Verfahrenseinstellung: Absehen von der Verfolgung nach § 153 StPO wegen Geringfügigkeit

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Nicht jedes Strafverfahren endet mit einer Verurteilung oder einem Freispruch. Die StPO hält eine Reihe von Vorschriften bereit, welche die Strafverfolgungsbehörden berechtigten, nach ihrem Ermessen trotz  hinreichenden Tatverdachts von der Verfolgung einer Tat abzusehen. Die Einstellung nach § 153 StPO – Absehen von der Verfolgung bei Geringfügigkeit – findet in der täglichen Praxis vielfach Anwendung. Sie trägt erheblich dazu bei, dass die große Masse von Delikten aus dem Bereich der "Bagatell- und Kleinkriminalität", die tagtäglich auftreten, überhaupt bewältigt werden kann, ohne die Justiz völlig zu überlasten.


I. Voraussetzungen

Eine Einstellung nach § 153 StPO hat folgende Voraussetzungen:

  • Es handelt sich bei der Tat um ein Vergehen, d.h. um einen Straftatbestand, dessen Strafrahmen eine mildere Strafe als 1 Jahr Freiheitsstrafe zulässt
  • Die Schuld des Täters wäre als gering anzusehen.
  • Es besteht kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung.

Ob die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und ob öffentliches Interesse besteht, entscheidet die Staatsanwaltschaft nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen. Ein Strafverteidiger kann jedoch in geeigneten Fällen auf die Verfahrenseinstellung hinwirken und den Anstoß dazu geben.


II. Einstellung nach § 153 StPO = „Kleiner Freispruch?“

Eine Einstellung nach § 153 StPO aufgrund von Geringfügigkeit stellt formal gesehen keinen Freispruch dar. Mit ihr wird nicht die Unschuld bzw. Nichterweislichkeit des Vorwurf festgestellt, im Gegenteil setzt die Vorschrift in ihrer Anwendung sogar voraus, dass ein hinreichender Tatverdacht besteht, jedoch eine etwaige Schuld als geringfügig anzusehen wäre. Soviel zur Theorie – ganz praktisch gesehen steht eine Einstellung einem Freispruch in ihren Wirkungen im Wesentlichen gleich, im Klartext bedeutet sie nämlich:

  • Es gibt keine Gerichtsverhandlung gegen Sie.
  • Sie erhalten weder eine Strafe, noch ergehen irgendwelche Auflagen gegen Sie.
  • Die Einstellung wird auch nicht in Ihrem Führungszeugnis oder in sonst irgendeinem Register wiedergeben.


III. Zustimmungserfordernisse

1) Vor Anklageerhebung bzw. Beantragung eines Strafbefehls

Solange die Staatsanwaltschaft weder Anklage erhoben noch einen Strafbefehl beantragt hat, obliegt ihr als „Herrin des Ermittlungsverfahrens“ allein die Entscheidung über eine Einstellung nach § 153 Abs. 1 StPO. Die Einstellung bedarf weder der Zustimmung des Gerichts noch des Beschuldigten. Auch eine Anfechtung der Einstellungsentscheidung der Staatsanwaltschaft ist nicht möglich. Weder der Beschuldigte selbst noch der Anzeigeerstatter haben ein Beschwerderecht.


2) Nach Anklageerhebung bzw. Beantragung eines Strafbefehls

Anders sieht es aus, sobald die Staatsanwaltschaft sich für eine Anklageerhebung bzw. die Beantragung eines Strafbefehls entschlossen hat. Danach ist eine Einstellung nach § 153 Abs. 2 StPO nur noch mit Zustimmung des Gerichts und des Angeklagten möglich.


IV. Sollte man einem Einstellungsangebot des Gerichts und der Staatsanwaltschaft als Angeklagter immer zustimmen?

Selbst nach Anklageerhebung oder der Einleitung eines Strafbefehlsverfahrens ist es gelegentlich möglich, durch die Einreichung einer überzeugenden Verteidigungsschrift und/oder Verhandlungsgeschick die Staatsanwaltschaft (und das Gericht, wobei Letzteres tendenziell leichter „an Bord“ zu holen ist) von einer Abkehr von ihrer ursprünglichen Entscheidung hin zur Einstellung nach § 153 StPO zu bewegen. Ist es ihrem Verteidiger gelungen, der Staatsanwaltschaft (und dem Gericht) ein solches Einstellungsangebot „abzuringen“, ist man in 99% der Fälle gut beraten, dieses auch anzunehmen. Hierzu rate ich meinen Mandanten selbst dann, wenn meiner Meinung nach nur eine sehr geringe Verurteilungswahrscheinlichkeit besteht bzw. ein Freispruch meiner Ansicht nach zwingend ist. Denn das Sprichwort „Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand“ hat durchaus einen wahren Kern – eine 100%-ige sichere Prognose, wie ein Gericht entscheiden wird, wird Ihnen kein Anwalt sicher geben können. Der Vorteil, durch die Einstellung jedes Risiko einer Verurteilung sicher ausschließen zu können, überwiegt, ganz praktisch gesehen, den Nachteil, dass man auf eine Bestätigung der eigenen Unschuld verzichten muss.

Etwas anderes kann in besonderen Einzelfällen gelten. Hier sind v.a. zwei Situationen zu nennen:

  • Sie haben ein besonderes Rehabilitationsinteresse an einem Freispruch (relevant v.a. bei öffentlichkeitswirksamen Verfahren).
  • Es stehen nach Erledigung des Strafverfahrens wegen des Sachverhalts, der Gegenstand des Strafverfahrens ist, nachgelagerte verwaltungsrechtliche Maßnahmen zu befürchten (z.B. Anordnung einer MPU durch die Fahrerlaubnisbehörde, Entziehung der Fahrerlaubnis, Maßnahmen nach der Gewerbeordnung). Bei einem Freispruch kann der gesamte Sachverhalt, der Gegenstand des Strafverfahrens war, in einem verwaltungsrechtlichen Verfahren in der Regel nicht mehr zu Ihren Lasten berücksichtigt werden; anders ist dies bei einer Einstellung nach § 153 StPO, hier besteht keine solche Bindungswirkung. Solche nachgelagerten  verwaltungsrechtlichen Maßnahmen sind im Strafverfahren mitzudenken und können im Einzelfall gegen eine Zustimmung zur Einstellung nach § 153 StPO sprechen.

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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