Dieselskandal: Wann droht Verjährung meiner Ansprüche?

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Die Frage nach der Verjährung der eigenen Ansprüche treibt viele Fahrzeughalter um. Wir haben diese Frage bereits in dem Artikel https://www.anwalt.de/rechtstipps/dieselskandal-wann-verjaehren-meine-ansprueche_138190.html beleuchtet. Da sich die Situation für verschiedene Fabrikate und Modelle ganz unterschiedlich darstellt und viele fragwürdige Meinungen zirkulieren, wollen wir hier ein Update zu dem Thema geben. Auch Halter von Fahrzeugen mit EA189-Motor haben noch Chancen auf eine Klage!

1. Vorbemerkung

Hier betrachtet werden die wichtigsten Ansprüche betroffener Fahrzeughalter, sogenannte deliktische Ansprüche nach § 826 BGB wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung durch den Fahrzeug-/bzw. Motorhersteller. Andere Ansprüche (bspw. Gewährleistung) bleiben außen vor, um den Rahmen dieses Rechtstipps nicht zu sprengen. 

Zudem können nachfolgende Ausführungen keine Einzelfallprüfung ersetzen. Wir stehen Ihnen gerne für eine kostenfreie Ersteinschätzung zur Verfügung.

Derartige deliktische Ansprüche nach § 826 BGB wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung verjähren binnen drei Jahren. Die Frist beginnt mit Ablauf des Jahres, in dem der Betroffene (Geschädigte) Kenntnis von allen anspruchsbegründenden Tatsachen hat oder hätte haben müssen.

2. EA189-Motor von Volkswagen

a) Gute Nachricht für Halter von Fahrzeugen mit EA189-Motor 

Die wichtigste Aussage vorab: Auch Halter von Fahrzeugen mit EA189-Motor haben Stand heute (14.02.2019) noch gute Chancen, ihre Ansprüche gegen den Hersteller geltend zu machen. Es gibt sehr gute Argumente, weshalb die Ansprüche noch nicht verjährt sind.

b) Hintergrund der Verjährungsdebatte

Der „Dieselskandal“ begann 2015 mit dem EA189-Motor von Volkswagen, der in Millionen von Fahrzeugen (Volkswagen, Audi, Seat, Skoda) verbaut ist. Die Betroffenheit kann seit 2016 auf den Herstellerseiten geprüft werden. Hierzu wird die Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN) in ein Formular eingetragen und es erfolgt ein Abgleich mit der Herstellerdatenbank („FIN-Check“). 

c) Argument für eine Verjährung

Vielfach war und ist zu lesen, dass Ansprüche von Haltern von Fahrzeugen mit EA189-Motor mit Ablauf des Jahres 2018 verjähren/verjährt seien. Die Vertreter dieser Ansicht gehen davon aus, dass im Jahr 2015 der „Dieselskandal“ in den Medien bekannt geworden sei. Die Verjährungsfrist beginne daher mit Ablauf des 31.12.2015 und endet damit mit Ablauf des 31.12.2018.

Nach diesem Datum geltend gemachte Ansprüche seien verjährt, wenn nicht zuvor verjährungshemmende Maßnahmen unternommen worden seien.

d) Argumente gegen eine Verjährung

Dagegen, dass die Ansprüche betroffener Halter schon verjährt seien, sprechen viele Argumente:

aa)
 Was wurde 2015 bekannt? Zum einen ist schon fraglich, was genau 2015 bekannt wurde. Zum anderen dürfte unstreitig sein, das 2015 noch kein Halter konkret informiert wurde, dass sein Fahrzeug betroffen sei. Insbesondere hat der VW-Konzern die meisten Anschuldigungen bestritten und es war eben nicht bekannt, welche Modelle genau betroffen sein sollen. Darüber hinaus ist schon fraglich, ob ein einzelner Geschädigter sich eine allgemeine Berichterstattung oder Kenntnis davon zurechnen lassen müsste.

bb)
Der Volkswagen-Konzern bestreitet bis heute Kenntnis des Vorstandes von den Manipulationen. Kenntnis des Vorstandes ist aber für § 826 BGB in dieser Fallkonstellation eine anspruchsbegründende Tatsache. (Kurzer Exkurs: Viele Gerichte, die zu Gunsten der Geschädigten entscheiden, nehmen richtigerweise die Kenntnis des Vorstandes der VW AG an. Hier streitet auch die sogenannte sekundäre Darlegungslast für die Geschädigten. Die Geschädigten haben also realistische Erfolgsaussichten auf Schadensersatz.). 

Wie soll also ein Geschädigter 2015 Kenntnis von allen anspruchsbegründenden Tatsachen, also auch über die Kenntnis des Vorstandes der VW AG von den Manipulationen gehabt haben, wenn selbst der VW-Konzern selbst diese Kenntnis bis heute bestreitet? Soll ein Geschädigter also mehr Kenntnis haben als die VW AG selbst? Für den Beginn der Verjährungsfrist ist aber die Kenntnis aller anspruchsbegründenden Tatsachen notwendig. Wenn die Verjährung nicht beginnt, dann kann die Verjährungsfrist auch nicht ablaufen.

cc)
Auch wäre ein Verjährungseinwand seitens der VW AG wenig schlüssig. Aus den unter vorstehend 2. d) bb) genannten Gründen kann man sich seitens der VW AG nach unserer Ansicht nicht überzeugend auf Unkenntnis des Vorstandes und auf Verjährung berufen. Wie soll etwas verjähren, wenn die Kenntnis von allen anspruchsbegründenden Tatsachen gar nicht möglich ist? (Exkurs: Überdies darf sich ein Gericht nur mit der Frage der Verjährung befassen, wenn der Einwand (juristisch: Verjährungseinrede) von einer Prozesspartei erhoben wird.)

dd)
Frühestens 2016 konnte die eigene Betroffenheit überprüft werden (FIN-Check) und auch erst ab diesem Jahr wurden Halter angeschrieben und aufgefordert, ein „Update“ zu machen. Somit könnte man nach unserer Ansicht allenfalls annehmen, dass mit Ablauf des Jahres 2016 die Verjährungsfrist begann. Die Verjährung würde daher erst mit Ablauf des 31.12.2019 eintreten. (Es erscheint überdies fraglich, ob ein Halter tatsächlich schon 2016 vom FIN-Check hätte wissen und diesen hätte nützen müssen.).

ee)
Daneben gibt es noch weitere Argumente, die unseres Erachtens gegen eine Verjährung sprechen. Auch die Rechtsschutzversicherer erteilen üblicherweise Kostendeckungszusagen, nehmen also derzeit auch keine Verjährung der Ansprüche an.

e) Schlussbemerkung

Wer bislang seine Rechte noch nicht geltend gemacht hat, hat also noch realistische Chancen seine Rechte durchzusetzen. Es sprechen gute Argumente dafür, dass die Ansprüche noch nicht verjährt sind. Höchstrichterlich ist diese Frage für diesen Fallkomplex noch nicht geklärt, sodass ein Restrisiko bleibt, dass ein Gericht im Einzelfall Verjährung annimmt. Um die Risiken nicht zu erhöhen, sollten Ansprüche vor Ablauf des 31.12.2019 geltend gemacht werden.

Gerne können Sie sich zur kostenfreien Prüfung Ihrer Ansprüche an uns wenden.

3. Modelle des VW-Konzerns mit anderen Motoren (bspw. 3.0 TDI)

Für diese Modelle gilt nicht, dass schon 2015 in den Medien über eine etwaige Betroffenheit berichtet worden sei. Hier sind auch (zumindest bisher) nicht alle Modelle mit bestimmten Motoren betroffen. Somit kann man nicht pauschal davon ausgehen, betroffen zu sein, wenn man ein solches Fahrzeug besitzt. Auch einen „FIN-Check“ gibt es für derartige Fahrzeuge (noch) nicht. 

Es kommt stark auf den Einzelfall an. Daher kann man als Geschädigter im Grunde nur dann wissen, dass das eigene Fahrzeug von Manipulationen betroffen ist, wenn man wegen eines Rückrufs angeschrieben wird. Die Verjährungsfrist kann denklogischerweise erst ab dem Erhalt einer solchen Information zu laufen beginnen.

4. Daimler

Hier gilt im Grunde dasselbe wie vorstehend unter 3.

Sofern man ein Fahrzeug mit OM651-Motor hat, sollte man aber seine Ansprüche zeitnah prüfen lassen. Zu diesen Fahrzeugen ergehen schon Urteile, die das vorhandene Thermofenster als unzulässige Abschalteinrichtung einordnen und den Haltern Schadensersatz zusprechen.

5. Schlussbemerkung

Diese allgemeinen Ausführungen können eine Einzelfallprüfung nicht ersetzen. Generell haben 2019 alle betroffenen Fahrzeughalter realistische Chancen, ihre Ansprüche geltend machen zu können. Gerne stehen wir Ihnen für eine kostenfreie Ersteinschätzung zur Verfügung.



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