Unzulässige Hinzuschätzung nach Betriebsprüfung

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  1. Hinzuschätzungen im Anschluss an Betriebsprüfungen…
     
    …wegen unvollständiger bzw. nicht ordnungsgemäßer Buchführung sind nach wie vor ein Dauerbrenner bzw. Dauerärgernis  in der steuerlichen Beratungspraxis. Nicht selten werden bereits geringfügige Ungereimtheiten oder das Fehlen nur einzelner Belege durch übereifrige Betriebsprüfer zum Anlass genommen, die Buchführung zu verwerfen und Hinzuschätzungen in teils grotesker Höhe vorzunehmen. Mag der Steuerpflichtige sich doch wehren, wenn er sich ungerecht behandelt fühlt.
  2. Entscheidungen des Bundesfinanzhofs aus den Jahren 2017 und 2018… 
     
    …lässt sich hierzu entnehmen, dass eine Schätzung sowohl schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig sein muss, was im Zweifel auch durch das Finanzamt nachzuweisen ist (BFH-Urteil vom 20.3.2017, X R 11/16 und vom 26.2.2018, X B 53/17); jedenfalls im Streitverfahren hat das Finanzamt die angewandte Schätzmethode und das hierauf basierende Ergebnis auch zu erläutern (BFH 14.12.2011 – XI R 5/10, BFH/NV 2012, 1921). Leider werden die in den vorgenannten Entscheidungen richterlich festgelegten Leitplanken im Besteuerungsverfahren durch die Finanzbeamten in erschreckender Regelmäßigkeit geflissentlich ignoriert.
     
    Immer wieder wird vor diesem Hintergrund nach erfolglosem  Einspruch ein aufgrund Schätzung nach Betriebsprüfung geänderter Bescheid zum Gegenstand eines Klageverfahrens beim Finanzgericht, bei denen sich vermeintliche „Sicherheitsaufschläge“ bei Lichte betrachtet als – selbstverständlich unzulässige – Strafzuschläge für die vermeintliche Nichtbeachtung der Buchführungs- bzw. Aufzeichnungspflichten durch den Steuerpflichtigen herausstellen.
  3. Mit einem besonders überbeflissenen Betriebsprüfer… 
     
     …bekam es das Finanzgericht Münster in seiner Entscheidung vom 18. Mai 2022 zu tun (FG Münster, 10 K 261/17 K,U). Dort hatte die Betriebsprüfung Aufzeichnungsmängel in Bezug auf eine offene Ladenkasse bei einer GmbH bemängelt. Der alleinige Gesellschafter versuchte dies dahingehend aufzuklären, dass er entsprechende Einlagen in die Kasse aus seinem Privatvermögen vorgenommen hatte. Die Betriebsprüfung wertete daraufhin die Privatkonten des Gesellschafters aus und stellte aufgrund einer sog. „Bargeldverkehrsrechnung“ Fehlbeträge fest. Das Finanzamt behandelte diese Fehlbeträge im Rahmen seiner Hinzuschätzung dann als Mehreinnahmen der klagenden GmbH und zugleich als verdeckte Gewinnausschüttungen an den Alleingesellschafter. 
  4. Dem hat das FG Münster mit der o.g. Entscheidung einen Riegel vorgeschoben. 
     
    Allein der Umstand, dass auf Ebene des Gesellschafters Vermögenszuwächse nicht nachvollziehbar seien, rechtfertige noch lange nicht die Vermutung, dass diese dem Gesellschafter aufgrund einer verdeckten Gewinnausschüttung durch die GmbH zugeführt wurden.  Insofern komme eine Hinzuschätzung bei der GmbH allein wegen unklarer Mittelherkunft bei ihrem Gesellschafter nicht in Betracht.
     
    Der Fall des FG Münster veranschaulicht nochmals deutlich, dass es sich durchaus lohnen kann, Hinzuschätzungen durch die Betriebsprüfung nicht unbeanstandet hinzunehmen. Selbst wenn eine Hinzuschätzung wegen formeller und/oder materieller Mängel der Buchführung/Aufzeichnungen dem Grunde nach in Betracht kommt, so wird doch das Ausmaß der Hinzuschätzung nach unserer Erfahrung in der Regel durch das Finanzgericht teils deutlich nach unten korrigiert.

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