Vorfälligkeitsentschädigung zurückholen: Commerzbank scheitert vor BGH

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Wird ein Immobiliendarlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz vorzeitig an die Bank zurückgezahlt – beispielsweise auf Grund einer Trennung der Darlehensnehmer oder weil die finanzierte Immobilie verkauft wurde –, verlangt die Bank vom Darlehensnehmer i. d. R. eine Entschädigungszahlung: die so genannte Vorfälligkeitsentschädigung. Diese Zahlung kann jedoch häufig vermieden oder erfolgreich zurückgefordert werden – nämlich dann, wenn der Darlehensvertrag fehlerhafte oder unvollständige Angaben zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung  enthält. Nun hat der BGH mit seinem aktuellen Beschluss vom 8. Juni 2021 (Az.: XI ZR 320/20) das Urteil des OLG Frankfurt am Main vom 1. Juli 2020 (Az.: 17 U 810/19) zu Lasten der Commerzbank faktisch bestätigt und damit die Rechte betroffener Verbraucher gestärkt.

Wann hat die Bank keinen Anspruch auf eine Vorfälligkeitsentschädigung?

Grundsätzlich hat die kreditgebende Bank oder Sparkasse im Falle der vorzeitigen Beendigung einer Immobilienfinanzierung gegen den Darlehensnehmer Anspruch auf Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung. Für Immobilienkredite, die seit dem 21. März 2016 geschlossen wurden, besteht jedoch die Besonderheit, dass die Vertragsunterlagen zureichende Angaben zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung enthalten müssen. Fehlen diese vertraglichen Angaben oder sind sie unzureichend, d. h. unverständlich, unklar, unvollständig oder fehlerhaftverliert die Bank gemäß § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB ihren Anspruch auf eine Vorfälligkeitsentschädigung. Vereinnahmt das Kreditinstitut dennoch eine Vorfälligkeitsentschädigung, hat der Darlehensnehmer gemäß § 812 Abs. 1 BGB wegen einer so genannten ungerechtfertigten Bereicherung der Bank Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Vorfälligkeitsentschädigung zzgl. Zinsen.

Commerzbank muss Vorfälligkeitsentschädigung zurückzahlen

Mit seiner Entscheidung vom 1. Juli 2020 (Az.: 17 U 810/19) verurteilte das OLG Frankfurt am Main die Commerzbank dazu, eine im Jahr 2018 vereinnahmte Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von rd. 21.500 EUR zuzüglich Zinsen an ihre ehemaligen Kunden zurückzuzahlen. Das Gericht hatte entschieden, dass die Commerzbank keinen Anspruch auf die Vorfälligkeitsentschädigung hat und deshalb zur Rückzahlung verpflichtet ist. Zur Begründung führte das OLG aus, die Angaben zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung im streitgegenständlichen Darlehensvertrag seien unvollständig und damit unverständlich. Konkret heißt es in der Urteilsbegründung (Auszug):

„Die Vertragsangaben über die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung sind unzureichend i.S.v. § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB, wenn sie nicht klar und verständlich […] sind […]. Maßgeblich ist die Sicht eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbrauchers […]. Ein solcher Verbraucher war nicht in der Lage, den Angaben in den Allgemeinen Darlehensbedingungen zu entnehmen, wie die Beklagte im Falle der vorzeitigen Rückzahlung die Vorfälligkeitsentschädigung berechnen würde. Die Beklagte hat die vorzunehmenden Rechenschritte zwar im Einzelnen dargestellt. Diese Darstellung ist in Bezug auf den zweiten Rechenschritt indes unverständlich.“

Das OLG Frankfurt am Main verurteilte die Commerzbank zur Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigung zzgl. Zinsen und ließ auch keine Revision beim BGH zu. Hiergegen legte die Commerzbank eine so genannte Nichtzulassungsbeschwerde vor dem BGH ein – jedoch ohne Erfolg. Der BGH wies die Beschwerde nun zurück, wodurch es die Auffassung des OLG Frankfurt am Main faktisch bestätigte.

Welche Auswirkungen hat der Beschluss des BGH auf die Rechtsprechung?

Bereits vor der Veröffentlichung des Beschlusses hatten sich mehrere Landgerichte dem Urteil des OLG Frankfurt am Main vom 1. Juli 2020 angeschlossen und die Commerzbank sowie weitere Banken und Sparkassen zur Rückzahlung von Vorfälligkeitsentschädigungen verurteilt – u. a. die LGs Hamburg, Dortmund, Rostock und Konstanz. Mit der Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch den BGH ist die Verurteilung der Commerzbank durch das OLG Frankfurt am Main rechtskräftig geworden.

In der Folge haben Zehntausende von Verbrauchern nun die Möglichkeit, sich auf diese eindeutige und verbraucherfreundliche Entscheidung zu berufen und mit anwaltlicher Hilfe die Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung zu vermeiden, um so Tausende von Euro zu sparen.

Kann auch eine bereits gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung zurückgefordert werden?

Ja! Verbraucher, die ihre Immobilienfinanzierung ab dem 21. März 2016 abgeschlossen und im Zuge der vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens eine Vorfälligkeitsentschädigung gezahlt haben, können diese von der Bank oder Sparkasse zurückverlangen. Voraussetzung hierfür ist, dass der Erstattungsanspruch noch nicht verjährt ist. Die Verjährung tritt in der Regel drei Jahre nach dem Ende des Jahres ein, in dem die Vorfälligkeitsentschädigung gezahlt wurde. Haben Sie beispielsweise im Jahr 2018 eine Vorfälligkeitsentschädigung gezahlt, müssten Sie rechtzeitig vor Ablauf des 31. Dezember 2021 aktiv werden, um die Entschädigungszahlung erstattet zu bekommen.

Sie sollen eine Vorfälligkeitsentschädigung an Ihre Bank zahlen oder haben bereits eine Vorfälligkeitsentschädigung gezahlt und möchten diese zurückfordern? Gern bieten wir Ihnen kostenfrei und unverbindlich eine Prüfung Ihres Darlehensvertrages durch unsere erfahrenen Fachanwälte für Bank- und Kapitalmarktrecht an. Über das Ergebnis der Vertragsprüfung und die Erfolgsaussichten in Ihrem Fall informieren wir Sie in unserer kostenfreien Ersteinschätzung.



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