Verfahrensabsprachen - Sozialstunden, Bewährungsauflage, anderes Delikt

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Verfahrensabsprachen (auch als „deal“) bezeichnet sind an den Strafgerichten zum Alltag geworden. Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten verständigen (§ 257c Abs. 1 S. 1 StGB). Der Bundesgerichtshof hebt Entscheidungen auf, in welchen das Gericht neue, für viele Angeklagte überraschende Maßnahmen verhängt oder ein Urteil wegen eines anderen Strafdelikts ausspricht.

Hinweispflicht vor Erteilung von Bewährungsauflagen

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat mit Beschluss vom 11. September 2014 – 4 StR 148/14 –  festgestellt, dass die Verhängung einer Bewährungsauflage gemäß § 56b Abs. 1 Satz 1 StGB gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens verstößt. Die Bewährungsauflage ist aufzuheben, wenn der Angeklagte vor Vereinbarung einer Verständigung gemäß § 257c StPO, deren Gegenstand die Verhängung einer zur Bewährung auszusetzenden Freiheitsstrafe ist, nicht auf konkret in Betracht kommende Bewährungsauflagen hingewiesen worden ist:

„Das Landgericht hat den Angeklagten mit Urteil vom 22. Oktober 2013 zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt und die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Im Anschluss an die Urteilsverkündung hat es folgenden Beschluss verkündet:

„ 1.) Die Bewährungszeit beträgt 4 Jahre.

2.) … (betrifft nicht den Angeklagten).

3.) Die Angeklagten K. , Kr. und R. werden angewiesen Sozialstunden zu erbringen und zwar … R. : 150 Std.“

Dem Urteil liegt eine Verständigung zugrunde, nach deren Inhalt dem Angeklagten R. eine „Gesamtfreiheitsstrafe in einem Rahmen von einem Jahr (Strafuntergrenze) und einem Jahr und sechs Monaten (Strafobergrenze)“ bei Strafaussetzung zur Bewährung in Aussicht gestellt worden ist…“

Die Bewährungsauflagen waren in dem entschiedenen Fall nicht Gegenstand der Absprache gewesen. Der Angeklagte hatte hiergegen Beschwerde eingelegt.

Der Strafsenat stellt weiter fest, dass das Gericht vor Vereinbarung einer Verständigung offenlegt, dass es die Verhängung einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe allein nicht für ausreichend hält, sondern zur Verwirklichung der Genugtuungsfunktion des Strafverfahrens Bewährungsauflagen in Betracht zieht. Denn nur wenn der Angeklagte über den gesamten Umfang der Rechtsfolgenerwartung bei der Verständigung informiert ist, kann er autonom eine Entscheidung über seine Mitwirkung treffen (OLG Saarbrücken, NJW 2014, 238, 239).

Hinweispflicht bei Verfahrensabsprachen wegen eines anderen Delikts

Der 2. Senat des Bundesgerichtshofs hat am 11.05.2011 (2 StR 590/10) ein Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main wegen unterbliebener Belehrung, dass auch eine Verurteilung wegen Einfuhr von Betäubungsmittel in nicht geringer Menge in Betracht komme, aufgehoben. Der Hinweis soll sicherstellen, dass Angeklagte und Verteidiger die Verteidigung hinsichtlich eines anderen Delikts ausrichten können.

Der Autor Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht Christian Steffgen ist seit 2001 mit Schwerpunkt im Strafrecht tätig. Er ist Inhaber von zwei Kanzleien in Augsburg und Gera.


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