Unerkannte Forderungsverjährung im Insolvenzverfahren

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Eine unzureichend individualisierte Anmeldung im Insolvenzverfahren kann nur dann zum Forderungsverlust wegen Verjährung führen, wenn sie bestritten oder ihr widersprochen wird, etwa vom Insolvenzverwalter oder von einem Mitgläubiger, und es nach Ablauf der Verjährungsfrist von drei Jahren zur Tabellenfeststellungsklage kommt. Ebenfalls ist ein Bestreiten durch den Schuldner möglich. Das hindert zwar nicht die Eintragung der Forderung in die Insolvenztabelle, aber die Titulierung für den Zeitraum nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens.

Nach einer Entscheidung des OLG München (OLG München, Az.: 23 U 1165/15, Urteil vom 01.10.2015) verjähren Forderungen von Anlegern im Insolvenzverfahren trotz Anmeldung zur Insolvenztabelle bei unzureichender Individualisierung. Das gelte etwa, wenn der Beratungszeitraum und der Name des Kundenbetreuers in der Forderungsanmeldung des Anlegers nicht benannt worden seien. Bei einer Forderungsanmeldung im Insolvenzverfahren ohne ordnungsgemäße Individualisierung werde die Verjährung nicht gehemmt (OLG München, Endurteil vom 02.10.2015 – 10 U 1534/13). Der Bundesgerichthof hatte bereits ähnlich entschieden: Komme einer Forderungsanmeldung mangels ordnungsgemäßer Individualisierung keine verjährungshemmende Wirkung zu, gelte gleiches für eine auf ihrer Grundlage erhobene Feststellungsklage, Urteil vom 21.02.2013 – IX ZR 92/12, NJW-aktuell 16/2013, S. 6. Eine Forderung sollte daher im Zweifel angemeldet werden wie eine substantiierte Klage.

Der Tabellenauszug nach Verjährungseintritt

Eine besondere Problematik kann sich dann ergeben, wenn der Gläubiger einen Tabellenauszug mit einer vom Insolvenzverwalter anerkannten – und vom Haftpflichtversicherer als Mitgläubiger bestrittenen – Forderung nach Ablauf der Verjährungsfrist zugeleitet bekommt. Denn die versicherungsrechtliche Verjährungsfrist für eine Deckungsklage beginnt im Grunde mit der Feststellung der Forderung zur Tabelle durch den Verwalter, wenn ein Dritter Widerspruch gegen sie erhebt. Die versicherungsrechtliche Verjährungsfrist unterliegt nämlich eigenen Regeln. Daher kann es in derartigen Fällen im Interesse des sichersten Weges geboten sein, zwecks Hemmung der Verjährungsfrist des Deckungsanspruchs eine Feststellungsklage gegen den Haftpflichtversicherer zu erheben („Deckungsklage“). Eine weitere Besonderheit ist denkbar, wenn etwa die Forderungsanmeldung eines gemeinsamen Vertreters nach dem Schuldverschreibungsgesetz aus diversen Gründen unwirksam ist und eine gerichtliche Entscheidung darüber erst nach Ablauf der Verjährungsfrist rechtskräftig wird, insbesondere aber, wenn der Gläubiger davon nach Ablauf der Verjährung erfährt.

Die Formulare des Insolvenzverwalters sind nicht immer sicher

Nach dem Inhalt der Entscheidung des OLG München vom 01.10.2015, Az.: 23 U 1165/15, kann der Insolvenzverwalter auf eine ordnungsgemäße Anmeldung der Forderung nicht verzichten, weil § 181 InsO auch die übrigen Insolvenzgläubiger, denen gegenüber das Feststellungsurteil ebenfalls wirke, schützen wolle. Die Folge ist: Auf die Formulare des Insolvenzverwalters kann man sich nicht verlassen, auf Absprachen mit dem Insolvenzverwalter ebenfalls nicht.

Der Gläubiger sollte sich also stets erkundigen, ob seine Forderung im Prüfungstermin bestritten wurde oder nicht. Wurde sie bestritten, ist eine zeitnahe Nachbesserung der Forderungsanmeldung im Sinne einer ausführlichen Klagebegründung noch möglich. Der Gläubiger müsste spätestens dann den Sachverhalt schlüssig darlegen. Dieser Sachverhalt müsste in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sein, die geltend gemachte Forderung als begründet erscheinen zu lassen, BGH, Urteil vom 22.01.2009, IX ZR 3/08.

Individuelle Beratungssituation soll geschildert werden müssen

Bei geschädigten Anlegern sei der konkrete Beratungshergang individuell in der Forderungsanmeldung zu schildern, OLG München, Urteil vom 1.10.2015, Az.: 23 U 1165/15. Eine individuelle Schilderung liegt nach diesem Urteil nicht vor, wenn der konkrete Beratungsvorgang zwar konkret benannt ist, aber einer Vielzahl von anderen Forderungsanmeldungen gleicht. Hier soll es an der Individualisierung fehlen.

Bei Prospekthaftungsansprüchen allerdings müssten einzelne Prospektfehler nicht in der Forderungsanmeldung bekannt gemacht werden, so das Urteil.

In der weiteren Entscheidung des OLG München vom 02.10.2015, Aktenzeichen 10 U 1534/13, wird bereits in der Forderungsanmeldung eine konkrete Aufschlüsselung der angemeldeten Forderungen vorausgesetzt (etwa Freistellungsanspruch, Rückzahlungsanspruch, Gewinnanspruch etc.). Angeschnitten blieb die Frage in dem vorgenannten Urteil, ob bei einer Tabellenfeststellungsklage nach einer Unterbrechung des Prozesses ähnlich hohe Anforderungen für die Anmeldung der Forderung gestellt werden müssen. Dieses würde heißen, dass dem Insolvenzverwalter die gesamten Prozessakten mit der Forderungsanmeldung noch einmal zwecks Darstellung eines konkreten Gesamtbildes zugeleitet werden müssten. Eine derartige Sichtweise würde der Rechtspraxis aber wegen des doppelten Aufwands kaum zugemutet werden können.

Es sind freilich Sachverhalte denkbar, in denen die Verjährungsfrist noch nicht in Gang gesetzt worden war. Eine noch nicht begonnene Verjährungsfrist bedarf keiner Hemmung. Forderungen können noch bis zum Ende des Schlusstermins nach § 197 InsO zur Insolvenztabelle angemeldet werden.


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