Urlaubsrückruf oder Urlaubswiderruf in Pandemiezeiten?

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Urlaubsrückruf oder Urlaubswiderruf in Pandemiezeiten?

Inhalt des Urlaubsanspruchs

Urlaub ist die Freistellung des Arbeitnehmers von der vertraglich vereinbarten Arbeitspflicht unter Fortzahlung der Vergütung. Zur Erfüllung Anspruchs auf Erholungsurlaub hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer von der Arbeit freizustellen. Der Urlaubsanspruch ergibt sich einerseits zwingend aus § 1 BUrlG, andererseits – sofern er über den gesetzlichen Mindesturlaub von 20 Arbeitstagen hinausgeht – aus dem Arbeitsvertrag oder kollektiven Regelungen wie Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung. Die Rechtsprechung wendet für den vertraglichen Urlaubsanspruch regelmäßig die gleichen Grundsätze an wie für den gesetzlichen Urlaubsanspruch, allerdings mit Einschränkungen, etwa was die Möglichkeit von vertraglichen Regelungen zum Verfall des Mehrurlaubs betrifft.

Erfüllung des Urlaubsanspruchs

Die Freistellung von der Arbeitspflicht kann formlos erfolgen; eines förmlichen Urlaubsantrags bedarf es nur, wenn dies besonders geregelt ist. Die Erfüllung des Urlaubsanspruchs mit der Wirkung, dass der Urlaubsanspruch danach erlisch, erfolgt in zwei Schritten: zunächst durch Freistellungserklärung des Arbeitgebers für die Urlaubszeit, danach durch das tatsächliche Fernbleiben von der Arbeit. Die Freistellungserklärung ist eine einseitig empfangsbedürftige Willenserklärung; in der Regel geht ihr ein Urlaubswunsch, ein Urlaubsantrag oder ein Abstimmungsprozess mit dem Arbeitnehmer voraus; dies ist allerdings nicht zwingend, vielmehr kann Urlaub auch einseitig angeordnet werden, etwa im Falle einer Betriebsruhe.

Rückgängigmachen des bewilligten Urlaubs

Gerade unter Pandemiebedingungen stellt sich die Frage, ob ein einmal bewilligter Urlaub widerrufen oder sonst „rückgängig“ gemacht werden kann oder der Arbeitnehmer gar aus dem Urlaub „geholt“ werden darf. Handelt es sich um „höhere Gewalt“, die dem Arbeitgeber mehr Rechte an die Hand gibt als sonst?

Das BAG hatte in einer frühen Entscheidung vom 29.1.1960 (1 AZR 200/58) bereits betont, dass der Arbeitgeber an seine Freistellungserklärung grundsätzlich gebunden sei (vgl. auch Gallner, ErfK, 21. Aufl., § 7 BUrlG Rn. 27); nur „bei ganz unvorhergesehenen Ereignissen“ könne er seine Erklärung widerrufen. Daraus wird mitunter die Schlussfolgerung gezogen, im Extremfall könne der Arbeitgeber seine Freistellungserklärung – dh. die Bewilligung des Urlaubs – widerrufen. In der Rechtsprechung ist ein solcher Fall bisher – soweit ersichtlich – nie positiv entschieden worden (vgl. etwa LAG Köln 6 Sa 449/12; LAG Hessen 9 Sa 1675/96); das BAG spricht zuletzt von „unvorhersehbaren und zwingenden Notwendigkeiten, welche einen anderen Ausweg nicht zulassen (Urteil vom 20.6.2000, 9 AZR 405/99). Dies dürfte auch unter Pandemiebedingungen eine für Arbeitgeber schier unüberwindbare Hürde sein. Denn gerade aufgrund der Dauer der seit 2020 ausgebrochenen Pandemie kann wohl von einer Unvorhersehbarkeit nicht mehr die Rede sein; außerdem dürfte selbst in Extremfällen auch noch ein anderer Ausweg eröffnet sein, etwa der Einsatz eines Krisenteams o.ä.

Eine „Rückrufklausel“ im Arbeitsvertrag ist jedenfalls unwirksam (BAG 9 AZR 405/99). Der Arbeitgeber muss vielmehr vorher entscheiden, ob er die Freistellung zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs gewährt oder ob er diese wegen „dringender betriebliche Belange“ (§ 7 Abs. 1 S. 1 BUrlG) ablehnt.

Arbeitgeber sind also gut beraten, eine wie auch immer geartete Rückgängigmachung des einmal bewilligten Urlaubs mit dem Arbeitnehmer einvernehmlich zu klären.

J. Zimmermann, Rechtsanwalt Wilsdruff (Stand 16.2.2022)


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