Vorladung, Anklage, Hausdurchsuchung Vorwurf Nachstellung („Stalking“) – Fachanwalt für Strafrecht

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Seit dem Jahr 2007 ist das sog. „Stalking“ (übersetzt „Nachstellen, Verfolgen, Psychoterror“) strafbar. Im selben Jahr kam das erste iPhone auf den Markt. Seitdem hat sich das Leben verändert: unser Smartphone ist unser stetiger Begleiter. Kaum jemand geht ohne Smartphone aus dem Haus. Der erste Blick nach dem Aufwachen und vor dem Einschlafen fällt auf das Smartphone. Während nur eines Tages werfen wir ca. 50- bis 80-mal pro Tag einen Blick auf den Bildschirm unseres Smartphones.


Während 2007 kaum jemand ein Smartphone besaß, besitzt heute nahezu jeder Deutsche ein Smartphone. Genauer gesagt lag der Anteil der Smartphone-Besitzer/-innen im Jahr 2021 in Deutschland bei rund 88,8 % der Bevölkerung. In der Altersgruppe 14 bis 59 Jahren betrug der Anteil deutlich über 90 %.


Kein Wunder also, dass sich die Vorgehensweise beim „Stalking“ seit Einführung im Jahr 2007 verändert hat. Heutzutage besteht das Stalking nicht mehr nur aus dem schlichten Auflauern an der Wohnung oder dem Arbeitsplatz. Infolge der technischen Fortschritte und dem stetigen Wachstum von Social-Media-Kanälen hat das Stalking neue Dimensionen und Ausmaße erreicht. Cyberstalking ist einfacher, anonymer und effizienter. 


Im Jahr 2021 wurde die Vorschrift des § 238 StGB („Nachstellung“) zur effektiveren Bekämpfung von Nachstellungen und besseren Erfassung des Cyberstalkings neu gefasst.


Welche Strafe droht für Nachstellung?


Grundsätzlich wird Nachstellung bzw. Stalking mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft.

Unter bestimmten Voraussetzungen kann eine Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung ausgesetzt werden. 


Wann ist die Strafe für Nachstellung höher?


In besonders schweren Fällen ist eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren zu erwarten. 

Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn durch das Stalking eine (schwere) Gesundheitsschädigung oder Gefahr des Todes für das Opfer, einen Angehörigen des Opfers oder einer anderen dem Opfer nahestehenden Person verursacht wird.

Ein besonders schwerer Fall von Nachstellung kann auch insbesondere dann vorliegen, wenn eine Vielzahl von Tathandlungen über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten vorgenommen wird. Eine Vielzahl an Tathandlungen liegt zumindest bei einer niedrigen zweistelligen Zahl an Tathandlungen vor.

Es kann auch erschwerend berücksichtigt werden, wenn Computerprogramme, sog. Stalkingware, eingesetzt werden, um das digitale Ausspähen zu ermöglichen.

Auch das Alter kann straferschwerend wirken. Dies ist der Fall, wenn der Täter über einundzwanzig Jahre und das Opfer unter sechszehn Jahre alt ist. (Quelle: BT-Drs. 251/21, 8)


Darüber hinaus kann die Strafe nach § 238 Abs. 3 StGB auch noch höher ausfallen.

Wird durch die Tat der Tod des Opfers, eines Angehörigen des Opfers oder einer anderen dem Opfer nahestehenden Person verursacht, ist eine Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren vorgesehen.

Unter das Verursachen des Todes des Opfers kann auch die Verursachung des Suizids des Opfers durch die Nachstellung fallen (vgl. z.B. BGH, Beschluss v. 15.02.2017 – 4 StR 375/16 in NJW 2017, 2211).


Wann mache ich mich wegen Nachstellung („Stalking“) strafbar?


Stalking bzw. Nachstellung ist nach § 238 Abs. 1 StGB strafbar.


Wegen Stalkings macht sich strafbar, „wer einer anderen Person in einer Weise unbefugt nachstellt, die geeignet ist, deren Lebensgestaltung nicht unerheblich zu beeinträchtigen, indem er wiederholt“ (§ 238 Abs. 1 StGB) eine der in § 238 Abs. 1 StGB genannten Handlungen vornimmt.


Die Eignung zur Beeinträchtigung der Lebensgestaltung erfordert eine unfreiwillige Veränderung der Lebensumstände des Opfers. Die Veränderung ist für das Opfer einschneidend und wirkt sich negativ auf die Lebensqualität aus. Zu tatsächlichen Veränderungen muss es nicht gekommen sein, es reicht eine objektive Betrachtung. 

Als Beispiele werden der Wechsel der Telefonnummer, des Arbeitsplatzes oder der Wohnung oder der Austritt aus einem Verein angeführt. Dazu zählt auch das Verlassen der Wohnung oder des Arbeitslatzes nur noch in Begleitung. (Quelle: BT-Drs. 251/21, 6; NK-StGB/Sonnen, 6. Aufl. 2023, StGB § 238 Rn. 45; BT-Drs. 16/3641, 14)


Es ist vom Einzelfall abhängig, wie viele Wiederholungen erforderlich sind. Bei schwerwiegenden Tathandlungen kann schon eine geringe einstellige Anzahl ausreichend sein. Bei der Berechnung der Anzahl können mehrere, verschiedenartige Handlungen im Sinne des § 238 Abs.1 StGB berücksichtigt werden. (Quelle: BT-Drs. 251/21, 6)


Nachstellung durch wiederholtes Aufsuchen räumlicher Nähe 


Unter dem Aufsuchen von räumlicher Nähe nach Nr. 1 sind physische Annäherungen an das Opfer, wie zum Beispiel das Auflauern, Verfolgen, Warten vor der Wohnung und auch die häufige Präsenz in der Nähe der Wohnung oder des Arbeitsplatzes erfasst. 

Zufällige zeitgleiche Anwesenheit zu anderen Zwecken (Warten an einer in der Nähe der Wohnung gelegenen Bushaltestelle, Einkauf im Supermarkt, Besuch eines Kinos o.Ä.) reicht in diesem Zusammenhang aber nicht aus. (Quelle: BT-Drs. 16/575, 7)


Nachstellung durch wiederholte Kontaktaufnahme mithilfe von Telekommunikationsmitteln / sonstigen Mitteln der Kommunikation oder über Dritte


Die Kontaktherstellung zum Opfer mithilfe von Telekommunikationsmitteln oder sonstigen Mitteln der Kommunikation umfasst den „Telefonterror“ und auch das „Cyberstalking“. Dazu zählen unter anderem Anrufe, E-Mails, SMS, Briefe, Nachrichten über Social-Media-Kanäle wie zum Beispiel Instagram, Facebook oder WhatsApp. Aber auch die „altmodische“ Art, wie schriftliche Nachrichten an der Windschutzscheibe, ist davon erfasst.

Der Kontakt zum Opfer kann auch mittelbar über Angehörige oder andere Personen aus dem Umfeld des Opfers, wie Arbeitskollegen, hergestellt werden. (Quelle: BT-Drs. 16/575, 7)


Nachstellung duch unter missbräuchlicher Verwendung von personenbezogenen Daten 

Bestellungen von Waren oder Dienstleistungen aufgeben / Dritte zur Kontaktaufnahme veranlassen


Zum einen sind von Nr. 3 Bestellungen von Waren oder Dienstleistungen erfasst, die im Namen des Opfers aufgegeben werden. 

Zum anderen geht es um die Veranlassung Dritter zur Kontaktaufnahme zum Opfer. Als Beispiel kann die Erstellung eines Dating Profils auf einer Internetseite oder in einer App genannt werden. Im Rahmen dieses Profils werden der Name, die Handynummer oder sonstige Daten des Opfers verwendet, damit Dritte Kontakt zu dem Opfer aufnehmen können. (Quelle: BT-Drs. 16/575, 7)


Nachstellung durch Bedrohung mit der Verletzung von Leben, körperlicher Unversehrtheit, Gesundheit oder Freiheit 


Eine Strafe wegen Nachstellung / Stalking kann auch durch die wiederholte Bedrohung des Opfers mit der Verletzung von Leben, körperlicher Unversehrtheit, Gesundheit oder Freiheit ihrer selbst, eines ihrer Angehörigen oder einer anderen ihr nahestehenden Person begründet werden.


Nachstellung durch wiederholte Begehung einer Straftat nach § 202a StGB, § 202b StGB oder § 202c StGB 


Damit sind die Fälle gemeint, in denen der Täter durch Erraten von Passwörtern, Einsatz von Hacking-Methoden oder sog. Stalkingware unbefugten Zugriff auf die Daten des Opfers erlangt. Dabei wird sich insbesondere Zugang zu den E-Mail- und Social-Media-Konten des Opfers verschafft. Geschützt ist nicht nur das Opfer selbst, sondern auch Angehörige oder andere dem Opfer nahestehende Personen. (Quelle: BT-Drs. 251/21, 6)


Nachstellung durch wiederholtes Verbreiten oder der Öffentlichkeit zugänglich machen von Abbildungen


Es sind unter Nachstellung auch die Fälle erfasst, in denen eine Abbildung des Opfers verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Damit ist vor allem das Veröffentlichen von Fotos im Internet bzw. in den sozialen Medien gemeint. Geschützt ist auch hier nicht nur das Opfer selbst, sondern auch Angehörige oder andere dem Opfer nahestehende Personen. (Quelle: BT-Drs. 251/21, 7)


Nachstellung durch wiederholtes Verbreiten oder der Öffentlichkeit zugänglich machen eines Inhalts, der geeignet ist, diese Person verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen, unter Vortäuschung der Urheberschaft der Person 


Im Unterschied zu Nr. 6 sind bei Nr. 7 unter anderem Texte oder Zeichnungen, unter Vortäuschung einer Urheberschaft des Opfers, erfasst. Es soll das Ansehen des Opfers gefährdet werden. Als Beispiel kann das Anlegen eines Social-Media-Kontos unter dem Namen des Opfers, über das mit Dritten kommuniziert wird, oder das Veröffentlichen angeblicher krimineller Fantasien oder Vorhaben unter dem Namen des Opfers, wie etwa das Ankündigen eines Amoklaufs, angeführt werden. Auch eine anonyme Erklärung, die Rückschlüsse auf das Opfer zulässt, reicht aus. (Quelle: BT-Drs. 251/21, 7)


Nachstellung durch vergleichbare Handlungen


Nach Nr. 8 kann auch eine mit den Nummern 1 bis 7 vergleichbare Handlung dem Tatbestand unterfallen. Diese Nummer dient als Auffangtatbestand, um auf neu auftretende, noch nicht abzusehende Verhaltensweisen reagieren zu können. Darunter fällt zum Beispiel das falsche Schalten von Todesanzeigen. (Quelle: NK-StGB/Sonnen, 6. Aufl. 2023, StGB § 238 Rn. 40, 41)

Sie haben eine Vorladung mit dem Vorwurf der Nachstellung erhalten?

Einer Vorladung der Polizei haben Sie nicht Folge zu leisten. Sie haben das Recht zu schweigen. Zu dem Termin, der in der polizeilichen Vorladung angegeben ist, müssen Sie nicht erscheinen.

Bewahren Sie Ruhe und kontaktieren Sie uns, damit wir die Angelegenheit besprechen können.

Der Tatbestand der Nachstellung ist komplex ausgestaltet und an enge Voraussetzungen geknüpft, die im Einzelnen zu prüfen sind. Im Anschluss kann eine für Ihren Fall passende Verteidigungsstrategie erarbeitet werden.

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