Update IDO-Verfahren: Urteil des BGH "Vielfachabmahner II" liegt vor

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Zu einem von mir geführten Verfahren des IDO Interessenverband für das Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online-Unternehmen e.V. (IDO) wegen einer Vertragsstrafe hatte ich bereits über die Entscheidungen des LG Essen und des OLG Hamm berichtet. Beide Gerichte hatten angenommen, dass der IDO rechtsmissbräuchlich abgemahnt hatte und dass der Vertragsstrafenforderung des Vereins somit der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegengehalten werden kann. Der BGH hatte das Urteil des OLG zuletzt aufgehoben und den Rechtsstreit an das OLG Hamm zurückverwiesen. Inzwischen liegt das Urteil des BGH vom 07.03.2024 zum Az. I ZR 83/23 mit der vielsagenden Urteilsbezeichnung „Vielfachabmahner II“ mit Begründung vor. Im nachfolgenden Beitrag erläutere ich die Entscheidung und die Auswirkungen auf die anderen laufenden Verfahren.

Rückblick: Gerichte bislang uneins über die Frage des Rechtsmissbrauchs beim IDO 

Ich unterstütze bereits seit geraumer Zeit Betroffene, die sich gegen Unterlassungsansprüche oder Vertragsstrafenansprüche des IDO zur Wehr setzen, zum Teil auch in gerichtlichen Verfahren bundesweit. Bislang sind die Gerichte uneins über die Frage, ob die Abmahntätigkeit des IDO rechtsmissbräuchlichen Charakter hatte. Der BGH hatte sich mit seinem Urteil vom 26.01.2023 zum Az. I ZR 111/22 - Mitgliederstruktur - vor einiger Zeit schon mit verschiedenen Indizien für einen Rechtsmissbrauch beim IDO beschäftigt und war im Ergebnis davon ausgegangen, dass der dortige Beklagte und seine Anwälte nicht ausreichend zu Anhaltspunkten für einen Rechtsmissbrauch vorgetragen hatten. Vor dem Hintergrund hatten viele gespannt auf den Ausgang des von mir betreuten Verfahrens gewartet.

Der BGH hat die Frage nach einem möglichen Rechtsmissbrauch vertagt und dem OLG Hamm eine erneute Prüfung aufgegeben

Das Urteil des OLG Hamm, nach dem die Abmahntätigkeit des IDO in der Vergangenheit rechtsmissbräuchlichen Charakter hatte, ist Geschichte. Der BGH hat das Urteil aufgehoben.

ABER:

Der BGH hat den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG Hamm zurückverwiesen. In der inzwischen vorliegenden Urteilsbegründung macht der BGH konkrete Vorgaben für die erneute Prüfung des OLG Hamm.

Der BGH stellte zunächst klar: Bei einer Vielzahl von nicht weiterverfolgten Abmahnverfahren müssen die Gründe genau geprüft werden 

Das OLG Hamm hatte die Annahme des Rechtsmissbrauchs im vorangegangenen Berufungsverfahren mit der Vielzahl von Abmahnverfahren begründet, die der IDO im Sande verlaufen ließ, obwohl die Betroffenen keine Unterlassungserklärung abgegeben hatten (insgesamt mehr als 5.000 Abmahnverfahren über einen Zeitraum von mehreren Jahren). Hierzu führte der BGH in seinem Urteil aus:

„d) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann das Abmahnverhalten des Klägers allerdings nicht bereits deshalb als rechtsmissbräuchlich angesehen werden, weil er in vielen Fällen trotz ausgebliebener Unterwerfungen der Schuldner keine gerichtliche Klärung herbeigeführt hat. Ohne Hinzutreten weiterer Indizien kann ein rechtsmissbräuchliches Abmahnverhalten regelmäßig nicht allein deshalb angenommen werden, weil der Gläubiger die geltend gemachten Unterlassungsansprüche in einer Vielzahl von Fällen trotz ausgebliebener Unterwerfungserklärungen der Schuldner nicht gerichtlich weiterverfolgt hat (…). Das Berufungsgericht hat zudem die vom Kläger aufgeführten Gründe für die unterbliebene gerichtliche Weiterverfolgung der ausgesprochenen Abmahnungen, die gegen einen Rechtsmissbrauch sprechen können, rechtsfehlerhaft außer Betracht gelassen.“

Anschließend wird der BGH konkret:

„(1) Das Berufungsgericht hat sich auf den Standpunkt gestellt, eine Rechtfertigung für die unterbliebene Weiterverfolgung in einer nicht unerheblichen Anzahl von Fällen (nach dem vom Berufungsgericht wiedergegebenen Klagevorbringen sind dies 5 und 20 % der nicht weiterverfolgten Abmahnungen) könne nicht darin gesehen werden, dass der Kläger einige „Musterverfahren“ habe auswählen wollen, um diese einer höchstrichterlichen Klärung zuzuführen; dieses Anliegen allein rechtfertige es nicht, zuvor in großer Zahl Abmahnungen in der Hoffnung auszusprechen, der abgemahnte werde sich bereits vor einer höchstrichterlichen Klärung strafbewehrt unterwerfen. Dieser Bewertung kann in dieser Allgemeinheit nicht zugestimmt werden. Die Auswahl und das Betreiben geeigneter „Musterverfahren“ sowie das Abwarten von deren Ausgang können durchaus sachgerecht sein. Für die Frage, ob in dem Ausspruch einer erheblichen Anzahl weiterer Abmahnungen in vergleichbaren Fällen ein Indiz für einen Rechtsmissbrauch gesehen werden kann, kommt es entscheidend darauf an, ob auch diese Fälle nach einer zugunsten des Abmahnenden ausgegangenen Klärung der Rechtslage bei Ausbleiben einer Unterwerfung gerichtlich weiterverfolgt werden oder nicht.

(2) 

das Berufungsgericht hat außerdem gemeint, der Einwand des Klägers, eine Rechtsverfolgung gegenüber im Ausland ansässigen Schuldnern sei faktisch kaum möglich oder mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, überzeugen nicht, da außer der erhofften Einnahmeerzielung kein Grund erkennbar sei, warum der Kläger gegenüber im Ausland ansässigen Schuldnern gleichwohl Abmahnungen ausspreche. Auch dies begegnet Bedenken. Sollte die gerichtliche Weiterverfolgung wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsansprüche gegenüber im Ausland ansässigen Schuldnern tatsächlich erschwert oder gar faktisch kaum möglich sein, folgt allein daraus noch keine Rechtsmissbräuchlichkeit dennoch ausgesprochener gerechtfertigter Abmahnungen, da durchaus denkbar ist, dass die Schuldner das beanstandete Verhalten allein aufgrund der Abmahnungen einstellen.

(3) Mit den sonstigen vom Kläger angeführten Gründen für die unterbliebene Weiterverfolgung seiner Ansprüche hat sich das Berufungsgericht nicht auseinandergesetzt. Es hat weder Feststellungen dazu getroffen, wie häufig die beschriebenen Umstände jeweils auftreten, noch hat es geprüft, ob einzelne der angeführten Gründe oder die Umstände in ihrer Gesamtschau gegen das Überwiegen sachfremder Ziele bei der Rechtsverfolgung sprechen könnten. Diese unterbliebene Gesamtabwägung ist auch nicht etwa deshalb unerheblich, weil es auf die weiteren vom Kläger vorgetragenen und vom Berufungsgericht nicht in die Abwägung eingestellten Fallumstände unter keinem denkbaren Gesichtspunkt ankommen kann.“

Aus den Ausführungen des BGH ergibt sich ganz klar, dass die Gründe für die Nichtweiterverfolgung von Abmahnverfahren genau geprüft werden müssen. Dies bedeutet: In allen noch laufenden Verfahren wird der IDO nach meiner Einschätzung hierzu nunmehr detaillierter vortragen müssen, damit die Gerichte anschließend die vom BGH angemahnte umfassende Prüfung durchführen können.

Weitere Vorgaben des BGH

Da es in dem von mir betreuten Verfahren in den Vorinstanzen um eine ganze Reihe weiterer Anhaltspunkte für die Rechtsmissbräuchlichkeit des Vorgehens des IDO ging, mahnte der BGH auch insoweit eine Berücksichtigung und Prüfung an. Insoweit ging es um die folgenden Punkte:

  • die Gewichtung des Umfangs der vom IDO gestellten Ordnungsmittelanträge,
  • die Frage, ob der IDO bei wettbewerbsrechtlich zweifelhafter Beurteilung eine ins Gewicht fallende Zahl von Abmahnungen ausgesprochen hatte, ohne bei Ausbleiben der Unterwerfung eine gerichtliche Klärung herbeizuführen,
  • die Frage, ob die vom IDO vorgefertigte Unterlassungsverpflichtungserklärung so weit gefasst war, dass darunter auch andere als die abgemahnten Verstöße fallen,
  • die Frage, ob der IDO Nichtmitglieder systematisch anders behandelt als Mitglieder,
  • die Frage, ob die vom IDO ausgesprochene Abmahnung in Zusammenschau mit der vorformulierten Unterlassungsverpflichtungserklärung den Eindruck erweckte, Unterwerfungserklärung und Anerkenntnis der Kostenerstattungspflicht gehörten zusammen und ein gerichtliches Verfahren könne nur durch die Unterzeichnung der beigefügten Unterlassungserklärung vermieden werden

Weiterführende Informationen zu dem Urteil des BGH finden Sie auf der Internetseite meiner Kanzlei in dem Beitrag:

Rechtsmissbrauch beim IDO e.V.? - BGH hebt Urteil des OLG Hamm gegen den IDO e.V. auf und verweist zurück

Fazit und Ausblick

In den noch laufenden Verfahren werden die Gerichte nunmehr die Anhaltspunkte für einen Rechtsmissbrauch beim IDO unter Berücksichtigung der Vorgaben des Bundesgerichtshofs prüfen müssen und auch umfassend würdigen müssen. Ich meine nach wie vor, dass die inzwischen vorliegenden Informationen ausreichen, um von einem Rechtsmissbrauch beim IDO auszugehen. Das vorliegende Urteil des BGH macht jedoch deutlich, dass hierzu umfangreicher Vortrag erforderlich ist.

In der Zwischenzeit kann der IDO weiter Vertragsstrafen geltend machen

Wenn Sie in der Vergangenheit zu einer Abmahnung des IDO eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abgegeben hatten, dann sollten Sie die übernommenen Unterlassungsverpflichtungen unbedingt einhalten, um eine Vertragsstrafenforderung des Vereins zu vermeiden. Über die Vertragsstrafenforderungen des Vereins und mögliche Verteidigungsstrategien hatte ich hier in der Vergangenheit bereits berichtet:

IDO- Vertragsstrafenforderung: zahlen, verhandeln oder zurückweisen?

Und im Fall der Fälle können Sie mich natürlich ansprechen.

Was Sie tun können, wenn Sie eine Vertragsstrafe an den IDO zahlen sollen:

  1. Die wichtigste Entscheidung: Lassen Sie sich fachkundig anwaltlich beraten!
  2. Nehmen Sie ohne vorherige Beratung keine Zahlung vor.

Für die Entscheidung über die richtige Reaktion auf eine Vertragsstrafenforderung des IDO e.V. sollten Sie verschiedene Aspekte berücksichtigen. Gern berate ich Sie hierzu.

Zu mir und meiner Tätigkeit:

Ich vertrete eine Vielzahl von Betroffenen zu Vertragsstrafenforderungen des IDO und verfüge daher über Erfahrung aus einer Vielzahl von Vertragsstrafenverfahren.

Ich berate Sie bundesweit auch kurzfristig telefonisch.

Sie wünschen ein Angebot für eine Beratung?

Wenn Sie auch ein Schreiben mit einer Vertragsstrafenforderung des IDO e.V. erhalten haben:

  • Rufen Sie mich einfach an unter: 0381 260 567 30
  • Schicken Sie mir eine E-Mail an: rostock@internetrecht-rostock.de
  • Oder lassen Sie mir über die Funktion „Nachricht senden“ direkt unter diesem Rechtstipp eine Mitteilung zukommen.


Andreas Kempcke

Rechtsanwalt 

Fachanwalt für IT-Recht

Internetrecht-Rostock.de

Foto(s): Andreas Kempcke

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