Vermächtnis – Was ist das?

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Immer wieder lesen wir in Testamenten die Formulierung "Ich vermache...". Oftmals war sich der Verfasser dabei nicht darüber im Klaren, dass Vermachen und Vererben zwei verschiedene Sachen sind.

Ein Vermächtnis ist eine Art "Sonderregelung", die es ermöglicht, bestimmte Personen unabhängig von der Erbengemeinschaft und der Erbaufteilung besonders zu begünstigen. Unter bestimmten Umständen kann dies sehr sinnvoll sein, sofern man es richtig nutzt.

In diesem Rechtstipp erfahren Sie:


  • Wie ein Vermächtnis funktioniert

  • Was der Unterschied zwischen Vermächtnis und Erbe ist

  • Wer Vermächtnisnehmer sein kann

  • Wann ein Vermächtnis fällig wird

  • Ob Vermächtnisse ausgeschlagen werden können

  • Ob Vermächtnisse steuerpflichtig sind


Wie funktioniert ein Vermächtnis?


Das Vermächtnis gemäß § 1939 BGB ist eine gesonderte Form der Vermögensübertragung im Erbfall, die es ermöglicht, jemanden zu begünstigen, ohne dass dieser als Erbe gilt. Es gibt viele mögliche Gründe, einen Menschen testamentarisch mit besonderen Wertgegenständen zu bedenken. Vielleicht ein Enkel, der, solange seine Eltern leben, nicht gesetzlicher Erbe ist, aber dennoch einen bestimmten Wertgegenstand aus Ihrem Nachlass erhalten soll. Oder jemand, der gar kein Familienangehöriger ist, soll etwas bekommen. 

Dazu muss man testamentarisch verfügen, dass derjenige eine bestimmte Art von Zuwendung als Vermächtnis erhält. Üblicherweise handelt es sich dabei um bestimmte Gegenstände von realem oder ideellem Wert. Man kann aber auch Geldbeträge, Nutzungsrechte o.ä. als Vermächtnis deklarieren. Die beliebtesten Vermächtnisarten sind:


Stückvermächtnis (bezieht sich auf ein zum Nachlass gehörendes Stück, also einen bestimmten Gegenstand)


Verschaffungsvermächtnis (bezieht sich auf einen nicht im Nachlass enthaltenen Gegenstand, der vielmehr aus Mitteln des Nachlasses bezahlt werden soll. Dies ist dann Aufgabe des Erben, demgegenüber der Vermächtnisnehmer seinen Anspruch geltend macht. Dieser muss entweder den Gegenstand aus Mitteln des Nachlasses beschaffen oder Ersatz leisten.)


Vorausvermächtnis (eine individuelle Zuwendung für einen Erben, die nicht auf dessen Erbteil angerechnet wird. Diese erhält der Begünstigte im Erbfall vor der Erbaufteilung, sie wird also aus dem Nachlass gestrichen. An der anschließenden Nachlassteilung ist der Begünstigte als normaler Miterbe beteiligt.)


Nießbrauchsvermächtnis (bezieht sich nicht auf einen Gegenstand, sondern auf ein Recht auf Nutzung eines Nachlassgegenstandes, etwa eine Wohnung.


Rentenvermächtnis (statt eines einmaligen Betrages oder Gegenstandes wird dem Begünstigten eine regelmäßig wiederkehrende Zahlung vermacht, um diesen langfristig abzusichern, beispielsweise in Form einer Leibrente.


Ein Vermächtnis kann testamentarisch geregelt werden, sodass es einseitig und frei widerrufbar gestaltet ist. Es kann aber auch, etwa im Rahmen eines Erbvertrages, bindend, und sogar wechselseitig, vereinbart werden, etwa in einem Ehegattentestament. Ein Vermächtnis ist dann sinnvoll, wenn jemand Anspruch auf einen bestimmten Vermögenswert erhalten soll, ohne dabei durch vertragliche Bindungen, Schulden, oder sonstige Nachlassverpflichtungen beschwert zu werden.

Außerdem lassen sich durch ein Vermächtnis Pflichtteilsforderungen verhindern, indem man einen gesetzlichen Erben per Vermächtnis begünstigt, und gleichzeitig enterbt. Mancher Erbstreit lässt sich durch die geschickte Nutzung eines Vermächtnisses - und die Ausschließung des Vermächtnisnehmers aus der Erbengemeinschaft – verhindern.


Was ist der Unterschied zwischen Vermächtnis und Erbe?


Im Erbfall sind die nächsten Angehörigen des Erblassers dessen gesetzliche Erben. Der Erblasser kann aber per letztwilliger Verfügung (Testament, Erbvertrag) seine Erbverteilung auch selbst vornehmen. Die Erben sind Rechtsnachfolger des Erblassers, das heißt, sie übernehmen nicht nur dessen Eigentum, sondern nehmen in allen rechtlichen Beziehungen gegenüber Dritten seinen Platz ein.

Ein Vermächtnisnehmer gilt nicht als Erbe. Er erhält nur das Vermächtnis, wird aber nicht Teil der Erbengemeinschaft, hat also keine Ansprüche auf weitere Nachlassbestandteile, kein Mitspracherecht bei der Erbverteilung, und auch keine Verpflichtungen, wie Nachlassverbindlichkeiten o.ä. Lediglich, wenn im Rahmen eines Erbvertrages Bedingungen an das Vermächtnis geknüpft wurden, ist der Vermächtnisnehmer an diese gebunden. Daher muss ein Vermächtnis im Testament klar als solches benannt und vom Resterbe getrennt werden.


Wer kann Vermächtnisnehmer sein?


Da mit einem Vermächtnis keine Verpflichtungen einhergehen (außer solchen, die mit dem Vermächtnisgegenstand selbst verbunden oder vertraglich vereinbart sind), kann jeder Mensch Vermächtnisnehmer sein. Auch Personengruppen, Firmen, Vereine usw. können als Vermächtnisnehmer eingesetzt werden. Sogar ungeborene Menschen, etwa den zu erwartenden Urenkel, kann man mit einem Vermächtnis begünstigen. Ist ein Vermächtnisnehmer im Erbfall selbst schon verstorben, wird das Vermächtnis unwirksam – es sei denn, es wurde ein Ersatzvermächtnisnehmer benannt.


Wann wird ein Vermächtnis fällig?


Der Erblasser kann selbst bestimmen, wann das Vermächtnis fällig wird. Er kann testamentarisch verfügen, dass eine minderjährige Person das Vermächtnis zum 18. Geburtstag erhält, oder er kann, etwa in einem Erbvertrag, gemeinsam mit dem Vermächtnisnehmer den Zeitpunkt festlegen, und auch Bedingungen daran knüpfen, die den Zeitpunkt des Vermächtnisses noch hinausschieben.

Wurde kein bestimmter Zeitpunkt festgelegt, wird das Vermächtnis mit dem Erbfall fällig.

Dann muss der Vermächtnisnehmer seinen Anspruch gegenüber den Erben geltend machen, die mit dem Tode des Erblassers (rein rechtlich) automatisch an dessen Stelle treten.


Kann man ein Vermächtnis ausschlagen?


Es ist möglich, ein Vermächtnis auszuschlagen. Dies kann etwa in Betracht kommen, wenn es an besondere Bedingungen geknüpft ist. Ein ausgeschlagenes Vermächtnis wird damit wieder Teil des Gesamterbes. Sofern der Vermächtnisnehmer nicht gleichzeitig auch gesetzlicher Erbe ist und sein Erbe ausschlägt, bestehen keine Pflichtteilsansprüche bei einer Vermächtnisausschlagung.


Ist der Vermächtnisnehmer gleichzeitig Erbe, kann man ein Vorausvermächtnis dazu nutzen, die Pflichtteile zu reduzieren, da dadurch bestimmte Wertgegenstände aus dem Nachlass gestrichen werden und somit dessen Wert, und damit die Höhe der Pflichtteile, sinkt.

Achtung: Wenn der Wert des Vermächtnisses höher ist als der Pflichtteil, haben die pflichtteilsberechtigten Erben einen Anspruch auf Plfichtteilsergänzung gegenüber dem Vermächtnisnehmer!


Sind Vermächtnisse steuerpflichtig?


Der Vermächtnisnehmer übernimmt zwar keine erblichen Verpflichtungen des Erblassers, aber alle Verpflichtungen die an den Vermächtnisgegenstand selbst gebunden sind. Dementsprechend ist ein Vermächtnis auch steuerpflichtig.

Trotzdem ist ein Vermächtnis in der Regel steuerlich günstig, da im Rahmen eines Verschaffungsvermächtnisses Wertgegenstände, deren Wert den Freibetrag übersteigt, übertragen werden können.


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Wenn Sie weitere Fragen haben, oder gern ein Vermächtnis in Ihr Testament oder einen Erbvertrag integrieren möchten, wenden Sie sich einfach per Telefon, E-mail oder Kontaktformular an mich. Ich berate Sie gern!



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