Urlaub und Langzeiterkrankung

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Urlaub muss im laufenden Kalenderjahr genommen und gewährt werden. Auch dann, wenn Sie als Arbeitnehmer das ganze Kalender- bzw. Urlaubsjahr hinweg ohne Unterbrechung arbeitsunfähig erkrankt waren, haben Sie Anspruch auf Gewährung von Urlaub. Der Urlaubsanspruch bei langer Krankheit entsteht auch für die Zeiten, während der das Arbeitsverhältnis infolge einer Erwerbsunfähigkeitsrente geruht hat (BAG, Urteil vom 07.08.2012, 9 AZR 353/10). 

Den Urlaub können Sie allerdings krankheitsbedingt vorerst nicht geltend machen, d.h. eine Erteilung von Urlaub ist rechtlich nicht möglich, solange Sie krank sind. Erst wenn der Arbeitnehmer wieder genesen ist, kann er Urlaub nehmen. Langjährig erkrankten Arbeitnehmern ist dabei zu raten, möglichst bald nach ihrer Genesung den gesamten angesammelten Urlaub für die vergangenen Krankheitsjahre unverzüglich zu beantragen und notfalls einzuklagen. Denn eine längere Krankheit ist nach der Genesung des Arbeitnehmers nicht mehr die Ursache dafür, dass der Arbeitnehmer seinen (Rest-)Urlaub nicht nimmt und verfällt ansonsten.

Eine Übertragung des Urlaubs in das nächste Kalenderjahr ist nur in Ausnahmefällen möglich, wenn eine Inanspruchnahme des Urlaubs im Urlaubsjahr aufgrund dringender betrieblicher oder in der Person des Arbeitnehmers liegender Gründe nicht zu gewährleisten ist (§ 7 Abs. 3 S. 2 Bundesurlaubsgesetz). Im Umkehrschluss verfällt nicht zu übertragender Urlaub der Arbeitnehmer grundsätzlich mit Ablauf des 31. Dezember des jeweiligen Urlaubsjahres. Im Falle einer (ausnahmsweise) zulässigen Übertragung des Urlaubs in das neue Kalenderjahr verfällt der Urlaub am 31. März des Folgejahres (§ 7 Abs. 3 S. 3 Bundesurlaubsgesetz).

Für durchgehend arbeitsunfähig erkrankte Arbeitnehmer gilt jedoch etwas Anderes: Da sie während ihrer Krankheit ihren Urlaub nicht in Anspruch nehmen können, wird ihnen eine längere Zeit gewährt, um den Urlaub „nachzuholen″. Um gleichzeitig aber zu verhindern, dass aufgrund von Krankheit jahrelang Urlaub angesammelt wird, entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG), dass Urlaub von Langzeiterkrankten 15 Monate nach Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahres verfällt (BAG, Urteil vom 7. August 2012 – 9 AZR 353/10). Dieses Urteil folgte auf die im Jahre 2011 getroffene Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (Entscheidung vom 22. November 2011 – C-214/10).

Der Zusatzurlaub für Schwerbehinderte (5 Tage nach § 208 SGB IV) wird ebenfalls 15 Monate lang nach dem Ende des Urlaubsjahres aufrecht erhalten, wenn ein schwerbehinderter Arbeitnehmer über längere Zeit hinweg aufgrund krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit keinen Urlaub nehmen kann (BAG Urteil vom 23.03.2010, 9 AZR 128/09 und vom 07.08.2012, 9 AZR 353/10).

Mit Urteil des BAG vom 19. Februar 2019 (9 AZR 423/16) wurde dann überraschend eine sog. Mitwirkungsobliegenheit des Arbeitgebers für die Inanspruchnahme von Urlaub bestimmt: danach verfällt Urlaub nicht mehr ohne Weiteres am 31. Dezember des jeweiligen Urlaubsjahres, wenn nicht zuvor der Arbeitgeber zuvor „konkret und in völliger Transparenz dafür sorgen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen. Er muss ihn – erforderlichenfalls förmlich – dazu auffordern, seinen Urlaub zu nehmen, und ihm klar und rechtzeitig mitteilen, dass der Urlaub verfällt, wenn er ihn nicht nimmt. Missachtet der Arbeitgeber seine Obliegenheit, verfällt der Urlaub nicht“.

Nicht abschließend geklärt ist, ob auch der Urlaubsverfall bei langzeiterkrankten Arbeitnehmern die Mitwirkung des Arbeitgebers erfordert. Das Landesarbeitsgericht Hamm (Urteil vom 24. Juli 2019 – 5 Sa 676/19) war der Ansicht, dass die geforderte Belehrung durch die Arbeitgeber nur sinnvoll sei, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage sei, der Belehrung nachzukommen und den Urlaub in Anspruch zu nehmen. Dies sei bei durchgehend arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmern nicht der Fall. Folglich müssten langzeiterkrankte Arbeitnehmer auch nicht über den Ihnen individuell noch zustehenden Urlaub informiert werden. Mit dieser Frage musste sich das BAG aktuell ebenfalls in zwei Verfahren beschäftigten (BAG, Urteil vom 7. Juli 2020 – 9 AZR 245/19 und 9 AZR 401/19). Das BAG hat nun eine Anfrage beim Europäischen Gerichtshof gestellt, damit dieser diese Frage beantwortet. Das Ergebnis ist offen.

 



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