Vor- und Nacherbfolge – Was ist das?

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Vor- und Nacherbfolge hat nichts mit vorweggenommener Erbfolge zu tun, sondern ist eine spezielle Erbfolgeregelung, die es dem Erblasser ermöglicht, die Weitergabe seines Erbes über mehrere Generationen hinweg im Voraus zu regeln. In besonderen Fällen kann dies sinnvoll sein. Oftmals bieten sich allerdings andere Lösungen eher an.

In diesem Rechtstipp erfahren Sie alles, was Sie zu diesem Thema wissen müssen:


  • Wie die Vor- und Nacherbfolge funktioniert

  • Welche Rechte und Pflichten Vorerben und Nacherben haben

  • Welche Vorteile und Nachteile zu beachten sind

  • Ob Vor- und Nacherben die Erbschaft ausschlagen können

  • Wie eine Vor- und Nacherbschaft besteuert wird

  • Welche Alternativen gibt es zur Vor- und Nacherbfolge?


Wie funktioniert die Vor- und Nacherbfolge?

Die Vor- und Nacherbfolge ermöglicht es, eine Erbschaft an mehrere Personen nacheinander zu vererben. Hierzu bestimmt der Erblasser testamentarisch, wer nach seinem Tode das Erbe erhalten soll (Vorerbe) und benennt darüber hinaus eine weitere Person, an die zu gegebener Zeit das Erbe weitergegeben wird (Nacherbe). Der Vorerbe fungiert gewissermaßen als Treuhänder, der das Erbe für den Nacherben verwaltet. Der Erblasser bestimmt über dessen Rechte und Pflichten bezüglich des Erbes. Der Nacherbe gilt erbrechtlich als zweiter Erbe des Erblassers, nicht als Erbe des Vorerben. Wenn das Erbe vom Vorerben auf den Nacherben übergeht, verliert der Vorerbe seinen Erbenstatus (§ 2139 BGB). Diesen Zeitpunkt bestimmt ebenfalls der Erblasser selbst, und kann diesen auch an einen Anlass (z.B. Volljährigkeit des Nacherben) oder Bedigungen (z.B. Hochschulabschluss des Nacherben) knüpfen. Allerdings muss die Nacherbschaft nach spätestens 30 Jahren erfolgen, sonst erlischt sie. Wird kein Zeitpunkt festgelegt, erfolgt die Nacherbfolge automatisch zusammen mit dem Erbfall des Vorerben, also bei dessen Tod.

Verstirbt der Nacherbe vorher, erlischt die Nacherbfolge und die Erbschaft bleibt Eigentum des Vorerben. Es sei denn für diesen Fall wurde ein Ersatz-Nacherbe benannt.


Welche Rechte und Pflichten haben die Vor- und Nacherben?

Grundsätzlich gilt, dass der Vorerbe in erster Linie Pflichten gegenüber dem Nacherben hat, der Nacherbe hingegen in erster Linie Rechte. Denn damit die Nacherbschaft angetreten werden kann, muss das Erbe erhalten bleiben, was die Verfügungsgewalt des Vorerben stark einschränkt.

Hierbei unterscheidet das Gesetz zwei Möglichkeiten, zwischen denen der Erblasser wählen kann:


Der sogenannte „unbefreite Vorerbe“ ist verpflichtet, den Nachlass für den Nacherben auf eigene Rechnung zu verwalten und zu erhalten. Er darf den Nachlass nutzen und daraus entstehende Profite selbst einstreichen (z.B. eine geerbte Immobilie vermieten). Er ist berechtigt, das Erbe zu vermehren, und dessen Wert zu steigern. Schmälert er diesen jedoch, ist er ersatzpflichtig. Verschuldet er sich, dürfen seine Gläubiger (inklusive Vater Staat) gemäß § 2115 BGB nicht auf das Erbe zugreifen, da dieses dem Nacherben zusteht.


Wenn der Erblasser verfügt, dass der Vorerbe die Erbschaft als „befreiter Vorerbe“ antritt, ist dieser nicht verpflichtet, das Erbe zu erhalten. Er darf dann etwa Wertgegenstände verkaufen, oder Nachlasswerte verbrauchen, muss hierfür aber unter Umständen später Ersatz an den Nacherben leisten (§ 2138 Abs 2 BGB). Die reine Wertsubstanz des Erbes muss auch durch den befreiten Vorerben erhalten werden, daher kann er es nicht verschenken. Er kann aber beispielsweise, wenn es sich bei dem Erbe um eine Immobilie handelt, diese verkaufen, und davon Aktien kaufen. Die Aktien dürfen von ihm jedoch nicht in sein eigenes Vermögen überführt werden, und alle etwaigen Gewinne stehen dem Nacherben zu. Sollten die Aktien an Wert verlieren, ist der Vorerbe aus eigener Tasche ersatzpflichtig.


Der Nacherbe hat keine Verpflichtungen, aber jede Menge Rechte:

Gemäß § 2121 BGB kann er jederzeit Auskunft über Status und Wert des Erbes verlangen. Er kann vom unbefreiten Vorerben die risikolose Anlegung des Nachlassvermögens verlangen. Kommt der Vorerbe seinen Forderungen nicht nach, kann der Nacherbe ihm per Klage die Verwaltung des Erbes entziehen.


Was sind die Vorteile und Nachteile einer Vor- und Nacherbfolge?

Eine Vor- und Nacherbfolge einzurichten kann sinnvoll sein, wenn Sie den Erhalt Ihres Erbes für lange Zeit gewährleisten wollen und mit ein und demselben Erbteil oder Wertgegenstand mehrere Personen begünstigen möchten, die nicht im gleichen Alter sind, beispielsweise Ihren Ehepartner (Vorerbe) und Ihr Kind (Nacherbe).


Vorteile:

  • Der Vorerbe ist wirtschaftlich versorgt, ohne das Erbe zu schmälern

  • Das Erbe bleibt dem Nacherben und späteren Generationen erhalten

  • Die Nacherbfolge kann an Bedingungen geknüpft, und somit evtl. der Lebensweg der Erben positiv beeinflusst werden


Nachteile:

  • Der Vorerbe ist in ständiger Pflicht gegenüber dem Nacherben und der Nacherbe in ständiger Warteschleife, was Konfliktpotential birgt

  • Steuerlich ist die Vor- und Nacherbschaft ungünstig

  • In finanzieller Not könnte der Vorerbe das Erbe nicht verwerten


Können Vor- und Nacherbe die Erbschaft ausschlagen und den Pflichtteil verlangen?

Sowohl der Vorerbe als auch der Nacherbe können die Erbschaft ausschlagen:

Der Vorerbe muss dies binnen 6 Wochen ab Erbfall tun. Dann fällt das Erbe direkt an den Nacherben.

Dieser kann (wenn der Vorerbe die Erbschaft angetreten hat) ab dem Todes des Erblassers jederzeit spätestens aber 6 Wochen nach Eintreten des Nacherbfalles das Erbe ausschlagen. Schlägt der Nacherbe vor Eintreten des Nacherbfalles die Nacherbschaft aus, wird der Vorerbe zum Vollerben. Schlägt der Nacherbe die Nacherbschaft zum Zeitpunkt des Nacherbfalles aus, fällt das Erbe zurück an den Vorerben bzw. an dessen Erben.

Schlagen beide das Erbe aus, greift die gesetzliche Erbfolge.

Wenn der Vor- oder Nacherbe gesetzlich pflichtteilsberechtigt ist, kann er auch nach Ausschlagung des Erbes binnen 3 Jahren seinen Pflichtteil fordern.

Der Pflichtteil kann durch die Verfügung einer Vor- und Nacherbschaft gekürzt werden, da das Pflichtteilsrecht sich auf das Vermögen der Nacherbschaft beschränkt.


Wie wird eine Vor- und Nacherbschaft besteuert?

Für den Vorerben fallen normale Erbschaftssteuern an.

Wenn der Zeitpunkt für die Nacherbschaft durch den Erblasser selbst festgelegt wurde, diese also nicht durch den Tod des Vorerben bedingt wird, werden die durch den Vorerben gezahlten Steuern dem Nacherben angerechnet.

Erfolgt die Nacherbschaft erst aufgrund des Todes des Vorerben, gilt steuerrechtlich der Nacherbe als Erbe des Vorerben, das Erbe wird also zweimal besteuert!

Erbt der Nacherbe abgesehen von der Nacherbschaft noch etwas vom Vorerben wird diese Erbschaft noch einmal extra besteuert. Je nach Verwandtschaftsgrad sogar in verschiedenen Steuerklassen.

Insgesamt ist eine Vor- und Nacherbfolge steuerlich also eher ungünstig.



Welche Alternativen gibt es zur Vor- und Nacherbfolge?

Es gibt mehrere erbrechtliche Möglichkeiten, die sich eher anbieten als eine Vor- und Nacherbfolge, allen voran das Nießbrauchsrecht:

Anstatt beispielsweise Ihren Ehepartner als Vorerben und das Kind zum Nacherben einzusetzen, damit Ihr Ehepartner bis zu seinem Tode das gemeinsame Haus behält, und Ihr Kind es danach bekommt, können Sie auch einfach Ihr Kind als Erben einsetzen, und Ihrem Ehepartner ein lebenslanges Wohnungs- oder Nießbrauchsrecht zusprechen.

Oder Sie nutzen das Berliner Testament, und setzen Ihren Ehepartner als alleinigen Vollerben, und die Kinder als Schlusserben ein.


Weitere Informationen zum Thema Vor- und Nacherbschaft erhalten Sie hier.

Wenn Sie noch Fragen haben, melden Sie sich einfach per Telefon, E-mail oder über das Kontaktformular.

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