Vollstreckungsbescheid gegen Minderjährigen - ​wirksame Zustellung?

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Ein Vollstreckungsbescheid gegen einen Minderjährigen (oder auch Mahnbescheid) kann wirksam ergehen. Obwohl Minderjährige gemäß §§ 104 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) aufgrund ihrer eingeschränkten Geschäftsfähigkeit geschützt sind, können sie zwischen 7 und 18 Jahren grundsätzlich Zahlungsverpflichtungen eingehen und Verträge abschließen. Voraussetzung dafür ist, dass der Minderjährige die Leistung aus eigenen Mitteln erbracht hat (der sogenannte "Taschengeldparagraf"), oder dass die Eltern zugestimmt haben.

Wenn der minderjährige Schuldner trotz seiner Verpflichtung nicht zahlt, kann selbstverständlich auch ein Mahn- oder Vollstreckungsbescheid gegen diesen ergehen.


Vollstreckungsbescheid - wirksame Zustellung


Für die Wirksamkeit des Vollstreckungsbescheids muss dieser ordnungsgemäß zugestellt werden (§ 699 ZPO). Bei einem Vollstreckungsbescheid gegen einen Minderjährigen ergibt sich jedoch eine besondere Situation in Bezug auf die Zustellung. Gemäß § 170 Abs. 1 Satz 2 der ZPO ist die Zustellung an eine nicht prozessfähige Person unwirksam. Gemäß § 51 Abs. 1 der ZPO ist der minderjährige Schuldner selbst nicht prozessfähig, daher muss die Zustellung an den gesetzlichen Vertreter erfolgen. Wenn der Vollstreckungsbescheid jedoch an den minderjährigen Schuldner gesendet wurde oder an ihn adressiert ist, liegt keine wirksame Zustellung vor. Beachten Sie jedoch: Wenn die Eltern dennoch Kenntnis von dem Vollstreckungsbescheid erlangen, indem sie ihn öffnen, gilt der Bescheid trotzdem als zugestellt!


Vollstreckungsbescheid - Frist für den Widerspruch


Das Problem im Zusammenhang mit dem Vollstreckungsbescheid ist, dass innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung Einspruch eingelegt werden muss. Wenn die Frist für den Einspruch abgelaufen ist, wird der Vollstreckungsbescheid wirksam, und der Gläubiger verfügt über einen vollstreckbaren Titel gegen den Schuldner. Im Falle eines Vollstreckungsbescheids gegen einen Minderjährigen und einer hypothetischen, unwirksamen Zustellung stellt sich die Frage, ob die Frist für den Einspruch auch bei einer unwirksamen Zustellung beginnt.


Einspruchsfrist bei unwirksamer Zustellung - BGH


Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in zwei Urteilen - BGH, Urteil vom 19.03.2008 - VIII ZR 68/07 und BGH, Urteil vom 15.01.2014 - VIII ZR 100/13 - die Frage behandelt, wie sich eine unwirksame Zustellung auf die Frist für den  Einspruch auswirkt. Obwohl diese Verfahren nicht minderjährige Schuldner betrafen, sondern andere nicht prozessfähige Personen (Demenz und Alkoholerkrankung), entschied der BGH in beiden Fällen überraschenderweise zugunsten der Gläubiger. Eine unwirksame Zustellung löst demnach die Frist für den Einspruch aus - ein unerwartetes Ergebnis. Der Hauptgrund für diese Entscheidung des BGH war die vermeintliche Gewährleistung der Rechtssicherheit. Daher kann man davon ausgehen, dass in Fällen eines Vollstreckungsbescheids gegen einen Minderjährigen nichts anderes gelten würde.


Vollstreckungsbescheid gegen Minderjährige - Handlungsmöglichkeiten


Es ist daher äußerst wichtig, einen Vollstreckungsbescheid gegen einen Minderjährigen ernst zu nehmen. Selbst wenn die Zustellung unwirksam ist, laufen - paradoxerweise - dennoch Fristen. Daher sollten Sie idealerweise einen Rechtsanwalt konsultieren, der fristwahrende Maßnahmen ergreifen kann. Selbst wenn alle Fristen bereits abgelaufen sind, ist der minderjährige Schuldner nicht schutzlos. Nach den oben genannten Urteilen des BGH besteht die Möglichkeit, die - äußerst seltene - Nichtigkeitsklage gemäß § 579 der ZPO zu erheben.

Mit unserer Erfahrung und Fachkenntnis stehen wir Ihnen selbstverständlich in allen Bereichen der Forderungsabwehr und Zwangsvollstreckung zur Verfügung.

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