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Tipico zur Rückzahlung von Sportwettverlusten verurteilt

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Der Glücksspielanbieter Tipico wurde vom Landgericht Ravensburg zur Rückzahlung von Spielverlusten aus Sportwetten verurteilt. Unserem Mandanten wurden ca. 133.000,00 € zugesprochen. Die Entscheidung setzt einen begrüßenswerten Trend in der Rechtsprechung fort, immer mehr Zivilgerichte sehen richtigerweise auch das Veranstalten von Sportwetten ohne die hierfür notwendige Erlaubnis als illegal an.

Die Urteilsbegründung der zuständigen Kammer aus Ravensburg überzeugt hierbei durchweg. Es ist deutlich erkennbar, dass sich die Richter vertieft mit der glücksspielrechtlichen Problematik der Sportwetten auseinandergesetzt haben. Die Entscheidung zeigt lehrbuchartig auf, warum die Rechtsauffassung des größten Veranstalters von Sportwetten nicht verfangen kann.

Es wird dem rechtlichen Laien schwer zu vermitteln sein, aber seit Jahren ist eine einfach anmutende Frage juristisch höchst umstritten:

„Durften hierzulande Online-Sportwetten auch ohne deutsche Erlaubnis veranstaltet werden?“

Die Glücksspielbranche ist der Auffassung, dass ihr eine deutsche Lizenz rechtswidrig vorenthalten wurde, denn der Glücksspielstaatsvertrag 2012 (GlüStV 2012) sah ein Lizenzvergabeverfahren für Sportwettveranstalter vor, welches letztendlich scheiterte.

Veranstalter wie z.B. Tipico hätten sich von Anfang an um eine Konzession bemüht und hätten stets die gesetzlichen Vorschriften zum Erhalt einer eben solchen eingehalten. Daher sei ihr Sportwettangebot auch von den zuständigen Behörden geduldet worden. Das Fehlen einer Konzession könne daher nicht zu ihren Lasten gehen. Darüber hinaus seien Verstöße gegen die glücksspielrechtlichen Vorschriften zum Erhalt einer Konzession zivilrechtlich unbeachtlich, da es sich um verwaltungsrechtliche Nebenbestimmungen handle.

Außerdem sei der nationale Erlaubnisvorbehalt, also die Vorschrift, welche besagt, dass das Veranstalten von Glücksspiel ohne die erforderliche Erlaubnis verboten ist, aufgrund einer Unvereinbarkeit mit dem Europarecht rechtswidrig. Eine maltesische Erlaubnis reiche daher auch für den deutschen Markt aus.

Im Ergebnis soll demnach auch das Veranstalten von Sportwetten vor dem Erhalt einer Konzession im Oktober 2020 rechtmäßig gewesen sein.

Wenig verwunderlich teilen wir als Spieleranwälte diese Auffassung nicht.

In seiner Entscheidung hat das LG Ravensburg aktuell unserer rechtlichen Beurteilung zugestimmt.

Die Behauptung, dass sich das aus § 4 IV GlüStV 2012 ergebende Verbot des konzessionslosen Online-Glücksspiels rechtswidrig sei, hat das Landgericht mit Bezug auf höchste Rechtsprechung richtigerweise verneint:

Mit dem Internet-Glücksspiel-Verbot werden in nicht diskriminierender Weise verfassungs- und unionsrechtlich legitime Gemeinwohlziele, insbesondere des Jugendschutzes sowie der Bekämpfung der Spielsucht und Begleitkriminalität, verfolgt. In der eben zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs ist anerkannt, dass Glücksspiele im Internet die genannten Ziele in besonderem Maße gefährden, weil das Anbieten von Spielen über das Internet spezifische Gefahren mit sich bringt. Schon wegen des fehlenden unmittelbaren Kontakts zwischen dem Verbraucher und dem Anbieter bergen Online-Glücksspiele anders geartete und größere Gefahren des Auftretens krimineller Verhaltensweisen wie der betrügerischen Manipulation und der Geldwäsche. Zudem begründen die Eigenheiten des Internets, verglichen mit herkömmlichen Vertriebsformen, anders geartete und größere Gefahren, insbesondere für Jugendliche und für Personen, die eine besonders ausgeprägte Spielneigung besitzen oder entwickeln könnten. Auch der besonders leichte und ständige Zugang zu den im Internet angebotenen Spielen sowie die potenziell große Menge und Frequenz von Spielangeboten in einem Umfeld, das überdies durch die Isolation des Spielers, durch Anonymität und durch fehlende soziale Kontrolle gekennzeichnet ist, stellen Faktoren dar, die die Entwicklung von Spielsucht und übermäßige Ausgaben für das Spielen begünstigen und deshalb die damit verbundenen negativen sozialen und moralischen Folgen vergrößern können (BVerwG, Urteil vom 26.10.2017 - 8 C 14/16). § 4 Abs. 4 GlüStV a.F. schränkt zwar die durch Art. 56 f. AEUV gewährleistete Dienstleistungsfreiheit von Glücksspielanbietern ein, die - wie die Beklagte - ihren Sitz in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben und ihre Dienstleistungen im Bundesgebiet erbringen wollen. Diese Beschränkung ist aber gerechtfertigt, weil sie auch im unionsrechtlichen Sinne verhältnismäßig und insbesondere geeignet ist, zur Erreichung der mit ihr verfolgten Gemeinwohlzwecke in systematischer und kohärenter Weise beizutragen (BVerwG a.a.O., Rn. 35). Dabei ist es grundsätzlich Sache des Mitgliedstaates, das nationale Schutzniveau in Bezug auf Glücksspiele selbst zu bestimmen und die Erforderlichkeit einzelner Maßnahmen zu beurteilen. Die staatlichen Stellen verfügen im besonderen Bereich der Veranstaltung von Glücksspielen über ein ausreichendes Ermessen, um festzulegen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der Verbraucher und der Sozialordnung ergeben (BVerwG, a.a.O. Rn. 36). Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich die Kammer anschließt, steht die Eignung des Internetverbots zur Verfolgung der legitimen Gemeinwohlziele des Glücksspielstaatsvertrages nicht in Zweifel.

Der Umstand, dass die Beklagte am gescheiterten Konzessionsverfahren teilnahm, wurde vom Gericht wie folgt bewertet:

Zwar hat sich die hiesige Beklagte anders als die Klägerin im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht am Konzessionsverfahren beteiligt und mag das Verfahren vor dem Regierungspräsidium Darmstadt als länderübergreifend für die Erteilung der Konzession zuständige Behörde tatsächlich rechtswidrig durchgeführt worden sein, sodass die Beklagte zu Unrecht nicht bei der Konzessionserteilung berücksichtigt worden ist. Das ändert jedoch nichts daran, dass sich die Beklagte nicht selbst das Recht nehmen kann, ohne Erlaubnis öffentliches Glücksspiel zu veranstalten.

[…]

Nicht anders als im Rahmen des § 284 Abs. 1 StGB (vgl. dazu BGH, Urteil vom 27.2.2020 – 3 StR 327/19, NJW 2020, 2282) gilt daher auch hier, dass im Fall des Fehlens der erforderlichen behördlichen Erlaubnis das Veranstalten von Glücksspiel den Tatbestand des Verbotsgesetzes des § 4 Abs. 1 und 4 GlüStV a.F. selbst dann erfüllt, wenn die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Genehmigung vorliegen, da sonst Sinn und Zweck des Erlaubnisvorbehalts leerliefen. Entscheidend ist allein das - hier fehlende - Vorliegen eines formal wirksamen Verwaltungsakts. Die eigenmächtige Vornahme der erlaubnisbedürftigen Handlung wird durch das Vorliegen der materiell-rechtlichen Genehmigungsvoraussetzungen nicht rechtmäßig (vgl. BGH, Urteil vom 27.2.2020 – 3 StR 327/19, NJW 2020, 2282 zu § 284 Abs. 1 StGB).

Die gelungene Entscheidung nimmt auch Bezug zur Behauptung der Beklagten sie habe die gesetzlichen Bestimmungen einer Konzession erfüllt und wäre daher von den Verwaltungsbehörden geduldet worden.

Im Verfahren wurde unter anderem von uns dargelegt, dass sich die Beklagte nicht an die Bestimmung des Einzahlungslimits gehalten hat. Demnach dürfen Anbieter von Online-Glücksspiel grundsätzlich nicht mehr als 1.000,00 € im Monat pro Spieler entgegennehmen.

Den folgenden Ausführungen des Landgerichts Ravensburg ist hierbei uneingeschränkt zuzustimmen:

Hinzu kommt, dass die Beklagte ohnehin die materiell-rechtlichen Voraussetzungen des § 4 Abs. 5 Nr. 2 GlüStV a.F., die auch in den Leitlinien zum Vollzug im Bereich Sportwetten während des laufenden Konzessionsverfahrens zur Voraussetzung des Veranstaltens von Online-Sportwetten gemacht worden sind, nicht eingehalten hat, indem sie nicht sichergestellt hat, dass der dort festgelegte Höchsteinsatz je Spieler von 1.000,00 € pro Monat eingehalten wird. Die Leitlinien zum Vollzug im Bereich Sportwetten während des laufenden Konzessionsverfahrens sahen ausdrücklich vor, dass die Veranstalter von Sportwetten, die sich an dem Konzessionsverfahren beteiligt hatten und weiter eine Konzession begehrten, sich an § 4 Abs. 5 Nr. 2 GlüStV halten.

Soweit man eine auf diesen der Beklagten bekanntgegebenen Leitlinien beruhende Duldung unterstellt, vermag diese aufgrund des Grundsatzes des Vertrauensschutzes die Beklagte vor negativen Folgen eines Handelns schützen, das sich im Rahmen der seitens der Behörde angekündigten und vollzogenen Duldung hält (vgl. etwa Lüder/Walisko, ZfWG 2021, 23, 29). Eine Duldung kann nur für die geduldeten Spielbedingungen wirken. Hier hat die Beklagte allerdings unstreitig nicht sichergestellt, dass der Höchsteinsatz von 1.000 € monatlich pro Spieler eingehalten wird. 

Darauf, dass ihr Verhalten keine negativen Folgen hat – sei es in strafrechtlicher, ordnungsrechtlicher oder zivilrechtlicher Hinsicht – kann sie infolgedessen nicht vertrauen.

[…]

Die Grenze von 1.000 € ist vorbehaltlich einer abweichenden Festsetzung in der Erlaubnis angeordnet. Es handelt sich damit nicht um eine bloße Auflage oder Spielordnung oder eine im Interesse der öffentlichen Ordnung erlassene Vorschrift, die nur bestimmte Umstände verbieten will, unter denen ein inhaltlich an sich nicht zu beanstandendes Geschäft vorgenommen wird. Sinn der Vorschrift ist es vielmehr, Spieler vor den Gefahren zu hoher Verluste infolge der Spielleidenschaft zu bewahren. Soll der Zweck der Vorschrift erfüllt werden, also dass das Spiel nur stattfindet, wenn die Höchsteinsätze limitiert sind, können Spielverträge ohne Gewährleistung des Höchsteinsatzes nicht als rechtswirksam anerkannt werden.

Richtig erkennt das Landgericht Ravensburg, dass eine Verletzung der Bestimmungen zum Erhalt einer Konzession, auch zivilrechtlich relevant ist.

Dies ist nur konsequent. Schließlich behaupten die Betroffenen Anbieter eine zivilrechtliche Wirksamkeit ihres Glücksspielangebots ergebe sich aufgrund einer behördlichen Duldung. Letztere wiederum liege vor, da ihr Angebot allen gesetzlichen Vorschriften zum Erhalt eine Erlaubnis erfülle.

Der Umstand, dass die Beklagte offensichtlich gegen die gesetzlichen Regelungen verstoßen hat und sich trotzdem auf eine behördliche Duldung beruft, wurde vom Gericht richtig bewertet:

Eine Duldung kann nur für die geduldeten Spielbedingungen wirken.

Dem ist nichts weiter hinzuzufügen.

Wenn Sie Spielverluster erlitten haben, kontaktieren Sie uns und vereinbaren einen Termin für ein kostenloses Erstgespräch. Wir holen Ihr Geld zurück.



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