Urteile des BAG im Juni – Betriebsrente & Erstattungsfähigkeit einer Personalvermittlungsprovision

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Urteile des Bundesarbeitsgerichts (BAG) im Juni – Betriebsrente & Erstattungsfähigkeit einer Personalvermittlungsprovision


Zwei Urteile des BAG vom 20.06.2023 haben wir genauer unter die Lupe genommen.


Zum einen geht es um die Berechnungsgrundlage für Betriebsrenten, zum anderen um die Frage, ob Arbeitnehmer Personalvermittlungsprovisionen erstatten müssen.


I. Endgehaltsbezogene Betriebsrente und Teilzeit


I.I. Was ist passiert?


Die Klägerin war in den Jahren von 1984 bis 2004 bei der Beklagten in Vollzeit und ab 2005 bis September 2020 in Teilzeit angestellt und gehört zu dem Personenkreis, der eine Anwartschaft auf betriebliche Versorgungsleistungen erworben hat (hier: Betriebsrente).


I.II. Betriebsvereibarung regelt Versorgungsleistungen


Im Falle einer Vollzeitbeschäftigung wäre das Durchschnittsgehalt des letzten Kalenderjahres vor Ausscheiden des Arbeitnehmers zugrunde gelegt worden. Da die Klägerin allerdings teilzeitbeschäftigt war, gilt eine andere Regelung.


In der Betriebsvereibarung heißt es in § 10 Nr. 5:


"Für einen Mitarbeiter, eine Mitarbeiterin, der/die innerhalb der letzten 10          anrechnungsfähigen Dienstjahre vor dem Eintritt des Versorgungsfalles bzw. dem   vorzeitigen Ausscheiden ganz oder teilweise teilzeitbeschäftigt war, verändert   sich der Festrentenbetrag in dem Verhältnis, in dem die durchschnittliche           Arbeitszeit des Mitarbeiters während der letzten 10 Dienstjahre zu seiner Arbeitszeit innerhalb des Kalenderjahres vor dem Eintritt des Versorgungsfalles   bzw. dem vorzeitigen Ausscheiden gestanden hat. [...]"


Demnach stünde der Klägerin eine voraussichtliche Betriebsrente unter Berücksichtigung des Beschäftigungsgrades der letzten 10 Jahre zu. Unter Verweis auf § 10 Nr. 5 der Betriebsvereibarung hatte die Beklagte die Klägerin im April 2020 darüber informiert.


I.III. Streit über die Berechnung der Betriebsrente


Die Klägerin sieht das jedoch anders, da sie teilweise – wenn auch vor den maßgeblichen 10 Jahren - in Vollzeit angestellt war. Sie ist der Ansicht, dass ihr eine höhere Betriebsrente zustehen würde. Denn nach ihrem Dafürhalten müsse ihre gesamte Beschäftigungsdauer Berücksichtigung finden. Zudem verstoße die Beklagte mit § 10 Nr. 5 der Betriebsvereinbarung gegen das Verbot der Diskriminierung wegen der Teilzeit. - dies auch in Bezug auf das Geschlecht, da überwiegend Frauen in Teilzeit arbeiten würden.


Das Amtsgericht Regensburg hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin blieb ebenfalls in den angestrebten Berfungs- und Revisionsverfahren erfolglos.


IV. Klageabweisung - Entscheidungsgründe des BAG, 3 AZR 221/22


In der Pressemitteilung des BAG heißt es u. a.


"Bei einer endgehaltsbezogenen Betriebsrentenzusage darf, selbst wenn diese    zudem die erbrachte Dienstzeit honoriert, auf das zuletzt maßgebliche Entgelt auch    bei Teilzeitkräften abgestellt werden. Die endgehaltsbezogene Betriebsrente       dient insoweit dem legitimen Zweck der Erhaltung des letzten im Erwerbsleben   erarbeiteten Lebensstandards im Ruhestand. Hierbei ist es nicht zu beanstanden, wenn die Zusage einen Betrachtungszeitraum von zehn Jahren vor dem Ausscheiden zur Bestimmung des maßgeblichen durchschnittlichen      Beschäftigungsumfangs von Teilzeitbeschäftigten zugrunde legt. Diese werden dadurch nicht unzulässig benachteiligt."


Darüberhinaus ergibt sich aus § 10 Nr. 5 der Betriebsvereinbarung keine unzulässige Benachteiligung wegen des Geschlechts. Die Betriebsvereinbarung sieht keine unterschiedlichen Regelungen das Geschlecht betreffend vor, so dass keine Diskriminierung wegen des Geschlechts gegeben ist.


Vorinstanz:

Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 17.03.2022, 7 Sa 588/21



II. Müssen Arbeitnehmer Personalvermittlungsprovisionen erstatten?


Das BAG sagt "nein".


II.I. Vorgeschichte zum Rechtsstreit


Mit Hilfe eines Personaldienstleisters konnte im März 2021 ein Arbeitsvertag geschlossen werden. Arbeitsbeginn war der 01.05.2021.


Aufgrund der erfolgreichen Vermittlung erhielt der Personaldienstleister eine Provision in Höhe von 4.461,60 Euro und weitere 2.230,80 Euro wären nach erfolgreich beendeter Probezeit fällig geworden.


II.II. Arbeitsvertrag sieht Provisionserstattung vor


§ 13 des Arbeitsvertrages regelt, dass der Arbeitnehmer die Vermittlerprovision zu erstatten hat, sofern das Arbeitsverhältnis aufgrund einer Kündigung des Arbeitnehmers nicht über den 30.06.2022 hinaus andauern würde.


Tatsächlich kam es auch so. Der Arbeitnehmer kündigte fristgerecht zum 30.06.2021, woraufhin die Arbeitnehmerin unter Bezugnahme auf § 13 des Arbeitsvertrages von dem Juni-Gehalt einen Teilbetrag in Höhe von 809,21 Euro einbehielt.


Klageerhebung Arbeitnehmer & Widerklage Arbeitgeberin


Der Kläger forderte von der Beklagten die Zahlung des zurückbehaltenen Betrages und begründete dies mit der Unwirksamkeit von § 13 des Arbeitsvertrages und einer unangemessen Benachteiligung.


Die Beklagte konterte mit einer Widerklage und forderte vom Kläger die restliche Summe der geschuldeten Provision, wie vertraglich vereinbart.


Der Rechtsstreit zog sich durch alle Instanzen. Arbeitsgericht, Landesarbeitsgericht und BAG haben der Klage stattgegeben und die Widerklage wurde abgewiesen.


Keine Erstattung einer Personalvermittlungsprovision durch den Arbeitnehmer!


Entscheidungsgründe des BAG, 1 AZR 265/22


Das Gericht kommt zu dem Ergebis, dass die besagte vertragliche Regelung unwirksam ist. Der Kläger wird dadurch unangemessen benachteiligt und in seinem Recht auf freie Arbeitsplatzwahl, welches ihm nach dem Grundgesetz (GG) zusteht, beeinträchtigt.


Artikel 12 Abs. 1 S. 1 GG: "Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen."


Das Gericht stellt weiter klar, dass das unternehmerische Risiko im Hinblick auf Personalbeschaffung und etwaiger damit einhergehender finanzieller Aufwendungen allein der Arbeitgeber trägt.


In der Pressemitteilung des BAG heißt:


"Eine arbeitsvertragliche Regelung, nach der der Arbeitnehmer verpflichtet ist,  dem Arbeitgeber eine von ihm für das Zustandekommen des Arbeitsvertrags an           einen Dritten gezahlte Vermittlungsprovision zu erstatten, wenn der Arbeitnehmer          das Arbeitsverhältnis vor Ablauf einer bestimmten Frist beendet, ist nach § 307 Abs.       1 Satz 1 BGB* unwirksam. [...] Die genannte Regelung in § 13 des Arbeitsvertrags           bei der es sich um eine kontrollfähige Einmalbedingung iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2      BGB** handelt – benachteiligt den Kläger entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und ist daher nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB*        unwirksam. Der Kläger wird hierdurch in seinem von Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG         garantierten Recht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes beeinträchtigt, ohne dass dies durch begründete Interessen der Beklagten gerechtfertigt wäre. Der Arbeitgeber hat grundsätzlich das unternehmerische Risiko dafür zu tragen,      dass sich von ihm getätigte finanzielle Aufwendungen für die      Personalbeschaffung nicht „lohnen“, weil der Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis in rechtlich zulässiger Weise beendet. [...]"


Vorinstanz:

Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 12. Mai 2022, 4 Sa 3/22


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