Vorladung, Anklage Vorwurf verbotene Kraftfahrzeugrennen – wann macht man sich wegen Raserei strafbar?

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Im Jahr 2023 hat die Berliner Justiz 811 Verfahren wegen Raserei eingeleitet. Das sind 56 mehr als im Vorjahr. Gerade auf der Autobahn A100 in Berlin sind Autorennen keine Seltenheit. Doch welche Strafen drohen für die Teilnahme an solchen Rennen? 


Macht man sich mit illegalen Autorennen strafbar?  

Ja! Zentrale Norm bei der Strafbarkeit von Autorennen ist § 315d StGB. Dieser trat im Oktober 2017 in Kraft, wodurch verbotene Kraftfahrzeugrennen von einer Ordnungswidrigkeit zur Straftat hochgestuft wurden. Das bedeutet, dass es bei Verstößen nicht nur zu einem Bußgeldbescheid kommt, sondern eine Anklage durch die Staatsanwaltschaft sowie im Falle einer Verurteilung Geldstrafen oder sogar Freiheitsstrafen drohen.


Welche Strafen drohen für illegale Autorennen? 

Dies hängt insbesondere vom Grad der Gefährdung ab. 


Bei verbotenen Kraftfahrzeugrennen, welche keine konkrete Gefährdung oder Verletzung verursachen, droht eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe

In bestimmten Konstellationen wird die Strafandrohung allerdings höher. Kommt es aufgrund des Autorennens zu einer Gefährdung von Leib oder Leben eines anderen Menschen oder werden fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, erhöht sich der Strafrahmen auf Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe. Dies ist immer dann der Fall, wenn es zu einem sogenannten „Beinahe-Unfall“ kommt, also eine konkrete Gefahrsituation eintritt, bei der er nur noch vom Zufall abhängt, ob es zu einem Schaden bzw. einer Verletzung kommt. 

Noch höhere Strafen drohen, wenn durch das Autorennen der Tod oder eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen eintritt. Dann kommt nur noch eine Freiheitsstrafe in Betracht, welche nicht unter einem Jahr liegt und bis zu zehn Jahre betragen kann.  

Sollte durch das Autorennen der Tod eines Menschen verursacht worden sein und hat der Fahrer dies billigend in Kauf genommen, droht sogar eine lebenslange Freiheitsstrafe


Möglich ist auch, dass man aufgrund des illegalen Autorennens seine Fahrerlaubnis verliert – mit der Folge, dass nach Ablauf einer eventuellen Sperrfrist die Führerscheinprüfung erneut abgelegt werden muss, wobei regelmäßig eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) gefordert wird. Auch ein Fahrverbot für eine bestimmte Zeit kann angeordnet werden. Des weiteren kann es sein, dass Sie Ihr Auto verlieren, namentlich das Auto unmittelbar nach der Tat beschlagnahmt und anschließend eingezogen wird, sodass das Eigentum an dem Fahrzeug auf den Staat übergeht. Dies ist auch dann möglich, wenn das Fahrzeug gar nicht dem Teilnehmer des Autorennens gehört. 


Wann macht man sich wegen illegalen Autorennens strafbar?

Eines verbotenen Kraftfahrzeugrennens macht sich nach § 315d StGB strafbar, wer 

  • ein nicht erlaubtes und somit illegales Autorennen ausrichtet oder durchführt,
  • als Kraftfahrzeugführer an einem illegalen Straßenrennen teilnimmt oder 
  • sich als Kraftfahrzeugführer mit nicht angepasster Geschwindigkeit grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt, um eine Höchstgeschwindigkeit zu erreichen. 

(§ 315d Abs.1 StGB)


Was ist ein verbotenes Autorennen?

Ein Autorennen ist ein Wettbewerb zur Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten mit Kraftfahrzeugen, bei dem zwischen mindestens zwei Teilnehmern ein Sieger ermittelt wird. 

Einer vorherigen Absprache zwischen den Teilnehmern bedarf es nicht, sodass auch sogenannte Spontanrennen ein Autorennen im Sinne der Vorschrift darstellen. 

Auch eine schlüssige Einigung zwischen den Fahrern reicht aus, zum Beispiel durch wechselseitig provozierendes Fahren. Das Autorennen ist illegal, wenn keine behördliche Genehmigung dafür vorliegt oder wenn bei seiner Durchführung von einer Genehmigung abgewichen wird. 


Wodurch macht man sich wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennen strafbar?

Neben der Teilnahme an einem verbotenen Autorennen sind auch das Ausrichten und Durchführen des Rennens strafbar. Man muss also nicht zwingend selbst mitfahren, sondern kann sich auch durch Planung und Organisation eines illegalen Autorennens strafbar machen. 


An einem Autorennen teilnehmen kann nur der Kraftfahrzeugführer. Beifahrer können sich demnach nicht Täter eines verbotenen Kraftfahrzeugrennens nach § 315d StGB sein. 


Auch wenn kein Unfall verursacht wird, kann man sich strafbar machen. Nicht einmal die Verursachung einer konkreten Gefahrensituation ist erforderlich. Ausreichend ist bereits das Vorliegen einer abstrakten, also allgemeinen bzw. generellen, Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs. 

Kommt es jedoch zu einer konkreten Gefährdung, droht eine höhere Strafe. 

Kommt es sogar zu einer tatsächlichen Schädigung, namentlich zum Tod einer anderen Person oder einer schweren Gesundheitsschädigung, so steigt die Strafe abermals.


Ist auch die bloße Raserei ohne andere Teilnehmer strafbar? 

Das kommt auf den Einzelfall an. § 315d StGB erfasst trotz der Überschrift „Verbotene Kraftfahrzeugrennen“ auch sogenannte „Einzelraser“, wenn deren Verhalten Renncharakter hat. Das klingt nun zugegebenermaßen erst einmal widersprüchlich, „bloßes“ zu schnelles Fahren als „Autorennen“ zu bezeichnen.

Zu bedenken ist aber, dass auch alleiniges zu schnelles Fahren mit dem Ziel Höchstgeschwindigkeiten zu erreichen gleichermaßen Gefahren für andere Teilnehmer am Straßenverkehr oder Fußgänger etc. birgt. 


Voraussetzung für eine Strafbarkeit wegen Raserei ist, dass mit nicht angepasster Geschwindigkeit gefahren wird und sich die Fortbewegung als grob verkehrswidrig und rücksichtslos darstellt.  Erforderlich ist also ein besonders starker Verstoß gegen die Regeln des Straßenverkehrs. Zudem muss der Fahrer mit der Absicht handeln, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen. 


Das Landgericht Berlin verurteilte zum Beispiel einen 24-jährigen wegen Raserei, der in der Berliner Innenstadt zeitweise mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von mindestens 150 km/h fuhr und dabei ohne Ankündigung mehrere Spurwechsel vollzog, zu einer Geldstrafe in Höhe von 5.400 Euro (LG Berlin, Urteil vom 04. Dezember 2018 – (562) 236 AR 157/18 Ns (65/18)). 


Die Absicht, der Erreichung einer höchstmöglichen Geschwindigkeit muss dabei weder das einzige noch das vorherrschende Motiv für die überhöhte Geschwindigkeit sein. So steht der Vorwurf eines illegalen Autorennens in Gestalt der Raserei auch bei der Flucht mit dem Auto – zum Beispiel von der Polizei – regelmäßig im Raum (so z.B. OLG Zweibrücken, Beschluss v. 14.10.2022 – 1 OLG 2 Ss 27/22 in openJur 2022, 19903).


Wichtig ist hier unter anderem die Feststellung der besonders hohen Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit sowie die Absicht der Erreichung einer höchstmöglichen Geschwindigkeit. 

Dies dient auch der Abgrenzung von Straftat und Ordnungswidrigkeit. Bei Geschwindigkeitsüberschreitungen, die noch nicht das Ausmaß einer Raserei im Sinne der Straftat des verbotenen Kraftfahrzeugrennen erreicht hat, stellt die Geschwindigkeitsüberschreitung dennoch regelmäßig eine Ordnungswidrigkeit dar. Hier drohen dann aber natürlich deutlich weniger schwerwiegende Folgen. Statt Geldstrafen und Freiheitsstrafen drohen hier eine Geldbuße und Punkte in Flensburg. 


Ist das schnelle Fahren von „Donuts“ strafbare Raserei?

Das Kammergericht Berlin verneinte allerdings eine Strafbarkeit wegen unerlaubten Kraftfahrzeugrennens für den Fall des Fahrens von „Donuts“ (360-Grad-Kehren) „mit quietschenden Reifen und starker Qualmeinwirkung“ (KG Berlin, Urteil v. 18.01.2022 – (3) 121 Ss 138/21 (59/21), (3) 121 Ss 138/21 (60/21)). Das Gericht stützte sich dabei insbesondere auf den Wortlaut der Strafnorm, die im Falle des Einzelrasers von „fortbewegen“ des Kraftfahrzeugführers spricht, sodass das auf der Stelle Fahren nicht als ein Straßenrennen gegen sich selbst gewertet werden könne.


Straflos ist das Fahren solcher „Donuts“ dennoch nicht. In diesem Fall bestätigte das Kammergericht eine Strafbarkeit wegen Nötigung.


Illegales Autorennen und Raserei – welche Strafen drohen außerdem? Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung oder Mord nach Autorennen?

Kommt es bei dem illegalen Autorennen zu einer Verletzung von Personen, drohen zudem auch Strafen wegen Körperverletzung. Da auch die fahrlässige Körperverletzung strafbar ist, muss der Fahrer noch nicht einmal eine Verletzung einer anderen Person billigend in Kauf genommen haben, um sich strafbar zu machen. 

Gefährliche Körperverletzung ist mit einer Freiheitsstrafe zwischen sechs Monaten und 10 Jahren bedroht, „einfache“ Körperverletzung mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder einer Geldstrafe. Im Falle einer nur fahrlässigen Körperverletzung droht eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe.


Je nach Fallkonstellation kann auch der Tatbestand der Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 315c StGB erfüllt sein. 

Gefährdung des Straßenverkehrs ist grundsätzlich mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bedroht.


Wenn es im Zusammenhang mit dem illegalen Autorennen zum Tod einer Person kommt, kann zudem ein vorsätzliches Tötungsdelikt vorliegen (also Totschlag oder Mord). Entscheidend dafür ist, ob Tötungsvorsatz gegeben war. Dies erfordert zum einen die Vorstellung, dass die Todesfolge eintreten kann und zum anderen muss der Täter diesen für möglich gehaltenen Tod auch billigend in Kauf genommen haben. 

Hier drohen dann sehr hohe Strafen. Totschlag wird grundsätzlich nicht unter fünf Jahren Freiheitsstrafe bestraft; für Mord droht eine lebenslange Freiheitsstrafe.


So wurde einer der beiden „Ku’damm-Raser“ vom Berliner Landgericht zu lebenslanger Haft verurteilt (LG Berlin, Urteil vom 26. März 2019 – (532) 251 Js 52/16 Ks (9/18)). Dieser fuhr im Rahmen eines Autorennens mit einer Geschwindigkeit von über 160 Stundenkilometern auf dem Ku’damm, überfuhr mehrere rote Ampeln und kollidierte schließlich mit einem anderen Fahrzeug, dessen Führer noch an der Unfallstelle verstarb. Das Gericht sah hierdurch die Mordmerkmale der Heimtücke sowie der Tötung aus niedrigen Beweggründen erfüllt. Dies wurde durch den Bundesgerichtshof bestätigt. 



Wenn Sie mit dem Vorwurf eines illegalen Autorennens konfrontiert sein sollten, empfiehlt es sich daher, sich an einen erfahrenen und spezialisierten Anwalt für Strafrecht und Verkehrsrecht zu wenden. Dieser weiß, worauf bei der rechtlichen Beurteilung Ihres Falles zu achten ist und kann nach Analyse der Ermittlungsakte eine geeignete Verteidigungsstrategie erarbeiten.  


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