Überblick über arbeitsschutzrechtliche Pflichten von Arbeitgebern und Arbeitgeberinnen

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Meine langjährige Erfahrung als Rechtsanwältin für Arbeitsrecht auf Arbeitgeberseite hat aufgezeigt, dass Arbeitsschutz in Betrieben oft stiefmütterlich behandelt wird. Das liegt häufig an der Fülle und Unübersichtlichkeit der arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften auf der einen Seite und an Problemen in der Umsetzung in der Praxis auf der anderen. Im Rahmen der besonderen arbeitsschutzrechtlichen Anforderungen während der Corona-Pandemie hat der Arbeitsschutz in deutschen Betrieben an neuer Bedeutung gewonnen. Dennoch fehlt vielen Betrieben ein Überblick über grundsätzliche Pflichten außerhalb von Sondervorschriften.



Grundpflichten und Gefährdungsbeurteilung


Vielen Arbeitgebern, Führungskräften und HR-Managern ist nicht bekannt, was noch zum Arbeitsschutz von Beschäftigten und damit zu den unternehmerischen Pflichten gehört.


§ 1 Abs 1 S. 1 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) besagt zunächst: „Dieses Gesetz dient dazu, Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten bei der Arbeit durch Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu sichern und zu verbessern.“


Es geht also – grob gesprochen – um den Gesundheitsschutz und die Sicherheit der Beschäftigten. 


Um die Gefahren für die Gesundheit der Beschäftigten überhaupt zu ermitteln, sind Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen nach § 5 ArbSchG und § 3 ArbStättV verpflichtet eine sog. Gefährdungsbeurteilung durchzuführen. Anhand der Gefährdungsbeurteilung hat der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin zu entscheiden, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind und diese Maßnahmen dann zu treffen und ggfs. anzupassen.  


Eine Auflistung der Grundsätze ist indes in § 4 ArbSchG zu finden. Neben diesen Grundpflichten zum Gesundheitsschutz konkretisiert das Arbeitsschutzgesetz die arbeitgeberseitigen Pflichten sodann in weitergehenden Vorschriften. 



Schwer geahndet und dennoch unterschätzt


Einige weitergehende Pflichten ergeben sich bspw. auch aus der Arbeitsstättenverordnung, dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, dem Kündigungsschutzgesetz, dem Mutterschutzgesetz und dem Arbeitszeitgesetz. Die Auflistung ist nicht abschließend.


Hier sollen nun einige unterschätzte oder gar unbekannte Pflichten von Arbeitgebern und Arbeitgeberinnen genannt werden, deren Beachtung angesichts der ansonsten schweren Ahndung nur angeraten werden kann:


  • Pflicht zur Arbeitszeiterfassung

Spätestens seit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 13.09.2022 sind Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen dazu verpflichtet, ein System einzuführen, mit dem Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen erfasst werden kann. Während das Arbeitszeitgesetz bislang nur eine Erfassung von Arbeitszeiten, die über die werktägliche Arbeitszeit i.S.v. § 3 Abs. 1 ArbZG (acht Stunden) hinausgeht, vorsieht, will das BAG eine Pflicht zur vollumfänglichen Arbeitszeiterfassung aus dem Arbeitsschutzgesetz herleiten. Häufig stehen Arbeitgeber vor der Frage der konkreten Umsetzung.


  • Arbeitsschutz bei Arbeitnehmerüberlassung

Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) regelt die Rechtsbeziehungen im Drei-Personen-Verhältnis: Leiharbeitnehmer, Entleiher und Verleiher. Dabei treffen sowohl den Ver- als auch den Entleiher arbeitsschutzrechtliche Pflichten. U.a. sind das Unterrichtungspflichten, Unterweisungspflichten, die Pflicht des Verleihers zu einer Grundunterweisung sowie Zurverfügungstellung einer Schutzausrüstung.


  • Erste Hilfe und sonstige Notfallmaßnahmen

Bereits in Betrieben mit einem Mitarbeiter haben Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen diejenigen Beschäftigten zu benennen, die Aufgaben der Ersten Hilfe, Brandbekämpfung und Evakuierung der Beschäftigten übernehmen. Anzahl, Ausbildung und Ausrüstung der benannten Beschäftigten müssen in einem angemessenen Verhältnis zur Zahl der gesamten Beschäftigten und zu den bestehenden besonderen Gefahren stehen. Wie viele Erst-, Brandschutz- und Evakuierungshelfer indes im Betrieb anwesend sein müssen, bleibt zunächst unspezifisch. Hier kommt die durchzuführende Gefährdungsbeurteilung ins Spiel: Je größer die Unfall- und Brandgefahren etc. im Betrieb sind, desto mehr Helfer müssen im Betrieb anwesend sein. In Betrieben mit durchschnittlicher Brandgefahr wird ein Anteil von 5 % der Beschäftigten als ausreichend erachtet. In Betrieben bis zu 20 Mitarbeiter muss ein Ersthelfer vor Ort sein. Die Vorschriften der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) sind zudem zu beachten.


  • Verantwortlichkeit bei Homeoffice und mobiler Arbeit

Hier muss zunächst zwischen einem Telearbeitsplatz gemäß Arbeitsstättenverordnung und ortsungebundener Arbeit (auch Mobile-Office genannt) unterschieden werden. Arbeitsrechtlich haben die beiden Konstrukte völlig unterschiedliche Auswirkungen und damit einhergehende Pflichten für Arbeitgebende. Arbeiten die Mitarbeiter an einem Telearbeitsplatz (fest eingerichteter Bildschirmarbeitsplatz im Privatbereich der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen), ist zwingend eine Gefährdungsbeurteilung auch in der häuslichen Arbeitsstätte durchzuführen und geeignete Maßnahmen zum Arbeitsschutz zu treffen.


Wenn Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen von zu Hause arbeiten, ergeben sich zudem große Probleme in Bezug auf die Pflicht, eine angemessene Helferzahl (siehe Punkt „Erste Hilfe und sonstige Notfallmaßnahmen“) im Betrieb zu gewährleisten. In diesem Fall sind wiederum die Vorschriften der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) zu beachten.


  • Arbeitsmedizinische Vorsorge

Der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin hat den Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen auf ihren Wunsch zu ermöglichen, sich je nach den Gefahren für ihre Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit regelmäßig arbeitsmedizinisch untersuchen zu lassen. Es sei denn, auf Grund der Beurteilung der Arbeitsbedingungen und der getroffenen Schutzmaßnahmen ist nicht mit einem Gesundheitsschaden zu rechnen.


  • Pflicht zur Unterweisung

Der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin hat die Beschäftigten über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit während ihrer Arbeitszeit ausreichend und angemessen zu unterweisen. Es müssen Unterweisungen zum Thema Arbeitsschutz, Brandschutz sowie zur Ersten Hilfe im Unternehmen erfolgen. Die Unterweisung hat erstmals bereits bei Einstellung bzw. vor Aufnahme der Tätigkeit zu erfolgen. Hier bieten sich spezielle Schulungen an.


  • Sicherheitsbeauftragte

Sicherheitsbeauftragte in Unternehmen sind dafür zuständig, Gefahren zu erkennen, die sich aus Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren ergeben. Sie haben Maßnahmen zur Verhütung dieser Gefahren zu treffen. In Unternehmen mit mehr als 20 Beschäftigten sind Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen verpflichtet einen Sicherheitsbeauftragten zu bestellen.



Konsequenzen bei Verstößen


Verstöße gegen die Vorschriften zum Gesundheitsschutz von Beschäftigten können von den zuständigen Behörden empfindlich geahndet werden. Diese können Maßnahmen anordnen und – bei Nichteinhaltung – sogar die von der Anordnung betroffene Arbeit oder die Verwendung oder den Betrieb der von der Anordnung betroffenen Arbeitsmittel untersagen. Zudem kann die zuständige Behörde nach dem Arbeitsschutzgesetz Bußgelder in Höhe von bis zu 30.000 EUR (je nach Verstoß und Schwere des Verstoßes) verhängen.



Tipp für Arbeitgeber


Unternehmer und Unternehmerinnen können zuverlässige und fachkundige Personen schriftlich damit beauftragen, nach Unfallverhütungsvorschriften obliegende Aufgaben in eigener Verantwortung wahrzunehmen. Die Beauftragung muss den Verantwortungsbereich und die Befugnisse festlegen und ist vom Beauftragten eigenhändig zu unterzeichnen. Wichtig ist hier die Einhaltung der Schriftform. Um Haftungsrisiken zu minimieren, sollten Arbeitgebende mittelständischer und großer Betriebe dies jedenfalls ernsthaft in Erwägung ziehen. Gegenstand der Beauftragung können grundsätzlich alle Arbeitgeberpflichten nach dem ArbSchG sein. 


Die Vielzahl an arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften macht es Arbeitgebern und Arbeitgeberinnen zuweilen nicht leicht, den Überblick zu behalten. In der Praxis stellen häufig die Punkte Arbeitszeiterfassung und Homeoffice die größten Herausforderungen dar. Hier ist eine fundierte arbeitsrechtliche Beratung unumgänglich. Insbesondere sollten Vereinbarungen wie eine Homeoffice-Vereinbarung mit Beschäftigten abgeschlossen werden. Unklarheiten gehen zu Lasten von Arbeitgebern und Arbeitgeberinnen. Auch sollten Unternehmen das Thema "Arbeitszeiterfassung" nicht aus dem Blick verlieren. Es gibt aber diverse Sonderregeln für kleine Betriebe.


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Foto(s): Justine Sandkämper

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