Vollmacht und Erbe | Rechtsanwalt

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Es ist nicht unüblich, dass der Erblasser noch zu Lebzeiten eine andere Person dazu bestimmt, vor seinem Tod und insbesondere danach in seinem Interesse über sein Erbe zu verfügen. Hierfür macht er sich dann regelmäßig die Vollmacht zunutze.

Arten der Vollmacht und ihre Wirkungen

Zunächst einmal gilt es, in diesem Zusammenhang zwei Arten von Vollmachten zu unterscheiden. Der Erblasser kann zum einen eine sog. transmortale Vollmacht erteilen, die bereits vor seinem Tod ihre Wirkung entfaltet, aber auch nach seinem Tod noch fortwirkt. Das bedeutet, dass der Bevollmächtigte mit der transmortalen Vollmacht schon zu Lebzeiten des Erblassers befugt ist, innerhalb der Grenzen der Vollmacht für ihn zu handeln. Zum anderen kann der Erblasser eine sog. postmortale Vollmacht erteilen, die erst ab seinem Tod wirkt. Hiernach kann der Bevollmächtigte also erst nach dem Tod des Erblassers tätig werden und über sein Vermögen verfügen.

Des Weiteren können Vollmachten im Allgemeinen hinsichtlich ihres Umfangs unterschieden werden. Mit einer sog. Generalvollmacht können sämtliche Rechtsgeschäfte durch den Bevollmächtigten vorgenommen werden. Dagegen ist der Bevollmächtigte mit einer sog. Spezialvollmacht nur zur Vornahme eines bestimmten und exakt definierten Rechtsgeschäftes befugt. Sollte der Erblasser der zu bevollmächtigenden Person also weitreichende Befugnisse zugestehen wollen, sollte er sich für eine Generalvollmacht entscheiden.

Zweck und Form der Vollmacht

Mit der Vollmacht kann der Bevollmächtigte nunmehr Rechtsgeschäfte mit Wirkung für den Nachlass vornehmen. Das heißt, er kann über das Erbe des Erblassers verfügen, solange und soweit sein Handeln von der Vollmacht gedeckt ist. Dafür benötigt er auch keinen Erbschein. Die Vollmacht ist sogar schon dann gültig, wenn die Erben noch gar nicht bestimmt worden sind.

Die Vollmacht bedarf grundsätzlich keiner Form. Aus Gründen der Rechtssicherheit empfiehlt es sich jedoch, die Vollmacht zumindest schriftlich festzuhalten. Sollte sich die Vollmacht auch auf Rechtgeschäfte über Immobilien oder Unternehmen beziehen, ist zudem eine notarielle Beurkundung empfehlenswert, um etwaigen Formvorschriften zu entsprechen. Auf diese Weise kann möglicherweise später auftretenden Problemen von vornherein entgegengewirkt werden und die spätere Abwicklung, insbesondere nach dem Tod des Erblassers, von Beginn an so einfach wie möglich gestaltet werden.

Vollmacht vs. Testamentsvollstreckung

Anstelle einer Vollmacht kann sich der Erblasser zu Lebzeiten auch für eine Testamentsvollstreckung entscheiden. Diese muss er dann in seiner letztwilligen Verfügung, also seinem Testament oder seinem Erbvertrag, anordnen. Der Testamentsvollstrecker hat ebenfalls die letztwilligen Verfügungen des Erblassers auszuführen. Ob nun eine Vollmacht oder eine Testamentsvollstreckung zweckmäßiger ist, muss im Einzelfall entschieden werden. Für eine Beratung diesbezüglich stehe ich Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.

Tod des Erblassers vs. Tod des Bevollmächtigten

Verstirbt nun der Erblasser, so bleibt die Vollmacht grundsätzlich bestehen. Wie oben beschrieben, tritt spätestens jetzt – je nachdem, welche Art der Vollmacht vorliegt – ihre Wirkung ein. Der Bevollmächtigte kann also mit der Vollmacht die vereinbarten Rechtsgeschäfte im Interesse des Erblassers vornehmen. Erlangt der Erbe des Erblassers Kenntnis von der Vollmacht, kann er allerdings gegen sie vorgehen. Dazu später unten mehr. Sollte dagegen der Bevollmächtigte versterben, lässt dies die Vollmacht im Zweifel erlöschen. Das bedeutet, dass wiederum die Erben des Bevollmächtigten nicht mehr bevollmächtigt sind, mit der Vollmacht also gar nichts anfangen können. Dies ist regelmäßig auch im Interesse des Erblassers; schließlich hat er sich den Bevollmächtigten zu Lebzeiten ja gerade ausgesucht.

Widerruf der Vollmacht

Vollmachten können grundsätzlich widerrufen werden. Wirken die vom Erblasser erteilten Vollmachten über seinen Tod hinaus, können diese nicht mehr durch ihn, sondern nur noch durch seine Erben widerrufen werden. Vollmachten sind im Zweifel widerruflich. Bei widerruflichen Vollmachten sind die Erben stets zum Widerruf befugt. Den Widerruf können sie entweder gegenüber dem Bevollmächtigten oder gegenüber dem Dritten, demgegenüber der Bevollmächtigte als solcher aufgetreten ist, erklären. Darüber hinaus kann der Erblasser seine Vollmacht auch für unwiderruflich erklären. Allein deshalb soll den Erben die Möglichkeit, gegen die Vollmacht vorzugehen, aber nicht genommen werden. Sie bleiben zum Widerruf aus wichtigem Grund berechtigt. Die bereits erwähnte Generalvollmacht ist aufgrund ihrer umfassenden Ermächtigung stets widerruflich.

Hat der Erblasser dem Bevollmächtigten eine Vollmachtsurkunde erteilt, ist diese nach erfolgtem Widerruf unbedingt zurückzugeben. Dies ist insofern von großer Bedeutung, als dass die Urkunde einen sog. Rechtsschein erzeugt. Das bedeutet, dass selbst dann, wenn die Vollmacht bereits wirksam widerrufen wurde, der Inhaber der Vollmachtsurkunde weiterhin Rechtsgeschäfte mit ihr vornehmen kann. Schließlich müssen Dritte darauf vertrauen dürfen, dass derjenige, der die Urkunde vorzeigen kann, das betreffende Rechtsgeschäft auch tatsächlich vornehmen darf.

Bankgeschäfte

Dass, wie bereits festgestellt, die Vollmacht nach dem Tod des Erblassers grundsätzlich erst einmal bestehen bleibt, kann gerade für die Erben gefährlich werden. Zwar ist ein Widerruf grundsätzlich möglich, oftmals weiß der Erbe jedoch gar nichts von der Vollmacht. Geht der Bevollmächtigte nun beispielsweise mit seiner Vollmachtsurkunde zur Bank und lässt sich einen gewissen Betrag von dem Konto des Erblassers auf sein eigenes transferieren, ist dieses Rechtsgeschäft zunächst einmal gültig. Hinzu kommt, dass die Bank nach Ansicht des Bundesgerichtshofes auch nicht berechtigt oder verpflichtet ist, dem Erben Auskunft zu erteilen. Ferner müsse sie nicht durch Zuwarten den Erben einen Widerruf der Vollmacht ermöglichen. Gerade in diesen Fällen ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes geboten.

Anwaltlicher Rat

Die Erteilung einer Vollmacht, die auch nach dem Tod des Vollmachtgebers noch Wirkung entfalten soll, will wohl überlegt sein. Nicht nur hinsichtlich der formellen Erteilung, sondern auch hinsichtlich des Inhalts ist eine rechtliche Beratung hier stets sinnvoll. Gerade innerhalb einer Erbengemeinschaft, wenn es also mehrere Erben gibt, kann durch eine frühzeitige juristische Beratung späterem Disput vorgebeugt werden.

Aber auch für den Widerruf einer bereits erteilten Vollmacht ist anwaltliche Unterstützung ratsam.


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Foto(s): Kanzlei Fathieh

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