Verkehrsunfall – erhöhte Sorgfaltspflicht bei vorausfahrendem Fahrschulauto

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LG Saarbrücken: Wer hinter einem Fahrschulfahrzeug fährt, muss seinen Abstand so wählen, dass auch bei unangemessenen Fahrverhalten des Fahranfängers noch rechtzeitig anhalten werden kann.

Das Landgericht Saarbrücken hatte als Berufungsgericht am 02.11.2018 – 13 S S 104/18 über einen Fall zu entscheiden, dem folgender Sachverhalt – Verkehrsunfall – zu Grunde lag:

Bei der Ausfahrt aus einem Verkehrskreisel fuhr der Ehemann der Klägerin mit dem von ihm gesteuerten Kfz auf das Fahrschulfahrzeug auf, in dem ein Fahrschüler und der Fahrlehrer saßen. Der Fahrschüler hatte beim Ausfahren aus dem Kreisel unvermittelt stark abgebremst, sodass das dahinter fahrende Fahrzeug der Klägerin auffuhr. Die Klägerin machte die Hälfte des ihr entstandenen Schadens geltend.

Nach obergerichtlicher Rechtsprechung haftet grundsätzlich derjenige in vollem Umfang, der auf ein vor ihm fahrendes Fahrzeug auffährt. Für ein Verschulden des auffahrenden Fahrzeugs spricht bereits der Beweis des ersten Anscheins, welcher jedoch erschüttert werden kann, wenn bspw. das davor fahrenden Fahrzeug ohne ersichtlichen Grund abbremst.

In dem zu entscheidenden Fall des Landgerichts Saarbrücken stellt sich die Frage, ob dies auch für ein Fahrschulauto, welches von einem Fahrschüler geführt wird, gilt. Das Amtsgericht hatte der Klage im Wesentlichen stattgegeben und dies damit begründet, dass beide Parteien für die Folgen des Unfallgeschehens einzustehen hätten, weil die Unfallschäden jeweils bei dem Betrieb eines Kfz entstanden sind, der Unfall nicht auf höhere Gewalt zurückzuführen ist und für keinen der beteiligten Fahrer ein unabwendbares Ereignis vorlag. Da das Fahrschulauto ohne zwingenden Grund abgebremst hatte, und das auffahrende Fahrzeug einen unzureichenden Sicherheitsabstand zum vorausfahrenden Fahrzeug eingehalten hatte, kam es dem Ergebnis, dass beide Fahrzeuge zu 50 % für den Unfall haften.

Dies sah das Berufungsgericht anders und begründete dies damit, dass jeder Verkehrsteilnehmer, der einen deutlich als solchen gekennzeichneten Fahrzeug folgt, mit plötzlichen und sonst nicht üblichen Reaktionen rechnen muss, auch ohne, dass sie durch eine vor dem Fahrschulfahrzeug bestehende Verkehrssituation hervorgerufen werden und muss seine Fahrweise darauf einstellen. Denn das grundlose Abbremsen oder auch „Abwürgen“ des Motors gehört zu den typischen Anfängerfehlern eines Fahrschülers.

Dementsprechend kann der Umstand, dass der Fahrschulwagen nach den Feststellungen des Amtsgerichts vorliegend ohne zwingenden Grund abgebremst wurde, nicht zu einer Erschütterung des Anscheinsbeweises herangezogen werden, weshalb es auf Klägerseite bei dem festgestellten Sorgfaltsverstoß verbleibt. Denn die Reaktion des vorausfahrenden Fahrschulwagens war aufgrund von herannahenden Personen nicht völlig fernliegend und hätte bei der Wahl des Sicherheitsabstands einkalkuliert werden müssen. Aus diesem Grunde wurde eine Haftungsverteilung von 70 % zulasten der Klägerin und 30 % zulasten der Beklagten für gerechtfertigt gehalten.


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