Verkürzung des Genesenenstatus auf 3 Monate ist verfassungswidrig

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Im Eilverfahren 3 B 4/22 hat das Verwaltungsgericht Osnabrück am 04.02.2022 den Landkreis Osnabrück verpflichtet, dem dortigen Antragsteller einen Genesenennachweis auszustellen, der 6 Monate umfasst.

Die Kammer beschloss, dass die Verkürzung des Genesenenstatus verfassungswidrig und damit unwirksam ist.

Aufgrund der hohen Bedeutung des Genesenenstatus und dessen Dauer für die Bürgerinnen und Bürger liegt ein Eingriff in mehrere Grundrechte vor, nämlich u.a. in die Allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG, in die körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 GG und in die Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG.

Das Gericht beanstandet, dass der Verordnungsgeber ohne Rechtsgrundlage nur auf die vom RKI im Internet veröffentlichten Vorgaben verweist und hält offen, ob derart weitreichende Entscheidungen dem Parlamentsvorbehalt unterliegen.

Jedenfalls fehlt es nach Auffassung des Gerichts für die beanstandete Verkürzung an einer wissenschaftlich fundierten Grundlage.

Diese Entscheidung gilt nur für den Antragsteller.

Betroffene können sich mit einem Eilantrag an das in ihrem Fall zuständige Verwaltungsgericht wenden, solange die Verordnung zur Regelung von Erleichterungen und Ausnahmen  von Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 nicht geändert wird.

Das ist für alle Bürgerinnen und Bürger bedeutsam, deren Genesenenstatus aktuell wegen drohenden Ablaufs von 3 Monaten verfällt und die deswegen als ungeimpft gelten.

Das ist grundrechtsrelevant, weil damit nicht nur die Teilhabe an Einrichtungen der Gastronomie und Freizeit nicht möglich ist, sondern für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer oder Schülerinnen und Schüler tägliche negative Testnachweise vorzulegen sind, um die Arbeitsstelle oder die Schule aufsuchen zu können oder aber öffentliche Verkehrsmittel nutzen zu können.


Update:

Aus dem zwischenzeitlich vollständig veröffentlichten Beschluss ergibt sich, dass dem dortigen Antragsteller vom Gericht gemäß § 123 Abs. 3 VwGO, § 926 ZPO  aufgegeben wurde, binnen 2 Wochen in der Hauptsache Rechtsbehelf zu erheben.

Am 11.02.2022 entschied das VG Ansbach ebenfalls zugunsten zweier Antragsteller im Eilverfahren AN 18 S 22.00234, dass für sie der Genesenenstatus 6 anstatt 3 Monate gilt.

Auch das VG Hamburg gab am 14.02.2022 einem Eilantrag des Antragstellers wegen Unwirksamkeit der Verkürzung des Genesenenstatus statt (Az: 14 E 414/22), ebenso wie am 17.02.2022 das VG Berlin (Az: VG 14 L 24/22) und am 22.02.22 in 3 Fällen das VG München (Az: M 26a E 22.662, M 26a E 22.663 und M 26b E 22.730).

In der Praxis hat das RKI aktuell nicht nachvollziehbarer Weise klargestellt, die Verkürzung gelte nicht für Geimpfte, sondern nur für Ungeimpfte. Da die Apotheken bei der Erstellung der EU-Zertifikate derzeit keine Unterscheidungsmöglichkeit haben, scheinen dort auch Ungeimpfte ein dem EU Recht entsprechendes auf 6 Monate ausgestelltes Genesenenzertifikat zu erhalten!

Das VG Halle ging einen Schritt weiter und entschied am 17.02.2022, dass alle Genesenennachweise der Stadt Halle, die vor dem 15.01.2022 mit einer Dauer von 6 Monaten ausgestellt wurden, 6 Monate gültig bleiben (1 B 41/22 HAL). 

Am 2202.2022 hat zudem die EU-Kommission beschlossen, dass für die Ausstellung des EU- Genesenenzertifikats ab sofort ein positiver Schnelltest genügt, der von qualifiziertem Personal durchgeführt wurde und auf der EU-weiten  Liste der Antigen-Schnelltests steht.

Dies gilt rückwirkend für alle Tests, die nach dem 01. Oktober 2021 durchgeführt wurden.

Bedauerlich, dass erst am 21.02.22 der deutsche Gesundheitsminister mitteilte, an der auf 3 Monatsverkürzung festzuhalten, obgleich das VG München sogar moniert, dass es nicht nachvollziehbar sei, warum zweifach Geimpfte zeitlich unbegrenzt privilegiert und Genesene nur für 90 Tage.

Es gibt aber auch Gerichte, die mangels Eilbedürftigkeit und mangels Vortrag, weshalb es unmöglich oder unzumutbar sei, sich impfen zu lassen, Eilanträge ablehnen (VG Dresden, 12.02.2022, Az: 6 L 97/22; VG Schleswig-Holstein, 18.02.2022, Az: 1 B 7/22).

Unterdessen hat sogar das VG Magdeburg am 07.03.2022 entgegen früherer Entscheidung einen Eilantrag abgelehnt, weil aufgrund der Bund-Länder-Verständigung ab dem 20.03.2022 alle tiefgreifenden Schutzmaßnahmen fallen und der Umstand, dass verschiedene Gerichte von der voraussichtlichen Verfassungswidrigkeit des verkürzten Genesenenstatus ausgegangen worden seien, keine Dringlichkeit für eine Begründung weiterer Eilantrages folge (VG Magdeburg, Beschluss vom 07.03.2022, 1 B 48/22 MD). Ähnlich sieht es das VG Cottbus in 11 ablehnenden Beschlüssen vom 09.03.2022 (Az: VG 8 L 39/22 u.a.)

Nachdem nunmehr kraft Gesetztes mit Geltung seit dem 20.03.2022 in § 22a Abs. 2 IfSchG geregelt ist, dass ein Genesenennachweis nur 90 Tage gilt, ist eher nicht mit weiteren Entscheidungen wie ursprünglich durch das VG Osnabrück zu rechnen. Die als verfassungswidrig eingestufte Delegation an das RKI wurde mit dieser Gesetzesänderung behoben. Der Gesetzgeber beließ es leider bei der Verkürzung von 180 auf 90 Tage.


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