Ungute Erbschaft: Ruine mit Abbruchverfügung

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Erbe zu werden ist nicht immer schön und kann Albträume wahr werden lassen:


Die Ruine


Bei einem verwickelten Erbfall (Tod eines Grundstückskäufers) schlugen – fast – alle Erben das Erbe aus. Übrig blieb eine Erbin des Grundstückskäufers, die die Ausschlagungsfrist aus unbekannten Gründen hatte verstreichen lassen.

Das geerbte Grundstück war mit einem Haus bebaut – besser gesagt mit einer baufälligen Ruine. Noch bevor die Erbin den Nachlassgegenstand hätte in Augenschein nehmen, geschweige denn sich um ihn hätte kümmern können, hatte die Gemeinde bereits eine Ordnungsverfügung erlassen mit umfangreichem und ungutem Inhalt:

Der Erbin wurde aufgegeben, binnen zwei Monaten das Wohngebäude größtenteils zurückzubauen, teilweise abzubrechen und Entsorgungsnachweise vorzulegen. Sollte die Frist verstreichen, wurde eine Ersatzvornahme seitens der Gemeinde angedroht, die ca. 157.000 € kosten sollte. Zudem wurde der sofortige Vollzug der Verfügung angeordnet.

Die entsetzte Erbin zog schließlich vor das Oberverwaltungsgericht Magdeburg – mit Erfolg.


Die Überschneidungen zwischen Erbrecht und Polizeirecht


An dieser Stelle ist zu erkennen, welch unschöne Schnittstellen es geben kann zwischen dem – privatrechtlichen - Erbrecht und dem – öffentlich-rechtlichen - Verwaltungsrecht, hier dem Polizei- und Ordnungsrecht.


Der polizeirechtliche Störer


Im Öffentlichen Recht kann die Öffentliche Verwaltung Privatpersonen Verpflichtungen auferlegen, z.B. den Abbruch eines baufälligen Hauses, und Zwangsmaßnahmen androhen, z.B. die Ersatzvornahme des Abbruchs, wenn entweder von der Person oder von einer Sache, die der Person gehört, eine Störung ausgeht für die Öffentliche Sicherheit oder Ordnung. Ist das Verhalten einer Person Stein des Anstoßes, z.B. Vandalismus, dann spricht man von einem Handlungsstörer. Ist der Zustand einer Sache Stein des Anstoßes, z.B. ein einsturzgefährdetes Gebäude, dann spricht von einem Zustandsstörer. Beide Störer versetzen die Öffentliche Verwaltung in die Lage, polizeiliche bzw. ordnungsrechtliche Maßnahmen zu treffen.

Aber: Dann muss die Verwaltung auch sauber prüfen, was nach dem Öffentlichen Recht erlaubt ist, und darf dies nicht unzulässig mit dem Privatrecht vermischen.


Dies war hier nicht der Fall:

Die Gemeinde hatte, grob verkürzt dargestellt, argumentiert, die Erbin sei nach dem Zivilrecht als Besitzerin des Grundstücks anzusehen. Da sie zivilrechtlich den Besitz am Grundstück innehatte, sei sie auch verwaltungs- bzw. ordnungsrechtlich als verantwortliche Zustandsstörerin anzusehen und könne als solche für Zwangsmaßnahmen herangezogen werden.

Das OVG Magdeburg hielt diese Argumentation für falsch.


Der erbrechtliche Besitzer


An dieser Stelle ist ein kleiner Exkurs nötig, der die – privatrechtliche – Bedeutung des  „Besitzes“ betrifft:

Der Besitz einer Sache ist die tatsächliche Sachherrschaft (an dieser Sache), getragen vom Herrschaftswillen. Der Besitzer einer Sache muss diese also tatsächlich be-sitzen können und dies auch wollen.

Das Privatrecht konstruiert darüber hinaus einen sogenannten (rechtlichen bzw. abstrakten) Erbenbesitz. Danach geht der Besitz des Erblasser an einer Sache nach seinem Tod auf den Erben über – und zwar selbst dann, wenn der Erbe entweder noch nicht feststeht oder er noch gar keinen Zugriff auf den Nachlass hat, die Sache also tatsächlich (noch) gar nicht be-sitzen kann. Mit dieser Konstruktion des rechtlichen Erbenbesitzes soll verhindert werden, dass die Nachlassgegenstände herrenlos werden.


Und wann ein erbrechtlicher Besitzer ein polizeirechtlicher Störer sein kann


Das OVG Magdeburg befand, dass ein abstrakter (zivil-) rechtlicher Erbenbesitz nicht ohne weiteres zur (öffentlich-rechtlichen) Eigenschaft eines Zustandsstörers führe:

Der Grundstückseigentümer sei für den polizeirechtlichen Zustand der Sache nur dann verantwortlich, wenn er nicht nur die rechtliche, sondern auch die tatsächliche Gewalt über die Sache habe. Die tatsächliche Gewalt setze eine gewisse Dauer der Beziehung, eine räumliche Zugänglichkeit und die Möglichkeit voraus, jederzeit und beliebig auf die Sache einzuwirken. Dies sei nach dem Einzelfall zu beurteilen.

(OVG Magdeburg, Beschluss v. 18.09.2023, Az. 2 M 86/23; BeckRS 2023, 25135, NJW-Spezial 2023, 712).


Der Bescheid der Gemeinde wurde also aufgehoben, sehr zur Erleichterung der Erbin.


Fazit:

Wer eine Ruine erbt, sollte sich zwar zügig um den Zustand des Gebäudes kümmern, muss aber nicht zwangsläufig schlaflose Nächte durchstehen.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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