Unfallversicherung: Vorinvalidität bei Brillenträger

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Aufgrund eines Unfalls nahm der Kläger seine Unfallversicherung wegen Eintritts der Invalidität in Anspruch. Denn seine mitversicherte Ehefrau musste sich aufgrund eines Treppenstutzes in stationäre Behandlung begeben. Der Kläger behauptete, dass seine Frau aufgrund des Sturzes eine Orbitafraktur (Bruch des Bodens der Augenhöhle) mit Orbitaeinblutung erlitten und die Sehkraft auf dem linken Auge vollständig verloren habe. Im Zeitpunkt des Unfalls nahm diese das Medikament Marcumar, zudem trug sie eine Gleitsichtbrille sowie ein Kunstlinsenimplantat im linken Auge. Der letzte notierte Visus beträgt 0,8. Der Verlust der Sehkraft habe zu einem Invaliditätsgrad in Höhe von 50 % geführt.

Die Beklagte Versicherung nahm eine Vollinvalidität von 16 % an und errechnete eine unfallbedingte Invalidität in Höhe von 31 % unter Berücksichtigung. der Progression von 49 %. Der Kläger hält die Klausel für Vollinvalidität zur Vorinvalidität für unwirksam und begehrte eine Invaliditätsleistung aufgrund der Progression von 50 % auf 125 % und zudem stehe der Klägerseite ein Anspruch auf Rentenzahlung zu, da der Invaliditätsgrad 50 % betrage. 

Es kam zu einem Klageverfahren vor dem Landgericht Köln (26 O 340/16), welches durch Urteil vom 25.11.2020 endete. Das Gericht gab der Klage zum Teil statt und erkannte einen Anspruch auf Invaliditätsleistung unter Berücksichtigung einer Invalidität von 50 % abzüglich 7 % Vollinvalidität zu, die sich aufgrund der Progression auf 97 % erhöhte. Einen weiteren Anspruch erkannte das Gericht nicht zu.

Der Kläger hatte im Klageverfahren bewiesen, dass die versicherte Person aufgrund des Unfalls auf dem linken Auge vollständig erblindet war. Denn der Sachverständige hatte dies zur Überzeugung des Gerichts mit einem Gutachten und in der mündlichen Verhandlung überzeugend, plausibel und nachvollziehbar dargestellt. Teilweise Lichtscheinwahrnehmungen des linken Auges seien unerheblich und nicht zu berücksichtigen.

Jedoch nahm der Sachverständige an, dass ein Brillenabschlag von 3 % und ein Abschlag für das Kunstlinsenimplantat von 4 % zu berücksichtigen sei.

Das Gericht nahm an, dass die vom Kläger bemängelte Klausel wirksam sei, da sie unstreitig in den Vertrag einbezogen wurde und sie nicht unklar im Sinne des § 315 c Abs. 2 BGB sei. Richtig sei zwar, dass der Begriff der „Vollinvalidität“ in den Versicherungsbedingungen nicht ausdrücklich legal definiert sei. Hier bestehe jedoch keine Notwendigkeit, da die nur aus zwei kurzen Sätzen bestehende Ziffer regelt, dass soweit ein Körperteil oder Sinnesorgan bereits vor dem Unfall dauernd beeinträchtigt war, der Invaliditätsgrad um die Vollinvalidität gemindert wird. Insofern ist für jeden vernünftigen Verbraucher klar, dass es sich bei der Beeinträchtigung eines Körperteils oder Sinnesorgan schon vor dem Unfall um die sogenannte Vollinvalidität handeln muss. Dem verständigen und durchschnittlichen Versicherungsnehmer wird somit hinreichend verdeutlicht, dass eine eventuell bestehende Vorschädigung (Vollinvalidität) nach denselben Grundsätzen wie eine unfallbedingte Invalidität bemessen wird. Eine unangemessene Benachteiligung des Klägers aufgrund dieser Klausel besteht nicht.

Die Vorinvalidität in Höhe von 3 % aufgrund des sogenannten Brillenabschlags ist angemessen. Denn bei der Beurteilung der Gebrauchsfähigkeit eines Auges ist der durch eine Brille korrigierten Sehkraft auszugehen. Hiervon ist jedoch ein Abschlag für diejenige Minderung der Gebrauchsfähigkeit zu machen, die sich aus der Notwendigkeit des Tragens der Brille und dem damit verbunden generell verbundenen Belastungen ergibt.

Die Vorinvalidität von 4 % für die Kunstlinse war insoweit zu berücksichtigen, da diese das alterstypischen Maß überschritt.

Die Einnahme von Marcumar war nicht zu berücksichtigen da nicht bewiesen werden konnte, dass die Einnahme des Medikaments für die Entstehung oder die Folgen der Verletzung ursächlich war.

Ein Anspruch auf eine Rentenzahlung bestand nicht, da der Invailiditätsgrad von 50 % nicht erreicht wurde, wobei eine etwaige Progression außer acht zu lassen war. Wegen der mindernden Vorinvalidität der versicherten Person betrug die Invalidität nur 43 %.

Sollten Sie Ansprüche gegen Ihre Unfallversicherung geltend machen wollen und/oder sollten Leistungen abgelehnt worden sein, beraten wir Sie gern.



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