Unzulässige Verdachtsberichterstattung: Hintergrund und Gegenmaßnahmen

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Strafverfahren wecken häufig das Interesse der Medien. Berichte über den Beschuldigten, der gerade eine Hausdurchsuchung über sich ergehen lassen musste oder festgenommen wurde, gipfeln schließlich in oft reißerischen Meldungen über das Hauptverfahren, ggf. garniert mit Äußerungen des Angeklagten oder seines Verteidigers, ebenjene nicht selten aus dem Kontext gerissen und in Szene gesetzt durch oberlehrerhafte Interpretationen des Journalisten. Während formal die Unschuldsvermutung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens fortgilt, entsteht in der Berichterstattung häufig der Eindruck, der Betroffene sei der Tat längst überführt, die Hauptverhandlung diene lediglich seiner öffentlichen Ächtung und die Argumente seines Verteidigers seien – schlimmstenfalls – bewusste Provokation, Schläge in das Gesicht des vermeintlichen Opfers der Straftat, oder – bestenfalls – Ausdruck der Unfähigkeit oder Überforderung des bemitleidenswerten Rechtsanwalts, der dem Delinquenten zur Seite stehen muss.

Wer allzu persönliche Angriffe still hinnimmt, der kann in Zeiten des Internet nicht mehr damit rechnen, dass das Strohfeuer medialer Entrüstung nach dem Urteil abgebrannt und schnell vergessen ist: Eine Google-Suche nach dem eigenen Namen befördert den Tatvorwurf und das Geschehen im Strafverfahren noch nach vielen Jahren zutage – dies selbst dann, wenn das Verfahren mit einer Einstellung oder einem Freispruch endete. Hiergegen darf und sollte man sich zur Wehr setzen. In diesem Beitrag erklärt Rechtsanwalt Maik Bunzel aus Cottbus, welche Grenzen der sogenannten Verdachtsberichterstattung gesetzt sind und wie man dafür sorgt, dass diese Grenzen eingehalten werden.

Rechtlicher Rahmen

Zur Aufgabe der Medien gehört es, der Öffentlichkeit das Zeitgeschehen nahezubringen und damit die öffentliche Meinungsbildung zu befördern. Auch Straftaten gehören zum Zeitgeschehen. Die Berichterstattung über Straftaten und deren Ahndung ist deshalb vom Grundrecht der Pressefreiheit erfasst. Es liegt in der Natur der Sache, dass mit derartigen Berichten auch nicht zugewartet werden muss, bis ein Strafverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist. Der vermeintliche Täter einer Straftat gerät damit zwangsläufig in den Fokus, noch bevor der Tatvorwurf nach den Regeln des Verfahrensrechts nachgewiesen oder ausgeräumt ist. Der Pressefreiheit gegenüber steht jedoch das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen. Je ausführlicher über eine Straftat und den vermeintlichen Täter berichtet wird und je deutlicher die Person des Täters dabei zu erkennen ist, umso schwerer wiegt der Schaden, den das Ansehen und der Ruf dieser Person infolge der Berichterstattung nehmen können. Die Rechtsprechung hat deshalb strenge Anforderungen für die sogenannte erlaubte Verdachtsberichterstattung formuliert:

  • Die Straftat muss die Interessen der Öffentlichkeit berühren. Der Name des Betroffenen darf nur genannt und sein Gesicht darf nur gezeigt werden, wenn er durch eine besonders schwerwiegende Straftat das öffentliche Interesse gerade auch an seiner Person geweckt hat oder wenn er ohnehin in der Medienöffentlichkeit steht.
  • Der Berichterstattung müssen sorgfältige Recherchen vorangegangen sein.
  • Es müssen Beweistatsachen für den Wahrheitsgehalt der veröffentlichten Informationen vorliegen.
  • Dem Betroffenen muss die Möglichkeit eingeräumt worden sein, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen.

  • Die Berichterstattung darf nicht zur Vorverurteilung werden. Reißerische, sensationsheischende Berichte, bewusst falsche, verfälschte oder einseitige Darstellungen sind unzulässig. Die Argumente der Verteidigung des Betroffenen müssen berücksichtigt und in die Berichterstattung einbezogen werden.

Gegenmaßnahmen

Stoßen Sie bei der Internetrecherche auf Berichte über Ihre Person, die diesen Anforderungen nicht genügen, sollten Sie sich an einen Anwalt wenden. Dieser wird den Verantwortlichen auf den Rechtsverstoß hinweisen. Weil bereits der einmalige Verstoß gegen das Allgemeine Persönlichkeitsrecht eine Wiederholungsgefahr begründet, können Sie vom Verantwortlichen die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung fordern. Im Klartext: Sie erhalten von ihm eine verbindliche Erklärung, wonach er Ihnen einen Geldbetrag zu zahlen hat, sollte er die beanstandete Behauptung nochmals verbreiten.

Die Kosten für eine solche Abmahnung – also insbesondere die Anwaltskosten – muss der Verantwortliche übernehmen. Reagiert er auf die Abmahnung nicht, kann vor dem Landgericht eine einstweilige Verfügung beantragt werden. Der Vorteil bei Veröffentlichungen im Internet: Da der Bericht überall abrufbar ist, kann das örtlich zuständige Gericht frei gewählt werden – die Gegenseite muss also nicht an ihrem Geschäftssitz zur Verantwortung gezogen werden, wie es sonst meist erforderlich ist. Erkennt die Gegenseite die einstweilige Verfügung nicht als endgültige Regelung an, kann der Unterlassungsanspruch im Klagewege weiterverfolgt werden. Die Zuständigkeit des Gerichts ändert sich hierbei nicht.

Ein Wehrmutstropfen: Kann der Verantwortliche nicht erreicht werden – etwa deshalb, weil er kein ordnungsgemäßes Impressum verwendet – lässt sich der Bericht zumindest oft unkompliziert aus den Suchergebnissen der großen Suchmaschinen entfernen. Der Bericht ist dann zwar nicht gelöscht, wird aber durch Freunde, Bekannte und Arbeitgeber nicht mehr ohne Weiteres gefunden. Hierzu muss Kontakt zu den Betreibern der Suchmaschinen aufgenommen werden. Auch hierbei kann Sie ein Anwalt effektiv unterstützen. Insoweit müssen Sie jedoch die Anwaltskosten selbst tragen.

Es empfiehlt sich deshalb, persönlichkeitsrechtlich unzulässige Berichte im Internet frühzeitig „an der Quelle anzugreifen“: Dubiose Internetangebote ohne erkennbaren Verantwortlichen neigen dazu, reißerische Medienberichte zu spiegeln und auch dann nicht zu löschen, wenn der Ausgangsbericht längst – zum Beispiel nach einer Abmahnung – entfernt wurde. Tipp: Richten Sie sich einen Google-Suchauftrag ein, der Sie per RSS-Feed oder E-Mail darüber informiert, wenn es neue Google-Treffer zu Ihrem Namen gibt. So können Sie bei Bedarf unverzüglich aktiv werden.

Rechtsanwalt Maik Bunzel, Cottbus


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