Nachlassverbindlichkeiten – Wie kann ich meine Haftung beschränken?

  • 4 Minuten Lesezeit

Als Erbe ist man Rechtsnachfolger der Erblassers, übernimmt also nicht nur dessen Vermögen, sondern auch alle vertraglichen Verpflichtungen von ihm. Hierzu zählen zumeist noch laufende Verträge oder offene Rechnungen, im schlimmsten Fall auch hohe Schulden, für die nun plötzlich der Erbe haftbar gemacht wird. Zunächst werden Nachlassverbindlichkeiten natürlich aus dem Nachlass (also mit dem übrigen Geld des Erblassers) beglichen. Doch falls dieser aufgezehrt ist, haftet der Erbe auch mit seinem eigenen Privatvermögen! Im vorliegenden Rechtstipp erfahren Sie, was Nachlassverbindlichkeiten sind, und wie Sie als Erbe Ihre Haftung dafür beschränken können.

Wir beantworten darin folgende Fragen:


Was sind Nachlassverbindlichkeiten?

Wie können Erben sich vor Nachlassverbindlichkeiten schützen?

Wie können Erben ihre Haftung für Nachlassverbindlichkeiten beschränken?

Welche Fristen gelten bei der Haftungsbeschränkung?


Was sind Nachlassverbindlichkeiten?

Alles, was in einem Nachlassverzeichnis mit einem Minus versehen ist, gilt als Nachlassverbindlichkeit. Es gibt zwei Arten von Nachlassverbindlichkeiten: Erbfallschulden und Erblasserschulden.


Erbfallschulden entstehen durch den Erbfall selbst (Testamentseröffnung, Bestattungskosten, Vermächtnisauflagen etc.) und können zu erstaunlich hohen Beträgen anwachsen, die man zunächst gar nicht hat kommen sehen. Manche Erbfallschulden sind steuerlich absetzbar. Lassen Sie sich hierzu am besten zeitnah anwaltlich beraten.


Erblasserschulden sind unbeglichene Rechnungen des Erblassers wie private Schulden, Hypotheken, oder noch laufende Kredite. Ausnahmen hiervon sind Unterhaltsverpflichtungen und personenbezogene Verpflichtungen wie Amtswürden.

Der Erbe ist für alle Nachlassverbindlichkeiten haftbar, wenn er das Erbe antritt. Es ist daher extrem wichtig, sich im Erbfall schleunigst einen Überblick über die finanzielle Lage des Nachlasses zu machen.


Wie können Erben sich vor Nachlassverbindlichkeiten schützen?

Wenn ein Nachlass stark mit Schulden belastet ist, müssen die Erben sich überlegen, ob sie dieses Erbe antreten oder lieber ausschlagen wollen.

Erbausschlagung bedeutet, dass man für keine Schulden des Erblassers haftbar gemacht werden kann, aber auch kein Vermögen aus dem Erbe erhält, und alle auf den Nachlass bezogenen Mitspracherechte verliert. Die Ausschlagung muss binnen sechs Wochen ab Kenntnis vom Erbfall erfolgen. Bei einem völlig überschuldeten Nachlass ist eine Ausschlagung zumeist das Klügste. Doch die meisten Fälle sind so eindeutig nicht, und die Entscheidung ist nicht leicht.

Wenn ein Erbe in Unkenntnis der Schuldenmenge sein Erbe angetreten hat, oder eine Ausschlagung aus persönlichen Gründen nicht übers Herz bringt, ist er damit jedoch nicht zum Ruin verurteilt. Er kann zwar nicht den Nachlass, wohl aber sein eigenes Privatvermögen schützen, indem er seine Haftung beschränkt.


Eine befristete Haftungseinschränkung ist durch eine Vereinbarung mit dem Gläubiger oder durch eine Dreimonatseinrede möglich. Die Dreimonatseinrede ist das Recht jedes Erben, binnen drei Monaten nach Erbannahme alle Zahlungen an Nachlassgläubiger abzulehnen, bis ein Nachlassverzeichnis erstellt ist.


Eine dauernde Haftungsbeschränkung ist durch verschiedene Verfahren möglich, die im Folgenden kurz erklärt werden:


1. Dürftigkeitseinrede

„Dürftigkeit“ heißt, dass der Nachlass gemäß dem Nachlassverzeichnis zu gering ist, um Insolvenzverfahrenskosten zu tragen. Eine Dürftigkeitseinrede kann durch Erben, Testamentsvollstrecker oder Insolvenzverwalter beim Nachlassgericht eingereicht werden. Wird die Dürftigkeit anerkannt, wird die Haftung der Erben auf das Nachlassvermögen beschränkt.

Im Gegenzug muss der Nachlass zur Zwangsvollstreckung herausgegeben werden.


2. Aufgebotsverfahren

Ein Aufgebot dient dazu, einen Überblick über alle Nachlassverbindlichkeiten zu bekommen, um gegebenenfalls eine Nachlassverwaltung oder Nachlassinsolvenz zu beantragen.

Das Aufgebotsverfahren muss beim Nachlassgericht durch Erben, Testamentsvollstrecker, Nachlassverwalter oder Nachlasspfleger beantragt werden.

Das Nachlassgericht ermittelt dann die Nachlassgläubiger, und prüft deren Forderungen. Diese werden, sofern sie ordnungsgemäß sind, vom Gericht als verbindlich bestätigt. Nicht ordnungsgemäße Forderungen können die Erben verweigern, wenn diese ihr Privatvermögen belasten würden.


3. Nachlassverwaltung

Eine Nachlassverwaltung ist beim Nachlassgericht zu beantragen, bevor ein Nachlassverzeichnis erstellt wurde. Wird sie bewilligt, übernimmt ein unabhängiger Sachverständiger alle auf den Nachlass bezogenen Aufgaben, inklusive Begleichung aller Schulden. Hierbei bleibt die Trennung von Nachlassvermögen und Privatvermögen des Erben bestehen, sodass kein Nachlassgläubiger auf das Privatvermögen der Erben zugreifen kann.


4. Nachlassinsolvenzverfahren

Wenn der Nachlass überschuldet ist, können die Erben, Nachlassverwalter, Testamentsvollstrecker oder Nachlassgläubiger ein Insolvenzverfahren beantragen. Die Erben sind hierzu sogar binnen 2 Jahren ab Erbannahme verpflichtet, ansonsten können die Nachlassgläubiger Schadensersatz fordern. Hierfür muss dem Insolvenzgericht ein Nachlassverzeichnis und ein Gläubigerverzeichnis vorgelegt werden. Mit Beginn des Nachlassinsolvenzverfahrens treten die Erben alle Verfügungsbefugnisse über den Nachlass an einen Insolvenzverwalter ab, und ihre Haftung wird auf den Nachlass beschränkt.


Welche Fristen gelten bei der Haftungsbeschränkung?


Eine Erbausschlagung muss binnen sechs Wochen ab Kenntnis vom Erbfall erfolgen.


Ab Annahme des Erbes kann der Erbe maximal für drei Monate Zahlungen an Nachlassgläubiger verweigern.

In diesem Zeitraum muss ein Nachlassverzeichnis erstellt werden. Ansonsten ist jede Haftungsbeschränkung ausgeschlossen!

Eine Nachlassverwaltung kann nur innerhalb dieser Frist beantragt werden.


Bei einem überschuldeten Nachlass muss binnen zwei Jahren ein Nachlassinsolvenzverfahren beantragt werden.


Wenn in der ersten Phase von sechs Wochen nach dem Erbfall die Situation des Nachlasses unklar oder unübersichtlich ist, sollten Sie umgehend einen Fachanwalt für Erbrecht kontaktieren, der gemeinsam mit Ihnen den Nachlass prüft, und Sie hinsichtlich der sinnvollsten Vorgehensweise beraten kann.


Die Kanzlei Dr. De Leve & Kersten ist auf Erbrecht spezialisiert und berät Sie gerne.

Kontakieren Sie uns!


Mehr zum Thema Nachlassverbindlichkeiten und Haftungsbeschränkung erfahren Sie hier.




Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Florian Kersten

Beiträge zum Thema