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Ungewollte Selbstbelastung durch Vernehmung und Aussage

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Unterschrift im Vernehmungsprotokoll riskant

Der aufgeklärte Bürger weiß, dass man nur unterschreiben soll, was man auch wirklich versteht und dem eigenen Willen entspricht. Nicht ohne Grund setzt etwa der Abschluss von Verträgen eine gewisse Verstandesreife und in der Regel Volljährigkeit voraus.

Welche Gefahr aber birgt die Unterschrift eines Beschuldigten im Vernehmungsprotokoll nach seiner Aussage?

1. Ausgangslage

Um eine (etwaige) Straftat aufklären zu können, spielt die Befragung von (verdächtigen und unverdächtigen) Personen bei der Ermittlungsarbeit eine große Rolle. Durch Vernehmung von Zeugen sollen deren Wahrnehmungen überprüft werden. Die Vernehmung des Tatverdächtigen hat meist zum Ziel, diesen nach Konfrontation mit Beweismitteln gegebenenfalls zu einem Geständnis zu bewegen oder Widersprüche zu erzeugen, die sein Bestreiten der Tat unglaubhaft erscheinen lassen.

2. Vernehmungssituation:

Die meisten dieser Vernehmungen im Ermittlungsverfahren werden von der Polizei durchgeführt, dies ohne Anwesenheit des Richters, welcher später über die Sache zu entscheiden hat. Für einen durchschnittlichen Bürger, erst recht in der Rolle eines Beschuldigten, bedeutet die Vernehmung stets Stress und Überforderung. Ihm fehlt jegliche Übung im Umgang mit Polizei und Justiz. Oft bestehen sprachliche Unzulänglichkeiten. Häufig ist im Stadium der Vernehmung die Täterschaft des Beschuldigten nicht erwiesen. Die genauen Tatumstände sind unklar. Vielleicht handelt es sich beim Beschuldigten gar nicht um den „richtigen“ Täter. Oder es existiert gar keine Straftat, sondern nur eine wahrheitswidrige Anschuldigung.

Es scheint fast unmöglich, die richtigen Worte zu finden und die eigene Position inhaltlich exakt und vollständig wiederzugeben. Die Gefahr von Missverständnissen und Widersprüchen ist daher groß. Selten wird ein vollständiges Wortprotokoll gefertigt. Eine Video- oder Tonaufzeichnung findet – anders als im TV-Krimi – selten statt. Stattdessen wird das „Gesagte“ vom Vernehmungsbeamten „gefiltert“ und nur das aus dessen Sicht vermeintlich Wichtige mit dessen Worten niedergeschrieben. Sodann wird dieses „Ermittlerprotokoll“ dem Beschuldigten zum Lesen, Korrigieren und Unterschreiben vorgelegt. Wird ein solches Protokoll unterschrieben, entsteht eine gewisse Bindungswirkung, von der man sich später nicht immer befreien kann.

Doch was gilt, wenn unter dem Druck der Vernehmung wichtige Informationen „schlicht vergessen“ oder einfach nicht protokolliert wurden? Oder wenn wichtige Fragen (zu entlastenden Umständen) an den Beschuldigte nicht gestellt wurden? Wie verhält es sich also, wenn die Angaben im Protokoll objektiv unvollständig oder fehlerhaft sind?

Wenn der Beschuldigte Monate später vor Gericht eine vollständige und richtige, aber von seiner protokollierten früheren Aussage abweichende Einlassung hervorbringt, wird ihm oftmals nicht geglaubt und ihm seine meist im Vernehmungsprotokoll vorzufindende Unterschrift vorgehalten. Die Wahrheitsfindung und die Verteidigung des Beschuldigten sind hierdurch beeinträchtigt.

3. Ausweg:

Idealerweise holt der Beschuldigte vor der Vernehmung anwaltlichen Rat ein. Der Beschuldigte darf sich in jeder Lage des Verfahrens eines Verteidigers bedienen. Dieser kann Akteneinsicht nehmen und nach Prüfung der Beweislage Stellung nehmen. Hierdurch muss der Beschuldigte selbst gar keine Angaben machen. Er darf schweigen, ohne dass ihm hieraus ein Nachteil droht.

Wer sich entschließt, in einer polizeilichen Vernehmung Angaben zur Sache zu machen, sollte das Protokoll vor Unterzeichnung sehr genau lesen und auf Vollständigkeit und Richtigkeit hin prüfen. Im Zweifel darf die Unterschrift verweigert werden. Das Gesetz kennt keine Mitwirkungspflicht des Beschuldigten hinsichtlich seiner Unterschrift.

von Rechtsanwalt Martin Doss, Fachanwalt für Strafrecht, Weiden


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