Unfallflucht als Obliegenheitspflichtverletzung: Ärger mit eigener Kfz-Haftpflichtversicherung droht

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Wer Beschuldigter einer Unfallflucht (§ 142 StGB) wird, sollte sich an einen Strafverteidiger/Verkehrsrechtler wenden, weil mögliche Verteidigungsansätze so zahlreich sind wie die Beweggründe für das unerlaubte Entfernen vom Unfallort. Der Vorwurf der Unfallflucht hat unbeachtlich einer späteren Verurteilung jedoch auch versicherungsrechtliche Folgen, die es im Blick zu halten gilt. Denn der eigene Haftpflichtversicherer kann den Versicherten auf bis zu 5.000 Euro Schadensbetrag in Regress nehmen. Rechtsanwalt und Strafverteidiger Heiko Urbanzyk aus Coesfeld erklärt Ihnen nachfolgend die Problematik:

Schadensanzeige- und -aufklärungspflicht

Jeder Versicherungsnehmer einer Kfz-Haftpflichtversicherung hat im Rahmen seines Versicherungsvertrages die Allgemeinen Kraftfahrzeug Bedingungen (AKB) zu seinen Unterlagen vorgelegt bekommen und akzeptiert. Die AKB sind in der zur Zeit des Vertragsschlusses gültigen Form also Bestandteil jeder Kfz-Haftpflichtversicherung. In den AKB wird geregelt, dass bestimmte Obliegenheitspflichtverletzungen zur sogenannten Leistungsfreiheit des Versicherers führen, und zwar bis zu 5.000 Euro. Was heißt Leistungsfreiheit? Wird eine Obliegenheit aus den AKB durch den Versicherungsnehmer verletzt, zahlt die Versicherung den Fremdschaden im Außenverhältnis erst einmal an den Geschädigten. Im versicherungsvertraglichen Innenverhältnis holt sich die Versicherung jedoch je nach Pflichtverletzung bis zu einem Betrag von 5.000 Euro das Geld vom Versicherungsnehmer zurück. Anders gesagt: Sie nimmt den Versicherungsnehmer grundsätzlich berechtigterweise in Regress. 

Eine solche Obliegenheitspflichtverletzung, die zum Regress führt, ist die Unfallflucht. Denn der Versicherungsnehmer verletzt durch die Tat die ihm obliegende Pflicht zur Schadensanzeige und Schadensaufklärung.

Was immer man macht: Der Regress droht

Kommt es zur Verurteilung wegen Verkehrsunfallflucht, folgt die Regressforderung des Versicherers – zumeist einige Wochen oder Monate später – ganz sicher. Dies gilt übrigens auch, wenn statt der strafrechtlichen Verurteilung ein Bußgeldbescheid folgt. Völlig überrumpelt von der Zahlungsaufforderung, fragt sich der Versicherungsnehmer: „Warum bin ich versichert, wenn ich das jetzt selbst zahlen soll?“ 

Aber selbst bei einem Freispruch und Verfahrenseinstellungen ist der Versicherungsnehmer nicht immer auf der sicheren Seite. Gerade bei Freispruch und Einstellung hängt es vom Zufall ab, ob der Versicherungsnehmer Regress fordert – und ob der Versicherungsnehmer in einer Region zu verklagen ist, deren Gerichte meinen, die versicherungsrechtlichen Pflichten der Unfallflucht reichen über die des Strafrechts hinaus.

Bisher wenig bis gar kein Regressrisiko besteht bei einer Einstellung des Strafverfahrens nach § 153 Strafprozessordnung (StPO) wegen Geringfügigkeit der Tat.

Bei einer Einstellung nach § 153a StPO, also einem Absehen von der Strafverfolgung unter Auflagen und Weisungen, besteht ein hohes Risiko, dass der Kfz-Haftpflichtversicherer sich das gezahlte Geld für den Fremdschaden vom Versicherten zurückholen möchte. Es könnte also je nach „Leidensfähigkeit“ des Mandanten einen Kunstfehler darstellen, vorschnell der Verfahrenseinstellung gegen eine (zumeist) Geldauflage zuzustimmen, obschon der Fall im Falle der Anklageerhebung freispruchreif ist.

Besonders brenzlig wird der Regress bei Häufung von Obliegenheitspflichtverletzungen. Der „Klassiker“ ist das Zusammentreffen von Trunkenheitsfahrt mit Straßenverkehrsgefährdung und anschließender Unfallflucht. Bildlich gesprochen: Besoffen mit dem Wagen vor den Baum / das geparkte Auto knallen und dann abhauen. Der Bundesgerichtshof hat hierzu vor Jahren festgestellt, dass die einzelnen Regressforderungen in solchen Fällen zu addieren sind: „Verletzt der Versicherungsnehmer eine Obliegenheit vor [Trunkenheitsfahrt] und eine weitere nach Eintritt des Versicherungsfalles [Unfallflucht] können die Beträge, bis zu denen der Versicherer Leistungsfreiheit in Anspruch nehmen kann, addiert werden.“ (BGH, Urteil vom 14.09.2009, Az. IV ZR 216/04) In solchen Fällen kann der Regress also durchaus vierstellig werden.

Abwehrversuche der Regressforderung können Erfolg haben

Egal ob Verurteilung, Freispruch, Bußgeld oder Verfahrenseinstellung nach § 153/153a StPO: Je nach Umständen des Einzelfalls kann und sollte der Versicherungsnehmer sich gegen Regreßforderungen seiner eigenen Kfz-Haftpflicht wehren. Es gibt aus § 28 Abs. 3 Satz 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) den sogenannten Kausalitätsgegenbeweis. Danach ist der „Versicherer zur Leistung verpflichtet, soweit die Verletzung der Obliegenheit weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich ist.“ Der unfallflüchtige Versicherungsnehmer schuldet die Regressforderung also dann nicht, wenn die Verkehrsunfallflucht auf die Feststellung des Versicherungsfalls und die Höhe der Versicherungsleistung gar keine Auswirkungen hatte. Beispiel: Weil ein Zeuge den Unfall beobachtet, die Polizei ruft und diese kurze Zeit später beim Unfallverursacher vor der Haustür das Fahrzeug vorfindet, hatte die Unfallflucht keine negativen Folgen für die Haftpflichtversicherung, obschon der Schaden durch den Versicherungspflichtigen zunächst weder angezeigt noch aufgeklärt wurde.

Hier spielt die juristische Musik, nachdem die Strafsache längst abgehakt ist. Oft versuchen die Versicherer daher den Kunden unter den Generalverdacht der Arglist zu stellen. Das heißt, es wird behauptet, der Versicherungsnehmer habe bewusst einen gegen den Versicherer gerichteten Zweck verfolgt und gewusst, dass sein Verhalten die Schadenregulierung möglicherweise beeinflussen kann. In diesem Fall nämlich kann der Versicherungsnehmer doch zum Regress herangezogen werden, § 28 Abs. 3 Satz 2 VVG.

Das Vorliegen von Arglist ist jedoch durch den Versicherer darzulegen und zu beweisen, denn es gibt keinen allgemeinen Erfahrungssatz, dass Unfallflucht stets zweckgerichtet gegen die Versichererinteressen begangen wird (LG Bonn, Urteil vom 29.10.2013, Az. 8 S 118/13; LG Duisburg, Urteil vom 15.03.2013, Az. 7 S 104/12). Ganz im Gegenteil hat der Unfallflüchtige regelmäßig gerade nicht seine Versicherung beim Wegfahren im Sinn, sondern nur „falsch geschaltet“ oder möchte einfach nur „davonkommen“.

Die Rechtsprechung zum Kausalitätsgegenbeweis schwankt je nach Gerichtsbezirk sehr zwischen Verbraucherfreundlichkeit (z. B. LG Karlsruhe, Urteil vom 13.04.2017, Az. 20 S 101/16; AG Hamm, Urteil vom 26.03.2014, Az. 17 C 305/13) und Versicherungsfreundlichkeit (z. B. OLG Naumburg, Urteil vom 21.06.2012, Az. 4 U 85/11; bei sogar fehlender Strafbarkeit für den Regress: OLG Stuttgart, Urteil vom 16.10.2014, Az. 7 U 121/14).

Insgesamt ist in Fällen der Unfallflucht so früh wie möglich ein Strafverteidiger mit verkehrsrechtlichen Kenntnissen einzuschalten. Nur ein solcher hat im Blick, wie das Einlassungsverhalten gegenüber Staatsanwaltschaft und Gericht einerseits sowie andererseits gegenüber der eigenen Kfz-Haftpflicht ist. Denn bereits in den ersten Tagen und Wochen des Ermittlungsverfahrens steht der Beschuldigte vor dem Spagat, mit den Strafverfolgungsbehörden erstmal nicht reden zu sollen/wollen, aber mit der eigenen Versicherung reden zu müssen. Bei der Versicherung wiederum können StA und Gericht die Versicherungsakten samt Einlassungen zum Unfall beschlagnahmen. Solche Fälle gehören nicht in die Hand irgendeines Laien oder irgendeines Anwaltes. 

Wer eine Verkehrsrechtsschutzversicherung hat, erhält in der Regel Versicherungsschutz für das Straf-/Bußgeldverfahren und auch das Zivilverfahren zur Abwehr der Regressansprüche des eigenen Kfz-Haftpflichtversicherers. Verkehrsanwalt Heiko Urbanzyk wird in diesen Fällen bundesweit für Sie tätig.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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