Unterhaltstitel ändern - außergerichtlich oder mit Abänderungsklage?

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Ein Unterhaltstitel beinhaltet, dass eine Unterhaltsforderung rechtsverbindlich festgestellt wurde. Dennoch ist diese Forderung nicht in Stein gemeißelt. Ändern sich die Einkommensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen oder des Unterhaltsberechtigten, kann eine Anpassung des Unterhaltstitels in Betracht gezogen werden. Ist eine außergerichtliche Anpassung im gegenseitigen Einvernehmen nicht möglich, bleibt in letzter Konsequenz die Abänderungsklage. Vermeintliche Einkommensverbesserungen oder Einkommensverschlechterungen sollten aber nur auf der Grundlage einer (neuen) Unterhaltsberechnung vorgetragen werden.

Was ist ein Unterhaltstitel, woher kommt er?

Ein Unterhaltstitel ist die rechtsverbindliche Feststellung, dass ein Unterhaltsanspruch besteht. Wurde der Unterhalt gerichtlich entschieden, stellt der gerichtliche Beschluss einen Unterhaltstitel dar, genauso, wenn

  • der Unterhaltspflichtige die Unterhaltspflicht in einer Scheidungsfolgenvereinbarung notariell beurkundet
  • oder im Unterhaltsprozess vergleichsweise gerichtlich protokolliert hat.
  • Beim Kindesunterhalt kommt als Unterhaltstitel die Jugendamtsurkunde in Betracht.

Ein Unterhaltstitel ist Grundlage für eine eventuelle Zwangsvollstreckung, wenn der Unterhaltspflichtige den im Unterhaltstitel festgestellten Unterhalt nicht freiwillig bezahlt.

Kann man den Unterhaltstitel außergerichtlich ändern?

Sofern Sie den im Unterhaltstitel festgestellten Unterhaltsanspruch nach oben oder nach unten anpassen möchten, sollten Sie in einem ersten Schritt versuchen, sich im gegenseitigen Einvernehmen untereinander zu verständigen. Eine außergerichtliche Anpassung ist allemal besser als eine gerichtliche, nicht immer kalkulierbare Auseinandersetzung.

Der Anlass für eine Änderung ist meist, dass sich die Einkommensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen verändert haben. Eine Veränderung kann in einer Verbesserung, aber auch einer Verschlechterung des Einkommens bestehen. Der Unterhaltspflichtige wird daran interessiert sein, dass sein vermindertes Einkommen bei der Unterhaltsbemessung berücksichtigt wird, während der Unterhaltsberechtigte interessiert ist, an einer Einkommensverbesserung des Unterhaltspflichtigen teilzuhaben.

Genauso können sich auch die Einkommensverhältnisse des Unterhaltsberechtigten verändert haben. Erzielt der Unterhaltsberechtigte nach der Unterhaltsfestsetzung ein höheres Einkommen, wäre dieses auf den Unterhaltsanspruch anzurechnen. Will der Unterhaltsberechtigte die Anrechnung nicht akzeptieren, kann sich der Unterhaltspflichtige veranlasst sehen, seine Unterhaltspflicht im Wege einer Abänderungsklage anzupassen.

Praxistipp: Nichts fordern oder ablehnen ohne neue Unterhaltsberechnung

Beide Parteien sind nicht gehindert, den Unterhalt trotz eines bestehenden Titels neu berechnen zu lassen. Nach dem Ergebnis dieser Berechnung kann der Unterhalt neu verhandelt und angepasst werden. Keine gute Strategie wäre es, den Unterhalt ohne eine vorhergehende Berechnung neu verhandeln zu wollen und als Grund für die gewünschte Anpassung ein vermeintlich oder angeblich verändertes Einkommen in den Raum zu stellen. Eine bessere Strategie ist es auf jeden Fall, konkret vorzutragen, warum eine Anpassung des Unterhalts notwendig oder gerechtfertigt erscheint. Zu diesem Zweck muss das unterhaltsrelevante Einkommen feststehen. Sie bewegen sich damit argumentationsmäßig auf einem wesentlich höheren Niveau, als wenn Sie ins Blaue hinein etwas fordern oder ablehnen.

Als Unterhaltsberechtigter vor Unterhaltsanpassung Auskunft verlangen

Wünscht eine Partei eine Unterhaltsanpassung, empfiehlt sich im Vorfeld, die andere Partei zur Auskunft über ihre Einkommensverhältnisse aufzufordern. So sind Verwandte in gerader Linie (Eltern - Kind) und getrenntlebende oder geschiedene Ehepartner verpflichtet, über ihre Einkünfte und ihr Vermögen Auskunft zu erteilen, soweit dies zur Feststellung eines Unterhaltsanspruchs oder einer Unterhaltsverpflichtung erforderlich ist. Über die Höhe der Einkünfte sind auf Verlangen Belege, insbesondere Gehaltsbescheinigungen des Arbeitgebers, vorzulegen.

Vor Ablauf von zwei Jahren kann die Auskunft erneut eingefordert werden, wenn glaubhaft gemacht wird, dass der Auskunftspflichtige später wesentlich höhere Einkünfte oder weiteres Vermögen erworben hat (§ 1604 BGB). Nach Maßgabe dieser neuen Auskunft können die Verhandlungen geführt oder die Abänderungsklage begründet werden.

Abänderung einer gerichtlichen Entscheidung

Geht es um die Abänderung einer gerichtlichen Entscheidung, kann die Abänderung nur auf solche Gründe gestützt werden, die nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung des vorausgegangenen Verfahrens entstanden sind und die der Abänderungswillige auch durch Einspruch nicht geltend machen konnte. Dabei darf das Gericht des Abänderungsverfahrens nicht nach freiem Ermessen über eine Anpassung entscheiden. Vielmehr hat es zu berücksichtigen und anzuerkennen, was das Gericht im Vorverfahren geurteilt hatte.

Beispiel

War das Gericht im Ausgangsverfahren der Auffassung, dass die von der Ehefrau ausgeübte Erwerbstätigkeit für die Begründung ihres nachehelichen Unterhaltsanspruchs ausreichend sei, obwohl die Frau aufgrund ihrer Ausbildung auch eine qualifizierte Tätigkeit hätte ausüben können, kann der Unterhaltspflichtige im Abänderungsverfahren ohne wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse nicht mehr einwenden, die Frau erleide bei Aufnahme einer ihrer Ausbildung entsprechenden Erwerbstätigkeit keinen ehebedingten Nachteil und der Unterhaltsanspruch müsse daher entfallen (BGH FamRZ 2010, 538).

Gegenbeispiel

Hatte das Gericht im vorausgegangenen Verfahren eine verfestigte Lebensgemeinschaft des Unterhaltsberechtigten verneint und den nachehelichen Unterhaltsanspruch zuerkannt, kann im Abänderungsverfahren geltend gemacht werden, dass aufgrund neuer Umstände nunmehr der Rückschluss auf die Verfestigung der Lebensgemeinschaft gerechtfertigt sei (BGH FamRZ 2011, 1855).

Die Anpassung kommt im Abänderungsverfahren nur in Betracht, wenn sich die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse wesentlich verändert haben. Im Verfahren sind daher immer die Verhältnisse darzulegen, die der Entscheidung im Ausgangsverfahren zugrunde lagen sowie die eingetretenen Änderungen, die das Abänderungsverfahren rechtfertigen. Die Rechtsprechung stellt dazu auf einen Richtwert von 10 % fest.

Der Richtwert von 10 % darf aber nicht schematisch angewandt werden, maßgebend ist vielmehr eine Gesamtschau aller Umstände. Je schwieriger die wirtschaftlichen Verhältnisse sind, desto wesentlicher sind die Auswirkungen von Änderungen, auch wenn diese im Verhältnis zum bisherigen Titel weniger als 10 % ausmachen. Diese Wesentlichkeitsschwelle ist flexibel zu handhaben und kann bei engen finanziellen Verhältnissen auch deutlich unter 10 % liegen (BGH FamRZ 1992, 1621). Grundsätzlich wird das Bestandsinteresse höher bewertet als das Interesse, einen bestehenden Unterhaltstitel abzuändern.

Abänderung von Vergleichen und Urkunden

Die Abänderung betrifft vollstreckbare Urkunden, die von einem Notar beispielsweise aus Anlass einer Scheidungsfolgenvereinbarung oder einem Konsularbeamten beurkundet wurden. Darin muss sich der Unterhaltspflichtige ausdrücklich der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein Vermögen unterworfen haben. Beim Kindesunterhalt geht es meist um die Jugendamtsurkunde, in der der unterhaltspflichtige Elternteil seine Unterhaltspflicht anerkannt hat. In Betracht kommen Vergleiche beim Notar oder einem Gericht, aus denen gleichfalls die Zwangsvollstreckung betrieben werden kann.

Abänderung von Jugendamtsurkunden

Will der Unterhaltspflichtige den in der Jugendamtsurkunde anerkannten Unterhalt herabsetzen lassen, kann er nicht einfach einseitig mit einer neuen Urkunde beim Jugendamt einen geringeren Unterhaltsbetrag errichten. Vielmehr muss er mit der Abänderungsanklage gegen die bestehende Jugendamtsurkunde vorgehen. Dazu muss er vortragen, dass die bisherige Unterhaltsleistung wegen Änderung seiner Verhältnisse unzumutbar geworden ist und darlegen, welche Verhältnisse seiner ursprünglichen Verpflichtung zugrunde lagen.

Kind wird volljährig

Meist beruht der Abänderungswunsch darauf, dass das unterhaltsberechtigte minderjährige Kind volljährig geworden ist. Soweit ein Titel besteht, wird der Titel mit Eintritt in die Volljährigkeit nicht automatisch unwirksam. Aus Sicht des unterhaltspflichtigen Elternteils reicht es aber aus, dass das Kind volljährig wurde. Er braucht nur den Eintritt der Volljährigkeit darzulegen.

Demgegenüber muss das volljährige Kind darlegen, dass sein Unterhaltsanspruch fortbesteht, weil es sich beispielsweise weiterhin in der Ausbildung befindet und keine eigenen Einkünfte hat. Auch die auf seine Elternteile entfallenden Haftungsanteile sind darzulegen.

Abänderung bei dynamisiertem oder statischem Kindesunterhalt

Das Kind kann wählen, ob der Kindesunterhalt dynamisiert oder statisch tituliert wird. Insoweit kann der unterhaltspflichtige Elternteil nicht verlangen, dass ein dynamisierter Unterhaltstitel in einen statischen Titel abgeändert wird. Umgekehrt kann aber das minderjährige Kind verlangen, dass ein statisch titulierter Unterhalt in einen dynamisierten Unterhalt abgeändert wird.

Keine Abänderbarkeit bei vereinbartem Ausschluss

Haben die Parteien bei Abschluss eines Vergleichs vereinbart, dass der Vergleich keiner Abänderung unterliegt oder nur unter besonderen Bedingungen abänderbar sein soll, kommt eine Anpassungsmöglichkeit nur in Betracht, wenn diese im Vergleich ausdrücklich vereinbart ist (BGH FamRZ 2015, 734).

Beispiel

Haben die getrenntlebenden Eheleute notariell in einer Scheidungsfolgenvereinbarung vereinbart, dass der vereinbarte Ehegattenunterhalt für die Zeit des Getrenntlebens nicht abänderbar ist, kommt eine Anpassung an geänderte Verhältnisse nicht in Betracht.

Mit Abänderungsklage auch Einstellung der Zwangsvollstreckung beantragen

Beantragen Sie die Abänderung eines Titels, besteht immer noch das Risiko, dass aus dem Titel die Zwangsvollstreckung betrieben wird. Um dies zu vermeiden, empfiehlt sich, zugleich die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung zu beantragen.

Alles in allem

Ist der Unterhaltsanspruch tituliert, bedarf eine Anpassung an veränderte Verhältnisse der detaillierten Begründung. Um Verhandlungen über den Unterhalt konstruktiv zu führen, sollte der Unterhalt vorab neu berechnet werden. Nur eine professionelle Beratung und Neuberechnung des Unterhalts trägt dazu bei, Unterhaltsansprüche neu zu verhandeln oder eine Abänderungsklage sachgerecht zu begründen. Gerne sprechen Sie uns dafür in einer unverbindlichen Nachricht über das untenstehende Kontaktformular an.

Foto(s): iurFRIEND

Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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