Tod im laufenden Arbeitsverhältnis – haben Erben Anspruch auf Abgeltung verbleibender Urlaubstage?

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Verstirbt ein Arbeitnehmer, schließen sich eine Reihe von Fragen an, deren Beantwortung -insbesondere in der konkreten Situation– für Angehörige besonders erschwert ist. Eine dieser Fragen betrifft den noch ausstehenden Urlaub des Verstorbenen. Dass der Urlaub grundsätzlich der Erholung des Verstorbenen diente und dieser Zweck nicht mehr erreicht werden kann, ändert nach klarstellender Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 22.01.2019, Az.: 9 AZR 45/16) nichts an der Abgeltungsfähigkeit.

Endet das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers, haben dessen Erben nach § 1922 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 7 Abs. 4 BurlG Anspruch auf Abgeltung des noch nicht genommenen Urlaubs. Das stellte das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Blick auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) klar.

Sachverhalt

Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Klägerin war Alleinerbin ihres 2010 verstorbenen Ehemanns, dessen Arbeitsverhältnis mit seinem Tod endete. Nach dem einschlägigen Tarifvertrag standen dem verstorbenen Arbeitnehmer (Erblasser) für jedes Kalenderjahr 30 Urlaubstage zu. Der Erblasser wurde noch vor seinem Tod als schwerbehinderter Mensch anerkannt und hatte anteilig Anspruch auf zwei zusätzliche Urlaubstage folgend aus § 125 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 SGB IX alte Fassung. Die Klägerin verlangte von der Arbeitgeberin (Beklagten) die Abgeltung von insgesamt 25 Urlaubstagen (Resturlaub), die dem Arbeitnehmer zum Zeitpunkt des Versterbens für das Jahr 2010 zustanden.

Die Vorinstanzen gaben der Klage statt. Auch die Revision der Beklagten hatte vor dem BAG schließlich keinen Erfolg. So musste die Beklagte den Urlaub des Erblassers mit einem Betrag von rund 5.860,00 EUR brutto abgelten.

Begründung des BAG

Die BAG-Richter verwiesen dabei auf § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG)

„§ 7 Zeitpunkt, Übertragbarkeit und Abgeltung des Urlaubs

(4) Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses

ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er abzugelten.“

wonach Urlaub, der wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommen werden kann, abzugelten ist. In diesem Kontext ergebe die nach dem europäischen Unionsrecht gebotene Auslegung der §§ 1, 7 Abs. 4 BUrlG, dass der Resturlaub auch in dem Fall abzugelten sei, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers endet.

Der EuGH habe nunmehr entschieden (Az.: C-569/16 und C-570/16), dass der durch Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG (Arbeitszeitrichtlinie) gewährleistete Anspruch auf bezahlten Mindestjahresurlaub nicht mit dem Tod des Arbeitnehmers im laufenden Arbeitsverhältnis untergehen dürfe, ohne dass ein Anspruch auf finanzielle Vergütung für diesen Urlaub besteht, der im Wege der Erbfolge auf den Rechtsnachfolger des Arbeitnehmers überzugehen habe.

Daraus folge für die richtlinienkonforme Auslegung der §§ 1, 7 Abs. 4 BUrlG, dass die finanzielle Komponente (Abgeltung statt Erholungszweck) des Anspruchs auf den vor dem Tod nicht mehr genommenen Jahresurlaub als Bestandteil des Vermögens Teil der Erbmasse werde. Der Abgeltungsanspruch eines Erben umfasse dabei nicht nur den Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub nach §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG von 24 Werktagen, sondern gerade auch den Anspruch auf Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB. Dies gelte darüber hinaus für den Anspruch auf Urlaub nach § 26 des hier einschlägigen Tarifvertrags (TVöD), der den gesetzlichen Mindesturlaub übersteige.

Schließlich lasse sich dem TVöD auch nicht entnehmen, dass dem Erben ein etwaiges Verfallrisiko für den tariflichen Mehrurlaub bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Tod des Arbeitnehmers treffe.

Fazit

Die Rechtsprechung des BAG zeigt auf, dass grundsätzlich auch Erben Ansprüche aus dem durch Tod des Erblassers beendeten Arbeitsverhältnis ableiten können. Diese können in Bezug auf abzugeltenden Urlaub, im Einzelfall auch über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehen.

Sollten hier Unklarheiten bestehen, empfiehlt sich in vielen Fällen eine Überprüfung.


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*Aus Gründen besserer Lesbarkeit wurde im Text die männliche Form gewählt, nichtsdestoweniger beziehen sich die Angaben auf Angehörige aller Geschlechter


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