Wann muss die Versicherung bei einer Betriebsschließung wegen Corona zahlen?

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Entscheidend dafür, ob die Versicherung zahlen muss, ist - wie oftmals im Versicherungsrecht - das Kleingedruckte, insbesondere die Klauseln in den Versicherungsbedingungen. Aber auch Angaben zum Umfang des Versicherungsschutzes in den sonstigen Vertragsunterlagen wie etwa Versicherungsschein (Versicherungspolice), Produktinformationen, Produktmitteilungen, Versicherungsbroschüren usw. und sogar auf der Website der Versicherung können von Bedeutung sein.

Wie sieht die Rechtsprechung aus?

Die meisten Instanzgerichte neigen bislang dazu, einen Anspruch des Versicherungsnehmers zu verneinen, wenn die Versicherungsbedingungen eine Aufzählung der versicherten Krankheiten und Krankheitserreger enthalten und das neuartige Coronavirus (SARS-CoV-2) in der Aufzählung nicht genannt ist. 

Anders sieht die Sache aus, wenn die Versicherungsbedingungen selbst keine Aufzählung der versicherten Krankheiten und Krankheitserreger enthalten, sondern hierfür auf das Infektionsschutzgesetz (IfSG) und die dort genannten meldepflichtigen Krankheiten verweisen. Im Infektionsschutzgesetz wurde das Coronavirus (COVID-19) nämlich längst als meldepflichtige Krankheit aufgenommen, § 6 Abs. 1 Nr. 1 lit. t) IfSG.  

Aber auch dann, wenn die Versicherungsbedingungen eine Aufzählung enthalten, in der das Coronavirus fehlt, wurde ein Entschädigungsanspruch des Kunden bereits oft genug von den Gerichten bejaht, und zwar dann, wenn an anderer Stelle in den Versicherungsunterlagen - z.B. im Versicherungsschein (Versicherungspolice), in den Produktinformationen bzw. den Produktmitteilungen, in einer Versicherungsbroschüre usw. - Angaben enthalten sind, die vom Kunden wieder dahin gehend verstanden werden können, dass doch Versicherungsschutz für die im Infektionsschutzgesetz (IfSG) genannten meldepflichtigen Krankheiten gewährt werden soll. Eine solche Unklarheit bzw. Widersprüchlichkeit in den Vertragsbestimmungen geht regelmäßig zu Lasten der Versicherung mit der Folge, dass der Versicherungsnehmer Entschädigung für eine coronabedingte Betriebsschließung verlangen kann. 

Worauf beruht diese Entscheidungspraxis der Instanzgerichte? 

Die dahin gehenden Gerichtsentscheidungen beziehen sich auf die höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu der Auslegung von Versicherungsbedingungen. Hiernach ist - vereinfacht gesagt - den Versicherungsbedingungen von den Gerichten diejenige Bedeutung beizulegen, die ihnen auch der durchschnittliche Versicherungsnehmer ohne irgendwelche versicherungsrechtlichen Spezialkenntnisse beimessen würde. In erster Linie ist dabei vom Wortlaut der Klauseln in den Versicherungsbedingungen auszugehen und zu fragen, wie der übliche Versicherungskunde als rechtlicher Laie dies verstehen muss bzw. verstehen darf. 

Verbleiben hiernach Zweifel, wie der Kunde die Klausel verstehen kann, z.B. weil diese nicht im Einklang mit weiteren Vertragsbestimmungen bzw. mit sonstigen Angaben in den Vertragsunterlagen steht, geht dies zu Lasten der Versicherung als Verwenderin der Klausel. Dies widerum liegt begründet in der Rechtsvorschrift des § 305c Abs. 2 BGB, wonach Zweifel bei der Auslegung von AGB zu Lasten des Verwenders der AGB gehen, hier also zu Lasten der Versicherung.

Welche Argumente ziehen die Gerichte heran?

Nehme der Versicherer in den Versicherungsbedingungen eine namentliche Auflistung der versicherten Krankheiten auf, müsse der übliche Versicherungskunde dies so verstehen, dass der Versicherer sein sog. "Leistungsversprechen" auf genau diese namentlich in den Bedingungen benannten Krankheiten beschränken wolle. Wenn der Versicherer statdessen sämtliche im IfSG genannnten meldepflichtigen Krankheiten hätte versichern wollen, hätte er sich nämlich wohl kaum die Mühe gemacht, selbst einen Katalog bestimmter, namentlich benannter versicherter Krankheiten in den Vertrag aufzunehmen. Vielmehr hätte er einfach auf die entsprechenden Regelungen im IfSG verweisen können. So jedenfalls die bislang herrschende Meinung der Gerichte unter Bezugnahme auf die genannte Rechtsprechung des BGH.

Dies bedeutet also im Umkehrschluss, dass ein Entschädigungsanspruch des Versicherungskunden von den Gerichten regelmäßig bejaht wird, wenn die Versicherungsbedingungen die genannte Aufzählung der versicherten Krankheiten nicht enthalten und hierfür stattdessen eine sog. "Verweisung" auf den Katalog im IfSG zu den meldepflichtigen Krankheiten in die Bedingungen aufgenommen wurde. Dies dürfe der übliche Versicherungskunde dann dahin verstehen, dass der Versicherer sein Leistungsversprechen auf sämtliche im IfSG genannnten meldepflichtigen Krankheiten erstrecken wolle, und damit auch für dort nach Abschluss des Versicherungsvertrags neu aufgenomme Krankheiten wie etwa das neuartige Coronavirus (SARS-CoV-2) .  

Aber auch wenn es in den Bedingungen an einer Verweisung auf das IfSG fehlt und stattdessen die genannte Aufzählung ohne Nennung des Coronavirus aufgenommen wurde, kann dem Versicherungskunden u.U. ein Entschädigungsanspruch zustehen und wurde dies von den Gerichten auch schon oft genug so entschieden. Denn oftmals enthält der Versicherungsvertrag an anderer Stelle - etwa im Versicherungsschein, in einer Produktmitteilung, einer Versicherungsbroschüre o.ä. - Angaben zum Umfang der Versicherung, die beim Kunden den Eindruck erwecken können, dass Versicherungsschutz für die im IfSG genannten Krankheiten gewährt wird. In dem Fall wird der Versicherungskunde üblicherweise ziemlich ratlos dastehen, ob Corona mitversichert ist, wenn es zwar nicht in der Aufzählung in den Bedingungen, aber im IfSG genannt ist. Eine solche Unklarheit bzw. Widersprüchlichkeit darf nach der Rechtsprechung des BGH nicht zu Lasten des Kunden gehen. Die dadurch von Seiten der Versicherung infolge der unklaren Ausgestaltung der Vertragsbestimmungen beim Kunden hervorgerufenen Unklarheiten und Zweifel gehen zu Lasten der Versicherung als Verwenderin der Klausel mit der Folge, dass der Anspruch des Kunden zu bejahen ist.   

Kritik

Nach meinem Dafürhalten legen die Instanzgerichte der Frage, ob die Bedingungen eine Verweisung auf das IfSG enthalten oder nicht, eine zu große Bedeutung bei.  Der übliche Versicherungskunde als rechtlicher Laie - auf dessen Verständnismöglichkeiten es nach der Rechtsprechung des BGH alleine ankommt - wird mit dem Rechtinstitut der Verweisung (in Gestalt der Rechtsgrund- bzw. Rechtsfolgenverweisung) regelmäßig nicht viel anfangen können. 

Stattdessen sollte der Schwerpunkt der Betrachtung deshalb eher darauf gelegt werden zu fragen, welcher Gesamteindruck für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer vermittelt wird, und zwar unter Berücksichtigung sämtlicher Vertragsbestimmungen und sonstiger Angaben des Versicherers zum Umfang des Versicherungsschutz nicht nur in den  Vertragsunterlagen, sondern auch etwa in der Werbung, auf der Homepage der Versicherung usw. Wird dort oft genug für den Versicherungsschutz auf das IfSG Bezug genommen, um in der Gesamtschau den Eindruck beim Versicherungsnehmer überwiegen zu lassen, dass Corona mitversichert sein soll, weil es nun mal in das IfSG aufgenommen wurde, sollte dies - auch ohne eine konkrete Rechtsverweisung auf die dortigen Bestimmungen zu den meldepflichtigen Krankheiten - ausreichen und dem Versicherungskunden der Entschädigungsanspruch zuerkannt werden. 

Solange der BGH der dahingehenden Entscheidungspraxis der Instanzgerichte, die in erster Linie danach fragen, ob die Bedingungen eine konkrete Rechtsverweisung auf das IfSG beinhalten, keine Absage erteilt hat, sollte aber gut überlegt und geprüft werden, ob ohne eine Verweisung auf das IfSG in den Bedingungen die Entschädigungsklage gegen den Versicherer eingereicht wird!  


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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