Versicherer muss grundsätzlich für den Austausch von Brustimplantaten zahlen

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PKV: Versicherer ist für den Austausch von Brustimplantaten einstandspflichtig

Von Heiko Effelsberg, LL.M., Rechtsanwalt und Fachanwalt für Versicherungsrecht.

Die Brustvergrößerung durch das Einbringen von Implantaten ist in der Regel keine medizinisch notwendige Heilbehandlung, gleichzeitig aber mit einer Reihe von medizinischen Risiken verbunden. Der Bundesgerichtshof (Urteil vom 17.02.2016, Az. IV ZR 353/14) hatte sich nun mit der Frage zu beschäftigen, ob der private Krankenversicherer für die Behandlungskosten einzustehen hat, wenn sich eine dieser medizinischen Risiken nach der rein kosmetischen Operation realisiert.

Die Ehefrau des Versicherungsnehmers hatte sich bereits vor Beginn des Versicherungsvertrags die Brüste durch Implantate vergrößern lassen. Vor dem Eingriff wurde sie über die damit verbundenen Risiken durch den Behandler aufgeklärt. Mehrere Jahre später bildete sich in einer Brust eine schmerzhafte Kapselfibrose, die im Ergebnis zum Austausch beider Implantate führte. Nach Einreichung der Behandlungsrechnungen weigerte sich der Versicherer, die Kosten auszugleichen. Seiner Ansicht nach habe bereits mit der erstmaligen Einbringung der Implantate als Fremdkörper ein anormaler Körperzustand und damit eine Krankheit vorgelegen. Für diesen wäre er nicht einstandspflichtig, weil er schon vor Vertragsschluss bestanden hat. Außerdem habe die Versicherte die akute Erkrankung der Kapselfibrose vorsätzlich herbeigeführt, da ihr dieses Risiko aufgrund der Belehrung durch den Behandler vor der Operation bekannt gewesen sei und sie dieses in Kauf genommen habe.

Diese Argumentation hatte in den Vorinstanzen Erfolg, wurde jedoch vom Bundesgerichtshof nicht anerkannt – er hat das Verfahren zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.

Der Senat ging dabei fast lehrbuchartig vor und gelangte durch Auslegung der Versicherungsbedingungen zu dem Ergebnis, dass der „durchschnittliche und um Verständnis bemühte Versicherungsnehmer“ unter einer Krankheit zwar einen anormalen und regelwidrigen Körper- und Geisteszustand verstehe, eine Krankheit sei jedoch nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch auch dadurch gekennzeichnet, dass sie eine nicht ganz unerhebliche Störung körperlicher und geistiger Funktion mit sich bringe (Rz. 16 f.). Danach sei jedoch allein in der Einbringung der Implantate keine Krankheit zu sehen, diese trete vielmehr erst mit der Kapselfibrose auf.

Nach Einschätzung des Senats wurde die Kapselfibrose auch nicht vorsätzlich herbeigeführt. Das Berufungsgericht hatte angenommen, dass eine versicherte Person eine Folgeerkrankung immer dann billigend in Kauf nehme, wenn es sich um eine nicht ganz fernliegende Folge des ursprünglichen Eingriffs, sondern um eine natürliche Abstoßungsreaktion handle, der in einer durchaus bedeutsamen Anzahl von Fällen (hier 5 bis 20 %) auftrete und die versicherte Person darüber aufgeklärt worden ist (Rz. 22). Damit hat das Berufungsgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung einen unzutreffenden Erfahrungssatz aufgenommen. Denn der Vorsatz setze sich aus einem Wissens- und einem Wollenselement zusammen. Das Wissenselement könne durch die ärztliche Belehrung herrühren. Die Kenntnis über die mögliche Folge einer Behandlung führe aber nicht dazu, dass der Patient den Eintritt des möglichen Risikos auch im Rechtssinne wolle und damit bedingt vorsätzlich handle. Nur wenn der Patient die Folge „billigend in Kauf nehme“, könne von einem bedingten Vorsatz ausgegangen werden.

Da der Sachverhalt nicht entscheidungsreif war, wurde die Sache zurückverwiesen.

Die Klarstellung des BGH ist zu begrüßen. Dies gilt insbesondere für die Ausführungen zur vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalls. Zwar ist zuzustimmen, dass der Patient durch die Aufklärung des behandelnden Arztes Kenntnis über mögliche Komplikationen erlangt, dies bedeutet im Umkehrschluss jedoch nicht, dass er alle diese Komplikationen auch in Kauf nimmt. Alles andere würde nur zu einer Aushöhlung des Versicherungsschutzes führen, dies insbesondere deshalb, weil Ärzte und Arzneimittelhersteller haftungsrechtlich ja gerade gehalten sind, so weit wie möglich zu belehren.

Die Entscheidung bedeutet aber auch nicht, dass nunmehr sämtliche Folgeeingriffe von Schönheitsoperationen versichert sind. Vielmehr wird es in der Praxis auf den jeweiligen Einzelfall und die Kenntnisse sowie Erwartungen des Patienten ankommen. Ein Pauschalurteil verbietet sich somit.


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