehören zu den Standard Spielzügen. Was den THC COOH Wert angeht: Wenn der zu hoch wäre für einen Einmalkonsum: Dann hätte die Behörde gleich eine MPU angeordnet.

Auch beim ärztlichen Gutachten gilt: Die Gutachter klammern sich immer noch an die alten Studien aus der Bibliothek im Elfenbeinturm. Da wo die Bücher langsam aber sicher verstauben so wie manch Verfahrensbeteiligter, der seine Dynamik gegen einen Beamtenstatus tauschte. 

Wenn man deshalb die Wahrheit sagt, und berichtet, man habe zB 24 Stunden vor der Kontrolle oder 3 Tage vorher erst- und einmalig Cannabis konsumiert, dann wird der Gutachter deshalb sagen, dass Sie ein Lügner sind und dass das nicht hinkommen kann. 

Es wird also eine Falschaussage Ihrerseits konstruiert, welche kausal nur deshalb entsteht, weil es keine aktuellen Studien zu der Frage gibt. Auch wenn diese neuen Studien Sie wahrscheinlich entlasten und Ihren Vortag stützen würden. Aber wozu neue Studien, wenn man die alten Studien nehmen kann, um Sie dahin zu kriegen, wo man Sie haben will?

Liest sich so, als müsste man die Unwahrheit sagen, um der mangelhaften Studien- und Forschungslage Rechnung tragen, oder? Kann man in der Tat so sehen. Wenn Sie länger als 6 Stunden vor der Kontrolle erstmalig Cannabis konsumierten, dann können Sie also a) lügen oder b) Sie kriegen als Ergebnis des Gutachtens den gelegentlichen Konsum attestiert und dürfen dann zur MPU, wo die nächsten Probleme rund um THC COOH warten, wenn Sie bei der Wahrheit bleiben. 

Grimms Märchen erzählen oder den Führerschein verlieren / gefährden? Das ist eine individuelle Frage. Muss jeder selbst entscheiden. So wie jeder selbst entscheiden muss, ob er wissenschaftlich redlich arbeiten und damit dem Recht zur Geltung verhelfen will, auch und gerade wenn das Ergebnis nicht der inneren Zielvorgabe entspricht.

Ich darf Ihnen verraten: Erwarten Sie keine sportliche Fairness. Erwarten Sie nicht, dass das Recht nicht gebogen und verzerrt und inhaltlich entleert wird, um Sie dran zu kriegen.

Bei dem unwissenschaftlich-abgehobenen Gehabe vieler Gerichte, Behörden und Gutachterstellen bleibt  oft nur das modifizierte, auf die eigene Zielvorgabe (=Rettung der Fahrerlaubnis) angepasste Aussageverhalten als Reaktion auf die Pseudowissenschaftlichkeit, mit der man Ihnen begegnet. 

Wer die Wissenschaft leugnet, der hat keinen Anspruch auf Wahrheit. 

4.2. Cannabis MPU auf Trennvermögen oder Abstinenz

Sie hatten nicht das Glück, sich über ein ärztliches Gutachten (sauberes Urin vorausgesetzt) aus dem Fahrerlaubnisverfahren zu verabschieden? Es wurde direkt eine MPU angeordnet, weil angeblich irgendwas nicht so wahrscheinlich sei (obwohl es so war, wie Sie sagten) oder Sie waren beim ärztlichen Gutachten und haben wahrheitsgemäß von einem Einmalkonsum berichtet, was der Gutachter zur Lüge umgedichtet hat und Sie mit "mangelnder Offenheit" und der Einschätzung "mindestens gelegentlicher Konsument" und "Widersprüchen zwischen wissenschaftlich gesicherten Erkenntnissen und Ihren Aussagen"  zur MPU schickte?

Kommt dauernd vor. Willkommen im Dschungel des Fahrerlaubnisrechts. Wenn Sie eine Landkarte bzw einen Tourguide mit Machete brauchen, um sich den Weg durchs unwissenschaftliche Gestrüpp zu bahnen: Es soll Anwälte geben, die sich da schon öfter durchgekämpft haben. 

Was Sie Cannabnis MPU wissen müssen:

Was der Gutachter fragt und was Sie antworten müssen für ein positives Gutachten ist kein Geheimwissen. Es steht klipp und klar in diesem Buch hier: Beurteilungskriterien aus dem Kirschbaum Verlag. Kaufen. Danach wissen Sie, wie das Spiel läuft. 

Das Buch erklärt sich selber. Es gibt verschiedene Prüfkategorien  (Hypothesen D1-D4), in die der Gutachter Sie stecken kann und v.a. anhand Ihrer Aussagen stecken wird. Also müssen Sie wieder angepasst an der Zielvorgabe orientiert aussagen. Man sage besser nichts, was einen in die Gruppe D1 und D2 schießt. Sie müssen das Buch kaufen, sonst können Sie mir jetzt nicht  mehr folgen.

Obwohl nach der Hypothese D4 keine Abstinenznachweise erforderlich sind (und diese Gruppe ist eigentlich auf die erstmalig mit Trennungsversagen auffälligen gelegentlichen Cannabis Konsumenten zugeschnitten), geht die Tendenz der Gutachterstellen, Betroffene ohne mindestens 6 Monate Abstinenznachweise bestehen zu lassen, gegen den absoluten Nullpunkt

Sie brauchen also Abstinenznachweise. Wenn Sie bei einer Kontrolle im Verkehr erwischt worden sind: Drogen Urin Schnell Tests aus der Apotheke besorgen. Wenn die sauber sind: Im Urin Screening Programm anmelden auf alle gängigen BtM. Nicht mit Haaren screenen, da es da oft falsch positive Ergebnisse gibt. Sie melden sich erstmal für 6  Monate an. Ohne Abstinenznachweise ist die negative MPU gebucht. Sie werden Durchfallen. 

Warum? Darum:

Die Fahrerlaubnisbehörden geben Ihnen bei der Cannabis MPU in der Regel nur 2-3 Monate Zeit, um das Gutachten vorzulegen. 

Richtig erkannt: Sie können in diesen 2-3 Monaten nicht die erforderlichen Abstinenznachweise beibringen. 

Es sei denn, Sie haben früh genug damit angefangen und die Behörde lässt sich Zeit mit der Anordnung der MPU. Das ist natürlich ein Ansporn für die Gutachterstellen, bei Ihnen auch als D4 Kandidat eine eigentlich nicht vorgeschriebene Abstinenz zu fordern. 

Dann machen Sie die MPU  locker 2 x. Warum nur 1 x abkassieren, wenn auch 2 x geht? Und nein: Weder die Gutachterstellen noch die Fahrerlaubnisbehörden werden Sie vorher wissen lassen, dass Sie ohne die Abstinenznachweise ins offenen Messer laufen werden. Nicht nett? Nein. Nicht nett. Deshalb sage ich es Ihnen: Machen Sie ein Screening Programm. 

Weiter geht es hier: KLICK.


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